Vier deutsche Erfinder dürfen sich Hoffnungen auf den Europäischen
Erfinderpreis 2017 machen: in der Kategorie „Forschung“ sind Günter
W. Hein, Laurent Lestarquit (Frankreich), José Ángel Ávila Rodríguez
(Spanien) und ein europäisches Team für die Signalentwicklung bei
Galileo nominiert. Mit der Erfindung eines neuartigen Signals haben
Hein und das Team das Herzstück des globalen
Satellitennavigationssystems Europas (GNSS) konzipiert.
Für die Erfindung seiner „Zauberwatte“ gegen Öl-Katastrophen ist
Günter Hufschmid als Finalist in der Kategorie „Kleine und
mittelständische Unternehmen (KMU)“ nominiert. Das neue Bindemittel
für Öl und Chemikalien kam bereits beim Elbe-Hochwasser 2013 und bei
einem Ölreinigungsprojekt im Nigerdelta erfolgreich zum Einsatz.
Für die Entwicklung des bedeutenden diagnostischen
Bildgebungsverfahrens in der Augenheilkunde – der Optischen
Kohärenztomografie (OCT) – ist Robert Huber gemeinsam mit
US-amerikanischen Elektroingenieuren in der Kategorie
„Nicht-EPO-Staaten“ als Finalist nominiert.
Darüber hinaus ist Axel Ullrich für sein Lebenswerk für den
Europäischen Erfinderpreis 2017 nominiert: Der Molekularbiologe und
Krebsforscher sowie langjährige Direktor der Abteilung für
Molekularbiologie am Max-Planck-Institut für Biochemie ist ein
Pionier in der Erforschung der Signalübertragung in Zellen und hat
sein Leben der Therapie von Krankheiten wie Krebs oder Diabetes
gewidmet.
Zudem ist in der Kategorie „Industrie“ mit Oliver Hayden und Jan
van den Boogaart ein österreichisch-niederländisches Erfinderteam mit
deutschem Bezug nominiert. Das Duo hat bei Siemens Healthineers in
Erlangen einen computergestützten Blutschnelltest für Malaria
entwickelt, der die Infektion schneller und zuverlässiger als
herkömmliche Verfahren erkennt.
„Die diesjährigen Finalisten zeigen, dass Europa weiterhin zu den
weltweiten Spitzenregionen bei Innovation gehört. Die herausragenden,
nominierten Erfinder machen es uns möglich, Männer und Frauen zu
würdigen, die mit ihrer genialen Arbeit zur Wettbewerbskraft der
europäischen Wirtschaft beitragen und unser tägliches Leben
verbessern“, sagt EPA-Präsident Benoît Battistelli. „Das europäische
Patentsystem ist ein wichtiger Pfeiler für die Sicherung von Europas
Position als globaler Marktplatz für Innovationen.“
Smarte Signale für eine präzise Satellitennavigation
Mit der Signaltechnik von Galileo haben Günter W. Hein, Laurent
Lestarquit, José Ángel Ávila Rodríguez und das europäische Team aus
Wissenschaftlern und Ingenieuren das Herzstück des globalen
Satellitennavigationssystems (GNSS) aus Europa entwickelt. Dank der
Arbeit der Forschergruppe bietet Galileo eine äußerst genaue
Positionsbestimmung im Zentimeterbereich, welche die Grundlage für
vielfältige Anwendungen und Dienste schafft. Darüber hinaus
gewährleistet ihre intelligente, patentierte Signaltechnologie die
Kompatibilität von Galileo mit dem US-amerikanischen GPS und dem
russischen GLONASS, und unterstützt eine Fülle von Funktionen, womit
Galileo bei vollständiger Einsatzfähigkeit im Jahr 2020 das am
höchsten entwickelte globale Satellitennavigationssystem sein wird.
Wenn es um Navigation geht, zählt Günter W. Hein zu den weltweit
gefragtesten Experten. 1983 übernahm er als damals jüngster Professor
an der Universität der Bundeswehr München das Institut für Erdmessung
und Navigation. In München begründete Hein auch die international
führende Navigationskonferenz „Munich Satellite Navigation Summit“.
2008 wurde Hein von der Bundesregierung nominiert, als Head of
Galileo Operations and Evolution eine Spitzenposition bei der ESA
(European Space Agency) zu übernehmen. Seitdem gilt er auch als der
deutsche „Head of Galileo“. Hein blickt auf mehr als 200
Forschungsprojekte in der Satellitennavigation zurück und hat über
300 wissenschaftliche und technische Publikationen verfasst. Ende
2015 wurde ihm der Status eines exzellenten Emeritus verliehen, womit
er erst der dritte Wissenschaftler an der Universität der Bundeswehr
München ist, der diesen Ehrentitel erhält.
Mit „Zauberwatte“ gegen Öl-Katastrophen
Eine Erfindung aus der Gemeinde Elsteraue in Sachsen-Anhalt könnte
helfen, Ölverschmutzungen wirksam zu bekämpfen. Dort entwickelte
Günter Hufschmid mit seiner Firma Deurex 2010 eine „Zauberwatte“, die
Öl rückstandslos aufnimmt, und zwar effizienter, sauberer und
leichter in der Handhabung als bisherige Bindemittel. Mit diesen
Eigenschaften birgt sie auch das Potenzial für einen großflächigen
Einsatz auf den Meeren. Beim Hochwasser der Elbe 2013 hat sie ihre
Tauglichkeit bereits bewiesen und Wasser von Verschmutzungen mit
Heizöl befreit. Auch die Umweltorganisation One Earth – One Ocean
arbeitet erfolgreich mit dem Produkt.
Nach seinem Chemie-Studium an der Technischen Universität München
war Günter Hufschmid lange bei BASF tätig. Im Zuge der Investitionen
und Förderungen für den Aufbau der ostdeutschen Wirtschaft
verwirklichte der vierfache Vater in Sachsen-Anhalt seinen Traum vom
eigenen Unternehmen. So kam der gebürtige Münchener 1992 nach
Elsteraue und baute dort die Deurex Group auf. 20 Menschen sind heute
in die Produktion der innovativen Wachswatte eingebunden. Zudem wurde
eine neue Anlage gebaut, die pro Jahr bis zu 700 Tonnen des
vielversprechenden Materials herstellen kann.
Mit Lichtwellen Krankheiten diagnostizieren
Technologien wie Ultraschall, Computer- oder
Magnetresonanztomografie gewähren in der Medizin gezielte Einblicke
in den menschlichen Körper. Sie erleichtern die Diagnose, sind jedoch
nicht frei von Komplikationen: Die Strahlenbelastung oder
Kontrastmittel, die eingespritzt werden müssen, können körperliche
Reaktionen beim Patienten hervorrufen. Hinzu kommt, dass die
Auflösung der Bilder nicht immer ausreicht. Dann sind Gewebeentnahmen
zur gezielteren Untersuchung nötig. Der deutscher Physiker Robert
Huber und die US-amerikanische Elektroingenieure James G. Fujimoto
und Eric Swanson haben ein bedeutendes diagnostisches
Bildgebungsverfahren entwickelt, das besonders in der Augenheilkunde
zum Einsatz kommt. Mit der Optischen Kohärenztomografie (OCT) können
Ärzte menschliches Gewebe in hochauflösenden, dreidimensionalen
Strukturen abbilden und somit unmittelbar und in Echtzeit im Körper
untersuchen. Das schonende Verfahren basiert auf Lichttechnologie und
kommt ohne Strahlen oder den Einsatz von Kontrastmitteln aus.
Robert Huber ist derzeit Professor am Institut für Biomedizinische
Optik an der Universität Lübeck. Er ist Inhaber von 13 Patenten und
wurde unter anderem mit dem Klung-Wilhelmy-Weberbank-Preis (2013)
ausgezeichnet.
Deutscher Molekularbiologe und Krebsforscher schreibt mit seinem
Lebenswerk Medizingeschichte
Das wissenschaftliche Verständnis der genetischen und zellulären
Ursachen von Krebs und weiteren Krankheiten beruht zum Großteil auf
den bahnbrechenden Arbeiten des deutschen Molekularbiologen Axel
Ullrich. Ullrich entwickelte wegweisende Labortechniken und eine neue
Generation von Medikamenten, darunter das Brustkrebs-Medikament
Herceptin und das tumorbekämpfende Krebs-Medikament Sunitinib, die
Krebs durch die Störung der zellulären Kommunikationsprozesse bereits
an dessen Wurzel stoppen. Er hat zudem die Genforschung zur
Entwicklung zielgerichteter Therapien vorangetrieben.
Axel Ullrich hat sein Leben dem Kampf gegen Krebs gewidmet und
leistet seit 40 Jahren Pionierarbeit in der Krebsforschung. Mit
global rund 100 und 30 europäischen Patenten hat Ullrich ein Stück
Medizingeschichte geschrieben und mit seinem Lebenswerk Krebskranken
neue Hoffnung gegeben.
Automatisierter Blutschnelltest für sichere Malaria-Diagnose
Dank der schnellen, zuverlässigen und automatisierten Testmethode
für Malaria, die der Niederländer Jan van den Boogaart und der
Österreicher Oliver Hayden bei Siemens Healthineers in Erlangen
entwickelt haben, können sich neue Maßstäbe im Kampf gegen diese
tödliche Krankheit ergeben. Den Erfindern gelang es, spezifische, von
der Krankheit hervorgerufene Veränderungen im Blutbild von
Malaria-Patienten zu identifizieren. Sie fanden 30 Parameter, die in
ihrer Kombination Malaria zuverlässig nachweisen. Diesen
„Fingerabdruck“ der Krankheit übersetzten sie in Algorithmen, die ihn
für einen Standard-Blutscanner lesbar machen. Die Methode – für die
Hayden und van den Boogaart 2015 ein Patent erhielten – kann eine
Malaria-Infektion so mit einer Genauigkeit von 97 Prozent
feststellen.
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