Berlin. „Stefan ist wie ein Schwamm“, lobt Sandra Weckert den, der gestern beim ersten öffentlichen Auftritt der „Schweitzer Bigband“ das Schlagzeug bediente. Man könnte ihm aber auch ein Saxophon in die Hand geben oder ihn hinter das Keyboard setzen. Denn es ist nicht nur ein Musikinstrument, das er innerhalb der vergangenen acht Wochen lernte, sondern eben diese drei.
Die Aula der Neuköllner Albert-Schweitzer-Schule war bis auf den letzten Platz besetzt. Die Mitschüler, Schulleiter Georg Krapp, einige Eltern und Lehrer, der stellvertretende Leiter der Musikschule Paul Hindemith Neukölln Bojan Assenov: Sie alle wollten an dem Ereignis teilhaben, das durchaus als Wunder bezeichnet werden kann. „In der letzten Augustwoche haben wir mit den Proben begonnen“, erzählt Sandra Weckert. Zuvor hatten 25 Schülerinnen und Schüler der 7. und 8. Klassen ihr Interesse signalisiert, ein Instrument zu erlernen, um ein Schulorchester zu gründen und mit diesem öffentlich aufzutreten. Erfahrungen an Gitarre, Keyboard, Saxophon, Bass, Posaune und den Drums hatte aber bisher niemand.
Mit dem Hardrock-Klassiker „TNT“ der Band AC/DC legen die Jugendlichen los, nachdem vom Publikum die Frage, woher die Gruppe eigentlich stammt, beantwortet wurde: Australien. Sie mache schließlich nicht nur Musik mit den Mädchen und Jungs, hält Sandra Weckert schmunzelnd fest, sondern unterrichte auch Musik. Nebenbei außerdem Deutsch, Englisch, Erdkunde und Mathe. Mit „Sweet About Me“ kommt auch der zweite Titel vom fünften Kontinent. Bei der ruhigeren, melodischen Nummer von Gabriella Cilmi können die vier Sängerinnen des Orchesters ihr Talent beweisen, doch die stimmlichen Qualitäten werden von phasenweise aussetzenden Mikrofonen heftig sabotiert. Mitleidige Blicke wandern vom Publikum in Richtung Bühne, verzweifelte kommen zurück. Sandra Weckert, selber Musikerin und Sängerin, springt unterstützend ein, während sie weiter mit energischen Gesten die Instrumentalisten zu ihren Einsätzen dirigiert.
Den richtige Ton zur richtigen Zeit zu treffen ist das Ergebnis der von ihr erfundenen Bigbandmethod, die verspricht, sehr kurzfristig ein Instrument spielen und sich mit dem in eine Band eingliedern zu können. Dass es klappt bewies sie bislang nicht nur den Mitarbeitern etlicher Unternehmen, sondern auch Inhaftierten der JVA Moabit.
Über das Förderprogramm „Kultur macht stark – Bündnisse für Bildung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung praktiziert sie die Methode nun unter der Regie der Musikschule Paul Hindemith an zwei Neuköllner Sekundarschulen. „Sowohl an der Röntgen-Schule als auch am Albert-Schweitzer-Gymnasium sollen innerhalb eines Jahres Bigbands als nachhaltige Kiezorchester aufgebaut werden, die bei Veranstaltungen im Kiez und auch außerhalb auftreten können“, erklärt Dr. Bojan Assenov. Mit der Schweitzer Bigband wolle man dabei vor allem auf Rockklassiker bauen, um den „passiven Kunstkonsum durch eine aktivierende Gestaltung durch Musik zu ersetzen“.
Einmal wöchentlich werde nachmittags in der Schule geprobt, berichtet Sandra Weckert, die selbst 18 Instrumente spielt und mit ihrer Bigbandmethod als Trainerin, Vortragsrednerin und Coach bundesweit unterwegs ist. Aber da das natürlich nicht reiche, um Instrumente beherrschen zu lernen und das musikalische Repertoire zu erweitern, würden zusätzlich externe Workshops durchgeführt. „Hotel California“ von den Eagles, der Stones-Evergreen „Jumping Jack Flash“, „Seven Nation Army“ von den White Stripes: Mit jedem Titel gewinnen die Jugendlichen auf der Bühne an Selbstbewusstsein und Spielfreude. „Applaus für die Musiker, die in den Herbstferien geübt haben bis die Hände bluteten“, fordert Sandra Weckert das begeisterte Publikum auf. Für den Peter Fox-Titel „Alles neu“ bittet sie sogar noch Verstärkung in Form einiger Mitglieder der Röntgen Bigband dazu. Mit dem Song „Das erste Mal“ des deutschen Hiphoppers Dendemann endet das beeindruckende Debüt der jungen Musiker, die noch vor zwei Monaten keine waren. Im nächsten Monat, am 18. Dezember, ist ihr nächstes Konzert.
Wer mehr über die Führungsexpertin und Leadership-Coach Sandra Weckert erfahren möchte oder sich für ihre Bigband-Methode interessiert, bekommt weitere Informationen unter www.bigbandmethod.com. Impressionen zum Konzert in der der Neuköllner Albert-Schweitzer-Schule gibt es auf den Seiten des Facetten-Magazins Neukölln unter http://facettenneukoelln.wordpress.com/2013/10/17/ein-wunder-namens-schweitzer-big-band.