Ethikrat legt Stellungnahme zu Mensch-Tier-Mischwesen in der Forschung vor

Der Deutsche Ethikrat hat heute seine Stellungnahme
zur Bewertung der Herstellung von Mischwesen zwischen Mensch und Tier
in der biomedizinischen Forschung veröffentlicht. Er legt
Empfehlungen zum Umgang mit Zybriden, Hirnchimären und transgenen
Tieren vor.

Die Schaffung von Mäusen als „Modellorganismen“ zur Erforschung
menschlicher Krankheiten durch Einfügung krankheitsspezifischer
humaner Gene in das Mausgenom ist bereits seit den 1980er-Jahren
breit etabliert. Mittlerweile arbeiten die Forscher daran, nicht nur
Gene, sondern ganze Chromosomen zu übertragen. Darüber hinaus werden
u. a. aus menschlichen Stammzellen gewonnene Nerven-Vorläuferzellen
in das Gehirn von Versuchstieren, auch Primaten, übertragen, um
Krankheiten wie Alzheimer-Demenz und Morbus Parkinson zu erforschen
und später vielleicht behandeln zu können. Durch solche Experimente
wird die biologische Artgrenze zwischen Mensch und Tier immer mehr
infrage gestellt. Der Ethikrat sieht daher Klärungsbedarf, welche
ethischen Herausforderungen mit der Herstellung von
Mensch-Tier-Mischwesen verbunden und wo gegebenenfalls verbindliche
Grenzen zu ziehen sind. Der Ethikrat hat dabei den Fokus auf die
Übertragung menschlichen Materials auf Tiere gelegt und dies an drei
Beispielen untersucht: an zytoplasmatischen Hybriden (Zybriden), wie
sie bei der Einfügung des Kerns einer menschlichen Zelle in eine
entkernte tierische Eizelle entstehen, an transgenen Tieren mit
menschlichem Erbmaterial und am Beispiel der Übertragung menschlicher
Zellen in das Gehirn fetaler oder adulter Tiere (Hirnchimären). Zu
diesen Beispielen legt der Ethikrat Empfehlungen vor, von denen die
wichtigsten hier vorgestellt werden.

Der Ethikrat bekräftigt die im Embryonenschutzgesetz (§ 7 ESchG)
festgelegten Verbote, menschliche Embryonen auf ein Tier zu
übertragen oder Interspezies-Chimären und -Hybride unter Verwendung
menschlicher Embryonen oder menschlicher und tierischer Gameten zu
erzeugen. Diese Grenzziehungen sollten erweitert werden um das Verbot
der Übertragung tierischer Embryonen auf den Menschen, das Verbot der
Einbringung tierischen Materials in den Erbgang des Menschen und das
Verbot von Verfahren, die zur Bildung menschlicher Ei- oder
Samenzellen im Tier führen können.

Der Ethikrat vertritt einmütig die Auffassung, dass keine
Einpflanzung von Mensch-Tier-Zybriden in eine menschliche oder
tierische Gebärmutter vorgenommen werden darf. Das
Embryonenschutzgesetz sollte durch ein entsprechendes explizites
Verbot ergänzt werden.

Ein geteiltes Votum geben die Ratsmitglieder jedoch zur Frage der
Herstellung von Zybriden ab. Ein Teil der Mitglieder des Ethikrates
vertritt die Auffassung, dass die Herstellung und Nutzung von
Zybriden ethisch zulässig ist. Sie verweisen einerseits darauf, dass
das Ergebnis ein Artefakt darstellt, das weder als Mensch noch als
Tier einzuordnen, keinesfalls aber als menschlicher Embryo zu
betrachten ist. Andererseits wird darauf verwiesen, dass auch
menschliche Embryonen unter bestimmten Voraussetzungen zu
Forschungszwecken verwendet, nach der Auffassung mancher sogar dafür
hergestellt werden dürfen.

Diejenigen Mitglieder des Ethikrates, nach deren Auffassung die
Herstellung und Nutzung von Zybriden ethisch unzulässig ist, weil
diese alle Eigenschaften einer menschlichen befruchteten Eizelle
aufweisen, fordern die Aufnahme eines gesetzlichen Verbots in das
Embryonenschutzgesetz.

Zu transgenen Tieren und Hirnchimären gliedert der Ethikrat seine
Empfehlungen danach, ob sie sich auf Primaten, auf Menschaffen oder
auf andere Säugetiere beziehen.

Die in der Forschung häufig angewandte Verbringung von
menschlichen Genen in den Erbgang von Säugetieren (ausgenommen
Primaten) hält der Ethikrat für ethisch statthaft, wenn die
Hochrangigkeit des Forschungsziels im Hinblick auf ihren zu
erwartenden Nutzen für den Menschen gegeben ist und die generell an
den Tierschutz zu stellenden ethischen Anforderungen erfüllt sind.

Demgegenüber sollte die Einfügung menschlichen Erbmaterials in den
Erbgang von Primaten wegen unseres vorläufigen und begrenzten Wissens
über mögliche Auswirkungen auf Aussehen, Verhalten und Befähigungen
nur nach einem interdisziplinären Begutachtungsverfahren unter
Einbeziehung des von der Europäischen Tierversuchsrichtlinie
geforderten Nationalen Ausschusses möglich sein. Entsprechende
Versuche sollten nur durchgeführt werden, wenn sie alternativlos und
im Hinblick auf ihren zu erwartenden medizinischen Nutzen hochrangig
sind.

Die Schaffung von transgenen Mensch-Tier-Mischwesen mit
Menschenaffen ist zu untersagen.

Die Generierung von Hirnchimären durch die Übertragung von
menschlichen Zellen auf Säugetiere ist, soweit nicht Primaten
betroffen sind, nach Auffassung des Ethikrates ethisch statthaft,
wenn erstens die Hochrangigkeit des Forschungsziels gegeben ist,
insbesondere im Hinblick auf ihren zu erwartenden medizinischen
Nutzen für den Menschen, wenn zweitens die generell an den Tierschutz
zu stellenden ethischen Anforderungen erfüllt sind und drittens die
Chimärisierung nicht vor der Ausbildung der Organanlagen stattfindet.
Um eine dem Tier angemessene Haltung sicherzustellen, ist eine
begleitende Kontrolle des Ausmaßes der Integration der Zellen und des
Verhaltens der Tiere nach der Geburt sinnvoll.

Angesichts der möglichen Eingriffstiefe der Implantation
hirnspezifischer menschlicher Zellen in das Gehirn von Primaten und
der zentralen Bedeutung von Hirn und Nervensystem für die
artspezifischen Befähigungen sowie angesichts unseres vorläufigen und
begrenzten Wissens über mögliche Auswirkungen auf Physiognomie und
kognitive Fähigkeiten sollte die Einfügung hirnspezifischer
menschlicher Zellen in das Gehirn von Primaten nur nach einem
interdisziplinären Begutachtungsverfahren unter Einbeziehung des
Nationalen Ausschusses möglich sein.

Die Einfügung hirnspezifischer menschlicher Zellen in das Gehirn
von Menschenaffen ist zu untersagen.

In einem Sondervotum legt das Ratsmitglied Regine Kollek dar,
weshalb sie sich der Stellungnahme in der vorliegenden Fassung nicht
anschließt. Sie erklärt darin auch, dass sie die Herstellung von
Mensch-Tier-Zybriden für ethisch vertretbar hält, weil es gute Gründe
für die Annahme gibt, dass es sich bei solchen Entitäten nicht um
entwicklungsfähige menschliche Embryonen handelt.

Die Stellungnahme ist unter http://ots.de/yBwni abrufbar.

Pressekontakt:
Ulrike Florian
Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Deutscher Ethikrat
Jägerstraße 22/23
D-10117 Berlin

Tel: +49 (0)30/203 70-246
Fax: +49 (0)30/203 70-252
E-Mail: florian@ethikrat.org
URL: http://www.ethikrat.org

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