Die zunehmende Komplexität von IT-Systemen macht zwar Unternehmen
weltweit anfälliger für Wirtschaftsbetrug, doch
Informatikwissenschaftler wollen den Tätern mit neusten Methoden
immer schneller auf die Spur kommen. Das zeigte sich bei einer Tagung
von Nutzern des Spitzenforschungslabors am Hasso-Plattner-Institut
(HPI) in Potsdam.
In seinem „HPI Future SOC Lab“ führt das Institut eigene Big
Data-Untersuchungen durch und stellt die Plattform kostenfrei auch
Wissenschaftlern aus Universitäten und Unternehmen in aller Welt
bereit. Ausgestattet ist das Potsdamer Labor mit modernsten
Hochleistungssystemen mit sehr vielen Rechenkernen, hoher
Arbeitsspeicherkapazität und großem Festplattenspeicher-Volumen.
Bislang konnten bereits weit mehr als 200 Projekte von
Wissenschaftlern aus zwölf Ländern erfolgreich durchgeführt werden.
Eine aktuelle Untersuchung mit Hilfe des HPI Future SOC Labs
stellte Wirtschaftsinformatikerin Galina Baader von der TU München
auf der Potsdamer Tagung vor. Sie berichtete, dass in Europa etwa 73
Prozent aller Unternehmen Opfer von Betrug würden. „Kein
Geschäftsbereich ist davon ausgenommen“, sagte Baader. Dennoch gebe
es bislang kaum effiziente Verfahren, um den Betrügern auf die Spur
zu kommen. Üblich sei es beispielsweise, mithilfe des „Data Mining“
einmal im Jahr gezielt nach Auffälligkeiten bei Geschäftsprozessen zu
suchen. Das Problem hierbei sei allerdings, dass die Kapazitäten
fehlen, um jeder einzelnen Abweichung nachzugehen – die Menge an
Daten sei schier zu groß. Laut Baader ist die bislang effektivste
Methode das Whistleblowing, wenn also Mitarbeiter bei einer
speziellen Unternehmens-Hotline anrufen, um Kollegen zu melden.
Die Big Data-Forscherin und ihr Team versuchen hingegen, bereits
Versuche eines Betrugs in Echtzeit zu erkennen. Fokussiert haben sich
die Informatiker dabei auf Einkaufs- und Bezahlungsprozesse. In
mehreren Hacking-Wettbewerben ließen sie Studenten in Teams
gegeneinander angetreten, um unter Einsatz des so genannten „Process
Mining“ in einer geschützten Test-Umgebung einerseits Betrugsversuche
zu starten und gleichzeitig Betrügereien des gegnerischen Teams
aufzudecken.
Beim Process Mining werden elektronische Daten, die beim Ablauf
von Geschäftsprozessen anfallen, analysiert. Das Potenzial für die
Wirtschaft ist groß: Weit mehr als die Hälfte der Betrugsversuche
konnten auf diese Weise ermittelt werden. Da solche Aufgaben viel
Rechenleistung erfordern, griff die TU München auf die besonders
leistungsfähige Infrastruktur des „Future SOC Lab“ am
Hasso-Plattner-Institut zurück. Das Labor erleichtert vor allem
Forschung im Bereich der In-Memory-Technologien und des Cloud
Computing. Zwei Mal jährlich treffen sich am HPI Nutzer aus
Wissenschaft und Wirtschaft, um Projekte zu besprechen, die in den
vergangenen sechs Monaten im HPI-Spitzenforschungslabor durchgeführt
wurden.
Bei der elften Veranstaltung dieser Art zeichneten sich außerdem
neue Entwicklungen im Bereich der personalisierten Medizin ab. So
arbeitet etwa das HPI-Forscherteam um Dr. Matthieu-P. Schapranow
unter anderem am Aufbau einer verteilten Hauptspeicher-basierten
Wissensdatenbank, um Daten aus unterschiedlichen Quellen
medizinischen Experten schneller zugänglich zu machen. Das Besondere
an der Online-Plattform „AnalyzeGenomes.com“ ist: Vertrauliche Daten
verlassen nie die beteiligten Forschungseinrichtungen. „So ist
einerseits der Schutz personenbezogener Daten gewährleistet und
andererseits können beispielsweise Krankenhäuser und
Forschungsinstitute ihre bestehenden Systeme mit unserer
Unterstützung viel effizienter nutzen“, erläuterte Schapranow.
Zukünftig soll so die internationale Zusammenarbeit im medizinischen
Bereich dadurch deutlich beschleunigt werden.
Wissenschaftler der Hochschule Mainz arbeiten unterdessen an einem
System, das Asthma-Patienten durch die Kombination von Umweltdaten
und individuellen Gesundheitsmerkmalen Orientierungshilfen bietet, um
Atemprobleme zu vermeiden. Die Idee ist, dass jeder Patient mit einer
mobilen Sensor-Box ausgestattet wird, die beispielsweise
Informationen über Luftverschmutzung sammelt. Die Signale werden dann
von einer Software verarbeitet, die sie mit dem persönlichen
Asthma-Tagebuch sowie weiteren Datenquellen abgleicht. So lassen sich
sequentielle Muster verschiedener Faktoren ausfindig machen, die den
Gesundheitszustand des Patienten beeinflussen.
Am Rande der Tagung beriet die Steuerungsgruppe des
HPI-Spitzenforschungslabors für die kommende Forschungsperiode über
38 Projektanträge, die aus Ländern wie den USA, China und Schweden
eingereicht wurden. Eines dieser Projekte wird sich mit der
Entwicklung von Komponenten eines Erdsystemmodells beschäftigen –
eine Aufgabe, die vor allem im Kontext des Klimawandels immer
relevanter wird. Der Umweltforscher Dr. Dominikus Heinzeller vom
Karlsruher Institut für Technologie (KIT) erläuterte die derzeitigen
Hindernisse für exakte Vorhersagen von Wetter und Klima so: „Eines
der großen Probleme ist, regionale und globale Modelle miteinander
abzugleichen, die mit unterschiedlichen Detailgraden arbeiten. Dabei
ist es zum Beispiel wichtig, berechnen zu können, welchen Einfluss
etwa der asiatische Monsun und der indische Ozean auf den
afrikanischen Monsun und darüber hinaus auf den Atlantik und die
Entstehung von Hurrikans in Nordamerika haben.“ Um solche
Zusammenhänge zu erkennen, wird ein fließender Übergang zwischen
Mikro- und Makrosicht nötig, der wiederum viel Rechenleistung
erfordert. Am HPI-Spitzenforschungslabor wird dem Wissenschaftler in
den kommenden sechs Monaten kostenfrei ein Teil der leistungsstarken
Hardware zur Verfügung gestellt. Die Ergebnisse werden im April 2016
am HPI präsentiert.
Hinweis für Redaktionen: Die neue Bewerbungsperiode für Projekte
im HPI Future SOC Lab läuft bis zum 16. März 2016. Hier gibt es dazu
weitere Informationen http://hpi.de/future-soc-lab.
Kurzprofil Hasso-Plattner-Institut
Das Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik GmbH
(https://hpi.de) an der Universität Potsdam ist Deutschlands
universitäres Exzellenz-Zentrum für IT-Systems Engineering. Als
einziges Universitäts-Institut in Deutschland bietet es den Bachelor-
und Master-Studiengang „IT-Systems Engineering“ an – ein besonders
praxisnahes und ingenieurwissenschaftliches Informatik-Studium, das
von derzeit 480 Studenten genutzt wird. Die HPI School of Design
Thinking, Europas erste Innovationsschule für Studenten nach dem
Vorbild der Stanforder d.school, bietet jährlich 240 Plätze für ein
Zusatzstudium an. Insgesamt zwölf HPI-Professoren und über 50 weitere
Gastprofessoren, Lehrbeauftragte und Dozenten sind am Institut tätig.
Es betreibt exzellente universitäre Forschung – in seinen zehn
Fachgebieten des IT-Systems Engineering, aber auch in der HPI
Research School für Doktoranden mit ihren Forschungsaußenstellen in
Kapstadt, Haifa und Nanjing. Schwerpunkt der HPI-Lehre und -Forschung
sind die Grundlagen und Anwendungen großer, hoch komplexer und
vernetzter IT-Systeme. Hinzu kommt das Entwickeln und Erforschen
nutzerorientierter Innovationen für alle Lebensbereiche. Das HPI
kommt bei den CHE-Hochschulrankings stets auf Spitzenplätze. Mit
openHPI.de bietet das Institut seit September 2012 ein interaktives
Internet-Bildungsnetzwerk an, das jedem offen steht.
Pressekontakt:
HPI-Pressestelle: presse@hpi.de. HPI-Pressesprecher: Hans-Joachim
Allgaier, M.A. Telefon: +49 (0)331 5509-119