Die Ruhr ist in den letzten Jahrzehnten immer sauberer geworden. Dennoch ist Baden wegen hygienischer Bedenken verboten. Welche Krankheitserreger der Badende erwarten muss und ob unter bestimmten Bedingungen sicheres Baden möglich ist, untersuchen der Ruhrverband und das Wasserforschungsinstitut IWW mit 8 weiteren Partnern in einem dreijährigen Forschungsprojekt.
Die Ruhr mit ihrem Einzugsgebiet dient fast 5 Millionen Menschen als Naherholungsregion und liefert das Trinkwasser für den Ballungsraum Ruhrgebiet. Der erfolgreiche Gewässerschutz der letzten Jahrzehnte hat die Qualität des Ruhrwassers deutlich verbessert. Dank mehrfacher Barrieren in den Wasserwerken gegen Krankheitserreger und chemische Stoffspuren ist Trinkwasser aus der Ruhr einwandfrei und sicher.
Baden in der Ruhr ist damit aber noch lange nicht hygienisch unbedenklich.Krankheitserreger gelangen aus verschiedenen Quellen in die Ruhr – Kot von Wasservögeln, Gülleabschwemmung von Feldern, Kläranlagen-Abläufe und Regenüberläufe – und deshalb ist das Baden entlang der Ruhr fast durchgängig verboten, wie auch an allen größeren Flüssen in Deutschland und Europa. Bei schönem Sommerwetter aber kümmert dies viele „Badegäste“ nicht. Und so stellt sich jeden Sommer die Frage, ob dank des intensiven Gewässerschutzes nicht auch die hygienischen Bedenken überholt sind.
Die Mikrobiologen beim Ruhrverband haben hierzu interessante Messergebnisse. „Bei stabilem Sommerwetter und mittlerem Abfluss unterschreiten wir an bestimmten Stellen in der Ruhr schon heute die Grenzwerte der Badewasser-Richtlinie – allerdings nur bis zum nächsten Gewitter oder bis zum nächsten Hochwasser“, so Prof. Klopp vom Ruhrverband. Bei Gewitter oder Hochwasser werden Krankheitserreger aber direkt vom Acker, über Bäche, aus überlaufenden Regenbecken in die Ruhr geschwemmt oder von der Gewässersohle aufgewirbelt. Der Professor für Mikrobiologie am IWW Zentrum Wasser in Mülheim, Hans-Curt Flemming ergänzt: „Neben Bakterien müssen wir Viren und protozoische Parasiten genauso sorgfältig beachten. Dazu gibt es kaum systematische Messungen an der Ruhr, schon gar nicht bei wechselnden Witterungsbedingungen.“
Ein wichtiges Thema für den Freizeitwert des Ruhrgebiets und viele Fragen: gute Voraussetzung für die erfolgreiche Bewerbung eines Konsortiums von Ruhrverband, IWW und Universitätsinstituten aus Bochum, Bonn, Duisburg-Essen und Aachen in einer Forschungsausschreibung des Bundesforschungsministeriums (BMBF) zum „Risikomanagement von neuen Schadstoffen und Krankheitserregern“. Mit dem regionalen Wasserversorger RWW als weiteren Projektpartner wird begleitend das Mülheimer Aufbereitungsverfahren mikrobiologisch-hygienisch bewertet. In dem dreijährigen Verbundvorhaben mit 3,1 Millionen Euro Fördermitteln arbeiten die Forscher im Austausch mit der Stadt Essen und dem Umweltministerium in Nordrhein-Westfalen an der Möglichkeit zu einem umfassenden Risikomanagement der Badenutzung der Ruhr. „Die Untersuchungen sind ergebnisoffen“ dämpft Markus Rüdel, Pressesprecher des Ruhrverbands die Erwartungen. „Was wir mit diesem Projekt aber wissen wollen ist, welche technischen und organisatorischen Maßnahmen möglich sind, was mit diesen Maßnahmen erreicht werden kann und was diese kosten. Auch wollen wir in enger Abstimmung mit der Stadt Essen herausfinden, ob die Bürgerinnen und Bürger eine denkbare Badenutzung überhaupt wollen, und was sie bereit sind, dafür auszugeben.“
Die richtige Risikoinformation für den Bürger ist ebenfalls Forschungsaufgabe, begleitet vom Institut für Technikfolgenabschätzung in Karlsruhe und Prof. Jo Reichertz, Kommunikationswissenschaftler der Universität Duisburg-Essen: „Der Bürger soll selbst entscheiden können, ob er das Risiko einer möglichen Erkrankung beim Baden auf sich nimmt.“ Denn frei von jeglichem hygienischen Risiko wird das Ruhrwasser nie sein können, da sind sich die Fachleute beim Ruhrverband und im Gesundheitsamt der Stadt Essen schon heute sicher. Wenn schon nicht bedenkenlos zu empfehlen, aber vielleicht könnte in einigen Jahren zumindest das Badeverbot an der Ruhr unter bestimmten Bedingungen gelockert werden.