Sperrfrist: 18.10.2017 20:00
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   Ein internationales Forscherteam aus den Niederlanden, 
Großbritannien und Deutschland hat die dramatischen Befunde zum 
Insektenrückgang in Nordwestdeutschland in einer jetzt in der 
internationalen Online-Fachzeitschrift PLOS ONE veröffentlichten 
Studie bestätigt. Die Forscher stellten damit die Beobachtungen des 
Entomologischen Vereins Krefeld auf eine wissenschaftlich 
abgesicherte Basis. So ist mit den Biomasseverlusten bei Fluginsekten
von 76 bis 81 Prozent seit den 1990er Jahren ein klarer Negativ-Trend
erkennbar. Insgesamt wurden in einem Zeitraum von 27 Jahren 63 
Standorte in Schutzgebieten unterschiedlichster Lebensräume des 
Offenlandes überwiegend in Nordwestdeutschland untersucht, wobei der 
Rückgang überwiegend im Flachland festgestellt wurde.
   „Wir haben es mit einer höchst dramatischen und bedrohlichen 
Entwicklung zu tun. Allein die Tatsache, dass es sich bei allen 
Untersuchungsflächen um verinselte Standorte innerhalb von 
Schutzgebieten handelt, in deren Umfeld zu mehr als 90 Prozent 
konventionelle Agrarnutzung stattfindet, legt einen negativen 
Einfluss durch die Landwirtschaft nahe“, sagt NABU-Präsident Olaf 
Tschimpke. Die neue Bundesregierung müsse sich umgehend auf EU-Ebene 
für einen Kurswechsel in der Agrarpolitik einsetzen sowie einen 
Schwerpunkt auf Erforschung und Schutz der biologischen Vielfalt 
legen. Der NABU fordert ein Deutsches Zentrum für 
Biodiversitäts-Monitoring in Trägerschaft von Wissenseinrichtungen 
sowie den zügigen Aufbau eines bundesweiten Insekten-Monitorings. Als
Vorbild für ein bundesweites Insekten-Monitoring könnte  NRW dienen, 
wo 2017 die Beprobung von 100 Standorten angelaufen ist.
   Der Landesvorsitzende des NABU NRW, Josef Tumbrinck, begleitet die
Arbeiten des Entomologischen Vereins Krefeld seit Jahren. Seiner 
Einschätzung nach finden in ganz Deutschland und wahrscheinlich auch 
in anderen europäischen Ländern ähnliche Entwicklungen statt: „Früher
mussten wir Autoscheiben nach ein oder zwei Stunden Fahrt wieder von 
Insekten säubern und  an Straßenlaternen flogen massenhaft Insekten. 
Heute ist das meist nicht der Fall. Diese Beobachtungen wurden mir 
vielfach aus allen Regionen des Landes mitgeteilt.“ 
Langzeit-Untersuchungen aus anderen Staaten liefern Hinweise darauf, 
dass es sich nicht nur um ein deutsches Phänomen handelt. Auch von 
der EU offiziell bestätigte Bestandsrückgänge von Vögeln, die auf 
Insekten als Nahrungsgrundlage angewiesen sind, dürften 
höchstwahrscheinlich zu einem wesentlichen Teil auf den 
Insektenschwund zurückzuführen sein.
   Professor Dave Goulson von der Sussex University und Co-Autor der 
Studie, ist zutiefst beunruhigt über diese Entwicklungen: „Insekten 
machen etwa zwei Drittel allen Lebens auf der Erde aus. Wie es 
scheint, machen wir große Landstriche unbewohnbar für die meisten 
Formen des Lebens, und befinden uns gegenwärtig auf dem Kurs zu einem
ökologischen Armageddon. Bei dem derzeit eingeschlagenen Weg werden 
unsere Enkel eine hochgradig verarmte Welt erben.“
   Die aktuelle Veröffentlichung arbeitet heraus, dass die zusätzlich
in die statistische Auswertung eingeflossenen Daten zu Veränderungen 
des Klimas und von Biotopmerkmalen den überwiegenden Teil der 
Insektenverluste nicht erklären. Hingewiesen wird jedoch auch darauf,
dass mangels verfügbarer Daten die potenziellen Einflussfaktoren, so 
zum Beispiel zur Pestizidbelastung aus direkt umliegender 
Agrarnutzung nicht berücksichtigt werden konnten, weil die Datenlage 
nicht transparent ist.
   In der Regel ist die intensive landwirtschaftliche Nutzung im 
Rahmen der so genannten guten fachlichen Praxis am Rande von 
Naturschutzgebieten ohne Einschränkung erlaubt. Viele mit Pestiziden 
behandelte Flächen befinden sich sogar inmitten von  
Naturschutzgebieten. „Bis heute muss den Naturschutzbehörden nicht 
mitgeteilt werden, welche Pestizide in welcher Mischung und Menge auf
Ackerflächen innerhalb vieler Schutzgebiete ausgebracht werden“, 
kritisiert Tumbrinck. Ein Verbot müsste in der jeweiligen 
Schutzgebietsverordnung eines Gebietes ausgesprochen werden. Das wird
aber nur in wenigen Fällen gemacht. Es fehlt also offensichtlich ein 
ausreichendes Risikomanagement, obwohl dieses nach der aus dem Jahr 
2009 stammenden EU-Richtlinie für die „nachhaltige Verwendung von 
Pestiziden“ zur Abwehr negativer Einflüsse auf Schutzgebiete 
vorgeschrieben ist.
   Damit nimmt der Druck auf die Insektenwelt weiter zu. Insbesondere
die weltweit in der Kritik stehenden hochwirksamen Insektengifte aus 
der Stoffklasse der Neonikotinoide müssen umgehend und vollständig 
vom Markt genommen werden. Der NABU fordert, die EU- und 
länderübergreifenden Zulassungsverfahren für derartig toxische 
Chemikalien dringend zu überarbeiten und dabei zwingend die Wirkungen
für typische Ökosysteme realitätsnah in die Prüfverfahren zu 
integrieren.
Mehr Infos:
   Veröffentlichung „More than 75 percent decline over 27 years in 
total flying insect biomass in protected areas“: Fachartikelnummer 
DOI: 10.1371/journal.pone.0185809
www.NABU.de/insektensterben
http://blogs.nabu.de/naturschaetze-retten/insektenstudie/
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