Der Ruf der Verarbeitung großer Datenmengen hat
unter dem Schlagwort „Big Data“ gelitten. Damit sind auch die großen
Datenmengen im Gesundheitswesen erneut ins Rampenlicht gerückt. Wird
die Medizin durch die neuen Möglichkeiten besser und effizienter?
Oder wird der Patient nur gläserner? Solche Fragen zu Big Data, Cloud
Computing und Datensicherheit bieten reichlich Diskussionsstoff und
werden deshalb Thema bei der mit 4.600 Ausstellern weltgrößten
Medizinmesse MEDICA 2013 in Düsseldorf (20. bis 23. November) sein,
insbesondere beim MEDICA HEALTH IT FORUM in Halle 15.
Eines scheint klar: Ohne die Verarbeitung großer Datenmengen sind
viele Fortschritte in der Medizin heutzutage kaum vorstellbar. Dies
ist zum Beispiel dann wichtig, wenn es darum geht,
Behandlungsmöglichkeiten ganz genau auf den einzelnen Patienten
zuzuschneiden. Das versucht die Medizin zwar schon seit langem, aber
der Fortschritt eröffnet immer mehr und immer neue Möglichkeiten.
Ein Beispiel, mit dem sich Professor Stefan Wrobel, Leiter des
Fraunhofer-Instituts für Intelligente Analyse- und
Informationssysteme IAIS, und sein Wissenschaftlerteam beschäftigen
ist die optimale Therapie von Brustkrebs. Hierzu sollen
unterschiedliche Daten zusammengeführt werden, die aus
Forschungsarbeiten bekannt sind, im Einzelfall vorliegen und aus
Erfahrungen bestehen, die Ärzte in ihrer alltäglichen klinischen
Arbeit sammeln. Dies soll unter anderem angewandt werden, um
klinische Studien besser zu steuern. Klar ist nämlich bereits jetzt,
dass es kaum möglich sein wird, das optimale Arzneimittel für die
Behandlung eines einzelnen Menschen jedes Mal neu zu erfinden. „Wir
suchen nach Gruppen mit großen Gemeinsamkeiten“, erläutert Dr.
Dietlind Zühlke, Forscherin am Fraunhofer IAIS. Dazu übernehmen
Computerprogramme die Arbeit, alle möglichen Faktoren auszuwerten und
zu gewichten. „Der Mensch alleine könnte diese Daten gar nicht mehr
zusammenführen“, führt Zühlke aus. Aber wie sieht es beim Datenschutz
aus? Dieser hat bei der Forschungsarbeit höchste Priorität.
Wenn die Patientengruppen zusammengestellt werden, dann werden
Informationen, die Rückschlüsse auf die einzelne Person ermöglichen
könnten, zunächst kaum benötigt. Ausnahmen bilden das Alter und
bestimmte Tumoreigenschaften, die ohne besondere Vorkehrungen eine
nachträgliche Identifizierung des Patienten unter Umständen zulassen
könnten. Möglich wäre dies allerdings nur dem behandelnden Arzt – und
dem liegen die Daten ohnehin bereits vor. Im Fraunhofer-Ansatz werden
Altersdaten und ähnliches zudem vor der eigentlichen Auswertung im
Rahmen einer Daten-Vorverarbeitung so umgruppiert, dass ein
Rückschluss auf einzelne Teilnehmer der Studie unmöglich gemacht
wird. „Dieses so genannte Privacy-preserving Data Mining ist bei uns
ein sehr aktives Forschungsfeld“, schildert Zühlke. So betont sie,
dass das Fraunhofer IAIS auch in der Erkennung von Kreditkartenbetrug
unter Wahrung der Privatsphäre weltweit führend sei: „Wir haben
Algorithmen, die es unmöglich machen, auf die Identität desjenigen,
der eine Transaktion macht, zurückzuschließen.“ Manchmal kann ein
hoher Aufwand notwendig sein, um Daten auch in der Forschung sicher
und dennoch sinnvoll verwertbar zu machen – aber es lohnt sich.
Die Gesundheits-„Wolke“ ist im Kommen
Das Cloud Computing hat dabei die Grenzen der Forschung schon
längst überschritten. Mittlerweile setzen auch der
Suchmaschinengigant Google und der iTunes-Betreiber Apple zunehmend
auf die Gesundheitswirtschaft. Sie haben ein gemeinsames Unternehmen
„Calico“ gegründet, dessen Vision es ist, das Altern von Menschen und
vor allen Dingen die damit verbundenen Krankheiten zu bremsen. IBM
hat in Amerika gerade ein Big-Data-Zentrum eröffnet, um Unternehmen
bei der Analyse enormer Datenmengen zu unterstützen und deren
Forschung und Produktentwicklung zu beschleunigen. Als Arbeitsfeld
erwähnt wird hier auch die Medizin. Und Qualcomm Life (Halle 15,
Stand E04) hat angekündigt, das Engagement im mHealth-Bereich in
wichtigen Märkten in Europa, darunter Deutschland, Großbritannien und
Skandinavien, weiter auszubauen. Einen Mittelpunkt soll das
cloudbasierte System der „2netTM“-Plattform bilden. Dies soll die
Behandlung chronischer Erkrankungen effizient unterstützen. Auch
deutsche Firmen arbeiten an Gesundheits-Wolken. Die Deutsche Telekom
(Halle 15, Stand E32) verkauft Anwendungen für Nutzer ihrer „Consumer
Health Cloud“. Jüngstes Beispiel ist ein Tablet-PC, der speziell
alten Menschen ein selbstständiges Leben ermöglichen soll.
Besonders hohe Anforderungen an die Datensicherheit müssen
jedenfalls dort gestellt werden, wo die Verwendung zur Pflicht für
alle gesetzlich Krankenversicherten wird – wie dies im nächsten Jahr
für den Versichertenstammdatenabgleich der elektronischen
Gesundheitskarte (eGK) und das damit eng zusammenhängende deutsche
Großprojekt der sicheren Telematik-Infrastruktur gilt.
Elektronische Gesundheitskarte ist alles andere als „Big Data“
Mit Big Data hat die eGK jedenfalls nichts zu tun. Das betont
Professor Arno Elmer, Hauptgeschäftsführer der gematik – Gesellschaft
für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH, im Gespräch. Das
Konzept, große Mengen an Daten zu sammeln und verarbeiten zu lassen,
widerspreche dem Grundansatz der eGK, „wo wir bewusst auf dezentrale
Datenspeicherung setzen. Die Daten bleiben dort, wo sie bereits heute
sind, nämlich beim Arzt.“ Die eGK sei nur der Schlüssel zur
Telematikinfrastruktur in der Hand des Versicherten. Die
Telematikinfrastruktur sei lediglich ein Übertragungskanal. Die
laufende Diskussion um die Datensicherheit habe sowohl geholfen als
auch geschadet. Geholfen habe sie, weil die eGK den Datenschutz
erhöhe: „Wir setzen auf ein sichereres System als alles, was sie
heute im Gesundheitssystem finden.“ Für Leistungserbringer wie die
Ärzte und Krankenhäuser würde die Informationsübermittlung z. B.
durch die Vermeidung von Medienbrüchen dabei auch noch schneller.
Lediglich falsche Vorwürfe von eGK-Gegnern hätten einen Schatten auf
das Projekt geworfen. Die eGK soll zudem künftig den Abgleich der
Versichertenstammdaten wie den Versichertenstatus oder auch die
Adressdaten mit den Krankenkassen ermöglichen. Für den Arzt solle
dies laut Elmer aber nicht mit einem zusätzlichen Aufwand verbunden
sein.
Die eGK soll „sexy“ werden – Interoperabilität wird wichtig
Weniger der Datenabgleich mit den Kassen, vielmehr Anwendungen wie
die sichere adressierte Kommunikation zwischen den Heilberuflern, der
Notfalldatensatz auf der Karte und das Datenmanagement für
Arzneimitteltherapiesicherheit sollen die eGK nun „sexy“ machen. Nach
der erfolgreichen Erprobung, die voraussichtlich 2014 an den Start
gehen soll, könnte jedenfalls die schnelle und sichere,
verschlüsselte Kommunikation über die Telematikinfrastruktur Realität
werden. Elmer hat dabei keine Befürchtungen, dass sein Projekt
veraltet ist, bevor es umgesetzt wird. Es kämen zwar tausende
Gesundheits-Apps auf den Markt und verschwänden auch wieder, aber
spätestens, wenn der Patient zum Arzt komme, seien seine Programme
kaum kompatibel mit jenen der Arztsoftware.
Genau dies ist ein weiteres Thema, das unter dem Stichwort
Interoperabilität nach Ansicht von Dr. Pablo Mentzinis vom
Branchenverband BIKOM zu den weiteren, spannenden Themen bei der
MEDICA 2013 zählen werde. Die zentrale Frage laute: Wie kann der
sinnvolle Austausch von Daten im Gesundheitswesen ermöglicht werden?
Antworten werden die MEDICA 2013 und das MEDICA HEALTH IT FORUM
geben.
Informationen zum Programm des MEDICA HEALTH IT FORUM online:
http://www.medica-health-it-forum.de
Weitere Hintergrundartikel zur Trendthemen und aktuelle Meldungen
der MEDICA 2013 online: http://www.medica.de/presseservice
TERMIN! Am 14.11., 10 Uhr findet im Presse Center/ Messe Center
das Tages- und Wirtschaftspressegespräch zur MEDICA 2013 statt. Alle
Medienvertreter sind dazu herzlich eingeladen.
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