Frau Schavan, das neue Forschungsflugzeug HALO soll die
Klimaforschung in Deutschland und Europa voranbringen. Aber ist ein
solches Flugzeug wirklich nötig?
Schavan: Wir müssen die Prozesse besser verstehen lernen, die sich
in unserer Atmosphäre abspielen. Nur so können wir uns auf den
Klimawandel einstellen und die nötigen politischen Entscheidungen
treffen. Wie bilden sich extreme Wetterereignisse? Wie kommt es zu
Ozonstörungen in großen Höhen? Forschungsflugzeuge sind für die
Atmosphärenforschung unverzichtbar: Sie schließen die Lücke zwischen
den Beobachtungsstationen auf der Erde und den Satelliten im All. Im
Vergleich zum Satelliten haben Flugzeugmessungen eine bessere
räumliche Auflösung und den Vorteil, auch sehr komplizierte
Instrumente tragen zu können. Mit HALO baut Deutschland seine
Spitzenposition in der Atmosphärenforschung aus.
Was ist HALO eigentlich genau?
Schavan: Die Abkürzung steht für High Altitude and Long Range
Research Aircraft – es handelt sich also um ein Flugzeug, das sehr
weit und sehr hoch fliegen kann. Konkret schafft es mit nur einer
Tankfüllung mehr als 8000 Kilometer – das reicht, um alle Regionen
von den Polen bis zu den Tropen und den abgelegenen Gebieten des
Pazifiks zu erreichen. In der Höhe kommt es bis auf 15 Kilometer – so
werden Messungen in der unteren Stratosphäre möglich. Das ist
faszinierend, nicht nur für Technikbegeisterte. HALO ist eine
technische Meisterleistung: An Bord finden mehr als doppelt so viele
Instrumente Platz wie in einem älteren Forschungsflugzeug. Sie
erlauben die umfassende Erforschung komplexer atmosphärischer
Zusammenhänge.
Wie kann man sich das als Laie vorstellen: Was genau kann HALO
erforschen?
Schavan: Die Umweltforscher haben zahlreiche Missionsvorschläge
erarbeitet. Zum Beispiel geht es um die Lebensdauer von Schadstoffen
und verschiedenen Treibhausgasen. Wir wollen die stark steigenden
Schadstoffemissionen in Europa, Nordamerika und Asien vermessen und
ihre Wirkung auf die Atmosphäre bestimmen. Die Folgen der globalen
Erwärmung sind ja schon deutlich auszumachen. Investitionen in den
Klimaschutz lohnen sich in doppelter Hinsicht. Sie tragen dazu bei,
unseren Lebensraum für künftige Generationen zu erhalten. Zugleich
bieten sie neue Chancen für unsere Wirtschaft. Mit den HALO-Missionen
wird der Wirtschaftsstandort Deutschland gestärkt. Darum hat das
Bundesforschungsministerium rund 50 Millionen Euro zu den
Gesamtkosten des Projekts von 74 Millionen Euro beigetragen. Es ist
eingebettet in die europäische Forschungslandschaft, das heißt, das
Flugzeug wird Forschern in ganz Europa zur Verfügung stehen.
Betrieben wird es übrigens von der Forschungsflugabteilung des DLR,
des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt.
Von wegen Klimawandel: Immer wieder werden Zweifel laut, ob die
Warnungen vor dem Klimawandel nicht übertrieben sind.
Schavan: Es geht nicht darum zu diskutieren, ob nun wirklich alle
Klimasimulationen so und nicht anders eintreffen werden. Es geht
darum, dass wir keine Zeit verlieren dürfen. Wir müssen handeln, um
den Klimawandel einzudämmen, wir müssen Projekte beginnen, um mehr
über ihn zu lernen. Die Inbetriebnahme von HALO ist dabei ein
wichtiger Schritt. Sie zeigt: Wissenschaft hilft mit, die Erde für
kommende Generationen zu bewahren. Dabei haben wir schon einiges
geleistet: So waren die CO2-Emissionen in Deutschland im Jahr 2010 um
24 Prozent geringer als 1990, und dass bei wachsender Wirtschaft. Zur
„Grünen Ökonomie“, wie sie beim Rio+20-Gipfel im Juni diskutiert
wurde, leistet Deutschland einen wichtigen Beitrag. Vor allem aber
wollen wir die Energieversorgung in unserem Land neu ausrichten, das
Stichwort heißt Energiewende. Das zeigt, dass wir unsere
Verantwortung für die Umwelt überaus ernst nehmen. Gelingen kann das
nur, wenn Wissenschaft, Politik und Wirtschaft eng zusammenarbeiten.
Welche Rolle genau spielt die Forschung?
Schavan: Forscherinnen und Forscher arbeiten daran, neue Wege zu
finden, um unsere Umwelt und damit unsere Lebensgrundlagen zu
schützen. Es gibt in Deutschland eine lange Tradition, Forschung und
Entwicklung in den Dienst der Nachhaltigkeit zu stellen. Daran
knüpfen wir an, nehmen Sie nur die nationale
Nachhaltigkeitsstrategie. Oder das Wissenschaftsjahr „Zukunftsprojekt
Erde“: Mit den Bürgern wollen wir darüber diskutieren, wie wir
künftig leben und wirtschaften wollen. In Städten, Gemeinden und
Landkreisen werden Ideen rund um die nachhaltige Entwicklung
gesammelt, 3,5 Millionen Euro stellt das Bundesforschungsministerium
für diese „ZukunftsWerkStadt“ bereit. Jeder kann mitmachen.
Müssen wir unser Leben ändern?
Schavan: Ja, um die Lebenschancen künftiger Generationen zu
bewahren, müssen wir unser Leben an vielen Punkten neu ausrichten.
Wir müssen vor allem ein neues Verständnis von dem entwickeln, was
wir unter Wachstum verstehen. Es muss dem Wohle der Menschen dienen,
also nachhaltig sein. Klimawandel, Bevölkerungswachstum und Verlust
der Artenvielfalt gehen uns alle an. HALO hilft, sich diesen
Herausforderungen zu stellen. Es nicht nur eines unserer wichtigsten
Großgeräte der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung. Es ist
ein globales Werkzeug. Von ihm erhoffe ich mir einen hohen
Erkenntnisgewinn.
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