Bildung hat sich in unserer zunehmend digitalen Welt in den letzten Jahren gewandelt. Dieser Prozess wird sich künftig noch verstärken. „Googeln“, Informationen auf Wikipedia lesen, eine Sprache mit einer Smartphone-App üben, Erklär-Videos oder Tutorials im Internet ansehen – digitale Technologien prägen uns schon heute, wie wir lernen und lehren.
Die weltweite Verfügbarkeit ständig aktualisierter Informationen sowie die Vernetzung von Lernenden und Lehrenden im Internet gestalten zunehmend Bildungsprozesse. Auch die wachsende Leistungsfähigkeit von Technologien der sogenannten „virtuellen“ und „erweiterten Realität“ werden in der Zukunft einen starken Einfluss darauf haben, was wir wie von wem lernen.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat das Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid mit einer repräsentativen Umfrage „ZukunftsMonitor“ zum Thema „Lehren, Lernen und Leben in der digitalen Welt“ beauftragt. Die im Rahmen des „ZukunftsMonitors“ befragten Bürgerinnen und Bürger sehen überwiegend Chancen beim Einsatz digitaler Technologien in der Bildung. Ein Fünftel äußert sich aber auch skeptisch und verbindet mit ihnen ebenso viele oder sogar mehr Risiken.
Die große Mehrheit erkennt an, dass der Einsatz digitaler Technologien in der Bildung unabdingbar ist, damit die Gesellschaft für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewappnet ist. Eine große Gruppe sieht zudem einen Zusammenhang zwischen digitalen Technologien in der Bildung und Innovation. Fast ein Viertel glaubt, dass sie unsere Gesellschaft in Zukunft innovationsfähiger machen.
Die Hälfte der befragten Bürgerinnen und Bürger ist auch der Meinung, dass digitale Technologien die Lust auf Lernen steigern können. Allerdings gibt es dabei große Unterschiede zwischen den Altersgruppen der Befragten: Die überwiegende Mehrzahl junger Menschen im Schulalter ist der Meinung, dass ihnen digitale Technologien mehr Lust auf das Lernen machen. Menschen mittleren Alters sehen das häufig ebenfalls so, bei einem wesentlichen Teil lösen digitale Technologien aber keine größere Lernfreude aus. Bei Menschen im Alter über 60 Jahren reagiert sogar die Mehrheit skeptisch auf diese Aussage.
Auch in einigen anderen Punkten herrscht Uneinigkeit oder sogar Skepsis. Zur Frage, ob bereits Kleinkinder den Umgang mit digitalen Technologien lernen sollten, gibt es unter den Befragten keinen Konsens. Eine große Zahl macht sich auch Sorgen, digitale Technologien könnten sich in Zukunft negativ auf die Sozialkompetenzen auswirken. Und eine Mehrheit der Bevölkerung sieht durch digitale Technologien in der Bildung zudem den Einfluss der Wirtschaft in einem kritischen Maß wachsen.
Eines scheint aber klar zu sein: Laut Ansicht einer großen Mehrheit der Befragten führen digitale Technologien zu veränderten Anforderungen an Lernende und Lehrende – zum Beispiel durch die steigende Informationsvielfalt. Eine neue Schlüssel-kompetenz stellt daher das Finden und Beurteilen von verfügbarem Wissen dar. Fast neun von zehn befragten Bürgerinnen und Bürgern sehen auch die Notwendigkeit, den Umgang mit digitalen Technologien in der Schul- und Berufsbildung stärker zu verankern.
Handlungsbedarf für digitale Bildung
Sarah Henkelmann, die Sprecherin des Netzwerks Digitale Bildung, sieht akuten Handlungsbedarf für die Notwendigkeit digitaler Bildung. Sie präsentiert hierzu neun Thesen:
? 1.Verantwortung:
Wer im Zeitalter der Digitalisierung gesellschaftlich verantwortlich entscheiden und handeln will, muss neue Technologien nicht nur nutzen, sondern sie auch verstehen.
? 2. Chancengerechtigkeit:
Bildung für alle bleibt ein leeres Versprechen der Digitalisierung, solange nicht die Ausbildung einer Medienkompetenz für alle als dauerhafter Lernprozess gesichert ist.
? 3. Innovationen:
Bleibt der digitale Wandel in Schulen und Hochschulen weiter außen vor, so fehlt der Wirtschaft die Basis für Innovationsfähigkeit. Denn Innovationen werden zukünftig fast ausschließlich digital gedacht werden.
? 4. Kompetenzen für die Arbeitswelt:
Mit dem digitalen Wandel in der Arbeitswelt sind neue Kompetenzen gefragt, die kollaborative Arbeitsprozesse ermöglichen. Diese Kompetenzen müssen bereits in der Schule vermittelt werden.
? 5. Industrie 4.0:
Wer die Chancen der Industrie 4.0 nutzen will, sollte zuerst dafür sorgen, dass Kinder und Jugendliche in der Schule 4.0 lernen dürfen.
? 6. Globalisierung:
Um sich globalen Märkten zu öffnen, verlagern Unternehmen immer mehr Ressourcen und Prozesse in den digitalen Bereich. Hierfür sind Arbeitnehmer gefragt, die digitale Strukturen als Regel und nicht als Ausnahme verstehen.
? 7. Integration:
Digitale Medien unterstützen die Integration geflüchteter Menschen, weil sie Lernprozesse individualisieren und effektiver gestalten.
? 8. Fachkräftemangel:
Der Mangel an Fachkräften für Informations- und Kommunikationstechnologien, Internet-of-Things und Big Data wird zum Hemmschuh der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland werden.
? 9. Standortsicherung:
Mit der Digitalisierung wachsen neue Chancen für Städte und Regionen, sich als Standort zu positionieren, wenn sie sich der Digitalisierung öffnen. Der Erfolg einer Stadt, einer Region oder eines Landes wird zukünftig vor allem durch das Maß seiner Digitalisierung bestimmt werden.
Soweit die neun Thesen des Netzwerks Digitale Bildung, die vor allem die künftigen wirtschaftlichen Notwendigkeiten abbilden. Wie bei allen Themen der Bildung gibt es natürlich auch hier unterschiedliche Auffassungen und Bewertungen. Vor allem besteht die Notwendigkeit, dass sich der einzelne Mensch auch in Zeiten zunehmender Digitalisierung genügend Möglichkeiten erhält, seine Individualität und Persönlichkeit und seine Sozialkompetenz zu erhalten und zu entwickeln.
Kreativität als wichtige Schlüsselkompetenz
Kreativität und Innovationsfähigkeit zählen zu den wichtigsten Schlüsselkompetenzen für zukünftige Lebensqualität und Wettbewerbsfähigkeit. Aber wo lassen sich diese Zukunftskompetenzen erlernen? In den heutigen Schulen und Hochschulen oftmals nur begrenzt.
Nach Auffassung der Zukunftsforscher Reinhold Popp und Ulrich Reinhardt muss in den Schulen der Zukunft die kreative und innovationsorientierte Wissensaneignung im Mittelpunkt stehen. Dies funktioniert nur mit mehr multimedial unterstütztem, selbst organisiertem und forschendem Lernen, mit mehr fächerübergreifenden Projekten sowie mit einer neuen Schularchitektur.
Die zukunftsträchtige Förderung von Kreativität und Innovationsfähigkeit lebt von einer pädagogischen Grundhaltung: Respekt vor der Neugierde der Lernenden. Neugierde fördert Kreativität und Innovationsfähigkeit, die wiederum Motoren für soziale, kulturelle, technische, wirtschaftliche und politische Innovationen sind.
Albert Einstein ist ein prominenter Zeuge für die kreative Kraft der Neugier. Er hat sich selbst einmal folgendermaßen eingeschätzt: „Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.“
Neugier treibt uns sicher nach vorne, ohne lebenslanges Lernen fallen wir jedoch ebenso sicher wieder zurück. Da sich das für unsere Berufe relevante Wissen extrem schnell wandelt, müssen sich Arbeitnehmer schon jetzt und verstärkt in Zukunft auf lebenslanges Lernen einstellen. Dafür ist einerseits jeder von uns selbst verantwortlich
An Universitäten und in Weiterbildungseinrichtungen von Firmen und Bildungsträgern werden bereits heute unterschiedliche Formen virtueller Hochschulen sowie des computergestützten Lernens getestet. Ein Beispiel hierzu gibt Ulrich Eberl in seinem Buch „Zukunft 2050“ zum künftigen Vorlesungsbetrieb der Universitäten:
„Solche globalen Internetvorlesungen sind ein Vorgeschmack, wie Studenten künftig lernen werden: interaktiv, multimedial, unabhängig von Ort und Zeit, in einer Mischung aus Präsenzveranstaltung und elektronischem Lernen. Die klassische Vorlesung wird nicht verschwinden, weil der persönliche Austausch unter den Studierenden und die Betreuung durch Tutoren extrem wichtig sind, aber sie werden multimedial ergänzt werden – gerade auch im Hinblick auf die spätere Arbeit in weltweiten Teams.
Warum sollte ein Student aus München künftig nicht am Vormittag eine Veranstaltung an seiner Uni besuchen, am Nachmittag an einer Internetvorlesung eines Nobelpreisträgers am Massachusetts Institute of Technology in Boston teilnehmen und sich am späten Abend noch mit Studienkollegen in Kalifornien und Japan zusammentun, um eine gemeinsame Forschungsarbeit voranzubringen: In einem virtuellen Raum mit Videoverbindung und Dokumenten-Sharing?“
In der globalisierten Welt des Jahres 2050 werden sich nicht nur die Firmen, sondern auch die Ausbildungseinrichtungen im ständigen Wettbewerb befinden. Bildung und Vermittlung von Wissen werden zur Handelsware werden. Künftig haben dann vor allem diejenigen die besten Chancen auf dem Arbeitsmarkt, die neben einem guten Fachwissen auch gelernt haben, weltoffen und marktorientiert zu denken und in internationalen Teams zu arbeiten.