Deutscher Ethikrat diskutiert Risiken des Forschungsmissbrauchs durch Bioterroristen

In einer öffentlichen Anhörung am 25. April 2013
befragte der Ethikrat neun Sachverständige zu den Möglichkeiten, den
Missbrauch biologischer Forschung durch Dritte zu verhindern, ohne
dabei die Forschungsfreiheit übermäßig zu beeinträchtigen. Die
Ergebnisse werden in eine Stellungnahme zur Biosicherheit einfließen,
die der Ethikrat derzeit im Auftrag der Bundesregierung erarbeitet.

Im Forschungslabor veränderte Viren, die Vogelgrippe zwischen
Säugetieren auf dem Luftweg übertragbar machen, gaben im letzten Jahr
Anlass für eine neue Debatte zur Biosicherheit und für den Auftrag
der Bundesregierung an den Ethikrat. Denn Forschungsergebnisse zur
Wandelbarkeit von Krankheitserregern gelten zwar einerseits als
wichtig für die Vorbereitung auf neue Infektionswellen, könnten
jedoch andererseits auch für die Herstellung von Biowaffen
missbraucht werden, so die Sorge.

In der öffentlichen Anhörung stellten sich neun Sachverständige
den Fragen des Ethikrates zum Thema. Von besonderem Interesse war
dabei auch die Diskussion um die Eignung freiwilliger
Verhaltenskodizes. Sie sollen Forscher und diejenigen, die über die
Förderung von Forschungsvorhaben und die Veröffentlichung ihrer
Ergebnisse entscheiden, für Missbrauchsrisiken sensibilisieren und
ihre Vermeidung befördern.

Zunächst gab der Virologe Hans-Dieter Klenk einen Überblick zu den
aktuellen Missbrauchspotenzialen in der biowissenschaftlichen
Forschung. Er betonte, dass er Experimente zur Veränderung der
Gefährlichkeit von Viren für unverzichtbar, Forschungs- und
Publikationsverbote dagegen für inakzeptabel halte. Der Philosoph
Torsten Wilholt wies in seiner Analyse der ethischen Fragen darauf
hin, dass Freiheit und Verantwortung in der Forschung immer
zusammengehörten. Eine reine Selbstregulierung der Wissenschaft sei
jedoch ungeeignet, da sich Forscher, deren Ziel es ist, neues Wissen
zu gewinnen, nur schwer gegen Forschungsprojekte entscheiden. Der
Rechtswissenschaftler Thomas Würtenberger stellte in einer
verfassungsrechtlichen Analyse Schutzpflichten und Forschungsfreiheit
gegenüber und setzte sich dabei für eine sorgfältige Auswahl der
jeweils effektivsten Schutzkonzepte ein. Diese könnten auch
Biosicherheits-Kommissionen umfassen, wenn deren Entscheidungen
gerichtlich überprüfbar seien.

Die Kulturwissenschaftlerin und Medizinerin Bärbel Dickmann
erläuterte die besonderen Herausforderungen, die sich für die
Risikokommunikation bei Missbrauchsrisiken in der Forschung ergeben.
Hier gelte es, eine große Kluft zwischen Risikoanalysen einerseits
und der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Risiken andererseits zu
überbrücken.

Die Vizepräsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft,
Elisabeth Knust, betonte, dass die Prüfung von Missbrauchsgefahren
vor einer Forschungsförderung bereits gut funktioniere. Der
Sozialwissenschaftler Wolfgang van den Daele plädierte für
Berücksichtigung von breiteren Fragen im gesellschaftlichen
Informations- und Diskursprozess. Die Gefahr bei möglichen
Biosicherheits-Kommissionen sei, dass diese sich auf reine
Sicherheitsfragen verengten.

Christof Potthof vom Gen-ethischen Netzwerk e. V. setzte sich für
verbindliche rechtliche Regelungen zur Risikominimierung und eine
stärkere verbindliche Verankerung von Biosicherheitsthemen in der
Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern ein. Peer Stähler von der
International Association Synthetic Biology (IASB) stellte
unverbindliche Kontrollmechanismen vor, die die Mitgliedsunternehmen
der IASB beim Verkauf von Gensynthese-Produkten anwenden. Er betonte
die derzeit noch großen internationalen Unterschiede bei der
Regulierung und beim Problembewusstsein zu Biosicherheitsfragen.

Der Sicherheitsberater Volker Beck nannte Risikominimierung und
-abwehr sowie die Vorbereitung auf ein optimales Ressourcen- und
Kommunikationsmanagement im Krisenfall als wichtigste Elemente des
Bevölkerungsschutzes. Beck beurteilte die hierfür relevanten
deutschen Regularien grundsätzlich positiv, attestierte jedoch ein
geringes Problembewusstsein sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei
Forschern, insbesondere im universitären Bereich.

In Rückfragen und Diskussionbeiträgen sprachen die
Ethikratsmitglieder unter anderem über das Potenzial eines
übergreifenden Verhaltenskodex für die Wissenschaft, über
Biosicherheits-Gremien, die auch Einzelfallabwägungen durchführen
könnten, und über möglicherweise neue Gefahren durch Forschung, die
außerhalb etablierter Institutionen stattfindet.

Das Programm der Anhörung sowie die Vorträge und
Diskussionbeiträge können unter
http://www.ethikrat.org/veranstaltungen/anhoerungen/biosicherheit
abgerufen werden.

Pressekontakt:
Ulrike Florian
Deutscher Ethikrat
Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Jägerstraße 22/23
D-10117 Berlin

Tel: +49 (0)30/20370-246
Fax: +49 (0)30/20370-252
E-Mail: florian@ethikrat.org
URL: www.ethikrat.org

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