Bundespräsident überreicht Preise am 28.10. in Erfurt – Bedeutung
der Meere und „Sauberes Wasser für alle“
Die Meeresbiologin Prof. Dr. Antje Boetius (51,
Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und
Meeresforschung, Bremerhaven) und ein interdisziplinäres
Abwasser-Expertenteam aus Leipzig, das die ferne Vision „Sauberes
Wasser für alle“ in Jordanien zu einem tatsächlich greifbaren Ziel
hat werden lassen, werden 2018 je zur Hälfte mit dem mit 500.000 Euro
dotierten Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt
(DBU) ausgezeichnet. Die DBU betont damit die Bedeutung der Meere für
Klima, Lebensvielfalt und Nahrungsversorgung und warnt vor
Klimawandel, Umweltverschmutzung und Überfischung. Gleichzeitig soll
auch der weiteren Forderung der Vereinten Nationen Nachdruck
verliehen werden, bis 2030 für die Weltbevölkerung sauberes Wasser
zur Verfügung zu stellen und eine angemessene Sanitärversorgung für
alle und damit deutlich bessere Lebensbedingungen zu gewährleisten.
Den Preis wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 28. Oktober
in Erfurt überreichen an Prof. Boetius und das Team aus Leipzig mit
Prof. Roland A. Müller (55), Dr. Manfred van Afferden (57), Dr.
Mi-Yong Lee (47, alle Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung) und
Dipl.-Ing. Wolf-Michael Hirschfeld (70), den Initiator des Bildungs-
und Demonstrationszentrums für dezentrale Abwasserbehandlung.
„Lebendige Ozeane sind ein Muss. Ohne sie können wir nicht
existieren“
DBU-Generalsekretär Alexander Bonde betonte heute bei der
Bekanntgabe der Preisträger, Ozeane seien wichtiger Lebensraum für
Tier- und Pflanzenarten, bedeutsamster Wärmespeicher auf unserem
Planeten und regulierten sein Klima. Sie hätten die Auswirkungen der
Industrialisierung abgepuffert und große Mengen Kohlendioxid und
Wärme aufgenommen. Sie seien die Wetterküche der Erde, weil häufig
über ihnen Wind, Stürme und Niederschläge entstünden. Bonde:
„Lebendige Ozeane sind ein Muss. Ohne sie können wir nicht
existieren.“
Todeszonen in den Weltmeeren über 245.000 Quadratkilometer groß
Tatsächlich seien die Ozeane allerdings in einem bedenklichen
Zustand. Das Schmelzen der Polkappen, die Erwärmung sowie die
Industrialisierung, Überfischung und Müllmengen ungeahnten Ausmaßes
gefährdeten dieses faszinierende Ökosystem immer mehr. Die Zahl der
sogenannten Todeszonen in den Weltmeeren – Sauerstoffmangelgebiete,
die den Bestand von Lebewesen gefährden, – sei seit 1995 um mehr als
ein Drittel angewachsen auf aktuell über 400. Sie seien über 245.000
Quadratkilometer groß, was mehr als zwei Drittel der Fläche
Deutschlands entspricht. Das sei auch darauf zurückzuführen, dass 80
bis 90 Prozent des Abwassers in den Entwicklungsländern direkt und
unbehandelt in Flüsse, Seen und Meere eingeleitet würden. In diesen
Ländern einen funktionierenden, handhabbaren, wartungsarmen, kosten-
und energiesparenden Abwassersektor zu schaffen, sei „bahnbrechend
für eine Verbesserung der Lebensgrundlagen der Menschen vor Ort und
ihrer Kinder und Kindeskinder“. Gleichzeitig gebe es im Ökosystem
Meer noch immer Wissenslücken, die für das Verständnis der
Zusammenhänge zwischen mikrobieller Vielfalt in der Tiefsee und
globalen Veränderungen wie dem Klimawandel geschlossen werden
müssten. Bonde: „Nur wenn wir diese Prozesse verstehen, verstehen wir
den globalen Klimakreislauf und können auf der Basis dieser
Erkenntnisse handeln.“
Wissenschaftlerin mit herausragenden Talenten
Antje Boetius, die Tiefsee- und Polarforscherin und Direktorin des
Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und
Meeresforschung in Bremerhaven, beschrieb Bonde als „herausragende
Wissenschaftlerin mit einem außerordentlichen Talent für das
fachübergreifende Verständnis systemischer Prozesse in den weltweiten
Ozeanen und für das Vermitteln der Zusammenhänge“. Durch ihre
Forschung habe sie die Bedeutung von Tiefsee-Bakterien für das
Weltklima belegt: Mikroben sind unter Ausschluss von Sauerstoff für
den Abbau von Erdgas (Methan) verantwortlich, das im Ozeangrund in
großen Mengen vorkommt. „Methan wirkt als Treibhausgas 25-mal stärker
als Kohlendioxid. Die Bakterien sorgen dafür, dass nur ein Teil aus
den Ozeanen in die Atmosphäre entweicht und verhindern somit ein
schnelleres Aufheizen des Planeten“, so Bonde. Nach dem von führenden
internationalen Wissenschaftlern ausgearbeiteten Konzept der
„Planetaren Leitplanken“ seien aber die Konsequenzen einer globalen
Erwärmung über zwei Grad nicht mehr vorhersehbar. Am deutlichsten
zeigten sich die Folgen dieser Erwärmung an der stetig schwindenden
arktischen Meereisdecke. Die Umweltkonsequenzen des Meereisrückgangs
werden derzeit auch von Boetius erforscht.
Menschliches Handeln in den entlegensten Winkeln der Erde
nachweisbar
Die Meeresbiologin, Ökosystemforscherin und
Wissenschaftskommunikatorin habe mehrfach nachgewiesen, dass
menschliches Handeln in den entlegensten Winkeln der Erde nachweisbar
ist. Boetius selbst ist sich sicher, dass „der Klimawandel auch die
Algen und die Mikroorganismen an der Meeresoberfläche verändert. Die
sinken durch Schwerkraft herab und sind die Nahrung der Tiefseetiere.
Daher haben die Änderungen, die sich oben abspielen, direkt auch eine
Wirkung bis in die fernsten Tiefseegräben.“ Die Forscher ihres
Institutes konnten kürzlich auch Mikroplastik im Meereis sowie in der
Tiefsee nachweisen. Neben Klimawandel hat nach Boetius“ Einschätzung
bisher auch die Fischerei die Ozeane schon weltweit verändert. Der
Walfang in den 30er Jahren habe beispielsweise die größten
Meeressäuger bis in die heutige Zeit dezimiert. Das beeinflusse auch
das Nahrungsnetz bis hinunter zu den Tiefsee-Mikroben.
Lebensvielfalt im Meer und in Polarregionen ebenfalls wichtige
Zukunftsressource
Bonde: „Als “Fürsprecherin des nachhaltigen Umgangs mit den Meeren
und Polarregionen“ sitzt sie auch bei Konferenzen etwa auf Einladung
der Vereinten Nationen mit Vertretern der Ozeanindustrie am
Verhandlungstisch.“ Ihr Ziel sei es, „deutlich zu machen, dass die
noch kaum erforschte Welt der Tiefsee nicht Opfer destruktiver
Verfahren des Tiefseebergbaus wird wie es durch den Abbau von
Rohstoffen wie Mangan, Eisen, Kobalt und seltenen Metallen möglich
wäre. Die Ozeane sollten als Teil des Planeten und des
gesellschaftlichen Handelns verstanden werden, für das die
Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen auch gelten. Die Vielfalt
des Lebens im Meer und in den Polarregionen ist ebenfalls eine
wichtige Zukunftsressource, für deren Schutz gesorgt werden muss.“
„Neutraler Anwalt für den Wasserressourcenschutz“
Das Team um die Forschergruppe des Departments „Umwelt und
Biotechnologisches Zentrum“ des Helmholtz-Zentrums für
Umweltforschung und den BDZ-Initiator Hirschfeld bezeichnete Bonde
als „neutralen Anwalt für den Wasserressourcenschutz“, für das „Hilfe
zur Selbsthilfe“ der Schlüssel zum Erfolg sei. In Jordanien, einem
der drei Länder, die weltweit am stärksten von Wasserknappheit
betroffen seien und dessen Bevölkerung nicht zuletzt auch durch
Flüchtlinge aus Syrien von 5,6 Millionen 2006 um fast 70 Prozent auf
9,5 Millionen (2016) angestiegen sei, habe das Team „großartige
Pionierarbeit“ für den Schutz der Wasserressourcen geleistet und sei
„auf allen Ebenen aktiv geworden: interdisziplinär in der
Wissenschaft, beratend in der Wirtschaft, vermittelnd in der Politik,
informierend in der Gesellschaft und zupackend in der praktischen
Umsetzung.“
Grenzen zwischen Forschung und Praxis überwunden
Mit ihrer Lösung der dezentralen Abwassersysteme, die flexibel
angepasst werden können und bestehende Systeme ergänzen, werde das
Abwasser direkt am Entstehungsort behandelt und könne zum Bewässern
landwirtschaftlicher Flächen genutzt werden. Gleichzeitig werde das
Grundwasser vor Abwasserverunreinigungen geschützt und somit
nachhaltig als Trinkwasserressource gesichert. Alte und neue
Strukturen zu verknüpfen und eine zukunftsfähige Abwasserbehandlung
zu entwickeln und voranzubringen, sei nur möglich geworden durch das
Überwinden der Grenzen zwischen Natur-, Ingenieur- und
Sozialwissenschaften, vor allem aber zwischen Forschung und Praxis.
Bonde: „Für Forschung in Deutschland ein leider zu seltener
Glücksfall.“
Wassermangel entscheidende Rolle als zentrale Fluchtursache
Durch das politische Verankern und langfristige Neuausrichten des
jordanischen Abwassersektors sei es jetzt realistisch, das vom
jordanischen Wasserministerium gesetzte Ziel zu erreichen, bis 2025
das jährliche Volumen gereinigten Abwassers von heute 140 Millionen
auf dann 235 Millionen Kubikmeter zu steigern und eine Anschlussrate
von rund 80 Prozent zu verwirklichen. Dass das funktioniere, sei von
zentraler Bedeutung, wenn man wisse, dass weltweit mindestens zwei
Milliarden Menschen Trinkwasser nutzen, das mit Fäkalien verunreinigt
ist. Neben Armut, wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit und mangelnder
politischer Teilhabe spielten schwierige Lebensbedingungen
einschließlich des Wassermangels eine entscheidende Rolle als
zentrale Fluchtursache.
Hinweis an die Redaktionen: Bitte beachten Sie auch die
Einzelwürdigungen Prof. Dr. Antje Boetius und Leipziger
Abwasser-Expertenteam unter https://www.dbu.de/umweltpreistraeger
Pressekontakt:
Ansprechpartner
Franz-Georg Elpers
– Pressesprecher –
Kerstin Heemann
Jana Nitsch
Gesa Wannick
Kontakt DBU
An der Bornau 2
49090 Osnabrück
Telefon: 0541|9633-521
0171|3812888
Telefax: 0541|9633-198
presse@dbu.de
www.dbu.de
Original-Content von: Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), übermittelt durch news aktuell