Ohne Sauerstoff „nichts los“ – Meeresbiologen gehen Todeszonen auf den Grund

Ein Team von ForscherInnen hat es geschafft, das Verhalten der Organismen bei
sinkendem Sauerstoffgehalt aufzuzeichnen. Dafür wurden mit einem eigen-entwickelten
Unterwassergerät Todeszonen am Grund der Adria nachgestellt. So wird nun im August
mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF ein Katalog der Verhaltensmuster von
Tieren veröffentlicht, anhand dessen der Wasserzustand klassifiziert werden kann.

Unsere Meere sind bedroht – das ist kein Geheimnis. Weitgehend unbekannt ist jedoch,
dass gefährliche Sauerstoffarmut in unseren Ozeanen immer öfter für Massensterben am
Meeresgrund sorgt. Tatsächlich bilden sich in letzter Zeit gehäuft sogenannte
„Todeszonen“, also Zonen, in denen zu wenig Sauerstoff im Wasser vorhanden ist. Ihr
Entstehen ist unter anderem auf verschmutzte Flüsse und globale Erwärmung
zurückzuführen. Weltweit gibt es bereits 400 Todeszonen und ihre Fläche beträgt
insgesamt mehr als 250.000 Quadratkilometer – so groß wie Deutschland. Was sich im
Detail in einer solchen Zone abspielt, war bislang nahezu unerforscht. Forscher aus Wien
haben es nun erstmals geschafft, Sauerstoffkrisen im Meer kleinsträumig nachzustellen.
Mit Hilfe ihres Projektes können diese frühzeitig erkannt werden und damit kann ein
entscheidender Beitrag zu deren Verhinderung geleistet werden. Den Schlüssel dafür
liefern die bedrohten Tiere selbst – durch ihr Verhalten.

VERHALTEN ALS MESSLATTE
Wenn sich der Sauerstoffgehalt des Wassers verändert, ändern auch Meeresbewohner ihr
Verhalten. Darauf baut das Projekt eines Forschungsteams an der Universität Wien auf,
wie Dr. Michael Stachowitsch vom Department für Meeresbiologie erklärt: „Wir erforschen,
was sich im Detail am Meeresgrund der Adria abspielt, wenn der Sauerstoff zur Neige geht
und zwar davor, währenddessen und danach. Dabei beobachten wir, wie die Tierarten auf
den Sauerstoffmangel genau reagieren. Manche beispielsweise versuchen zu fliehen und
drängen nach oben in höhere Wasserschichten. Andere wiederum vermindern ihre Aktivität
oder legen komplett unnatürliches Verhalten an den Tag. Das Ziel unseres Projektes war
es, einen detaillierten Katalog zu erstellen, der genau diese Verhaltensweisen beschreibt
und einem bestimmten Sauerstoffgehalt im Wasser zuordnet.“ Somit erlaubt der
Verhaltenskatalog ohne kosten- und zeitintensives Messen Rückschlüsse auf den Zustand
des Wassers. Der Katalog wird von Dr. Stachowitsch gemeinsam mit Dr. Bettina Riedel und
Prof. Martin Zuschin erarbeitet und erste Teilaspekte werden im August veröffentlicht.

Die Wiener Forscher folgen für ihr Projekt der Tradition der in der Fachwelt sehr
angesehenen „Wiener Schule der Meeresbiologie“. Das bedeutet mitunter auch, dass
nicht – wie vielfach üblich – rein am Computer oder in einem Labor geforscht wird, sondern
„in situ“, also am Ort des Geschehens. Dieser ist für das aktuelle Projekt der adriatische
Meeresgrund in 24 Metern Tiefe, zwei Kilometer vor Piran, Slowenien. Um nicht darauf
warten zu müssen, bis sich dort Sauerstoffarmut breit macht, konstruiert das
Forschungsteam seine eigene kleine Todeszone. Dafür musste erst ein Unterwassergerät
entworfen und gebaut werden.

SAUERSTOFFKRISE UNTER PLEXIGLAS
EAGU (Experimental Anoxia Generating Unit) ist eine eigen-entwickelte Plexiglaskammer
mit Hightech-Ausrüstung, welche wichtige Daten liefert, wie Dr. Riedel erklärt: „Wir bringen
den 50 x 50 x 50 Zentimeter großen Würfel zuerst in geöffnetem Zustand in Position. 24
Stunden lang beobachten wir das Leben im normal-sauerstoffhaltigen Wasser. Dann wird
der Kubus verschlossen. Innerhalb von wenigen Tagen ist sämtlicher Sauerstoff im EAGU
aufgebraucht. In Relation zum sinkenden Sauerstoffgehalt ändert sich nun auch das
Verhalten, der eingeschlossenen Muscheln, Schwämme, Schnecken, Anemonen und
Seescheiden. Eine Zeitrafferkamera liefert Bilder im Minutentakt, Sensoren messen den
Gehalt an Sauerstoff und Schwefelwasserstoff im Wasser, den pH-Wert und die
Temperatur.“ So konnte das bildlich festgehaltene Verhalten der Tiere den einzelnen
Sauerstoff-Kategorien zugeordnet werden.

Der so mit Unterstützung des FWF entstandene Verhaltenskatalog stellt einen Leitfaden
zur Früherkennung von Todeszonen dar. Er könnte so auch einen Beitrag leisten, damit im
Ernstfall von der Politik sofort die nötigen Maßnahmen ergriffen werden können – zum
Beispiel Einstellung der Fischereiaktivitäten im betroffenen Gebiet, um dem Ökosystem
dadurch die Chance zur Regenerierung zu geben.

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