Experten-Empfehlung: Vor und
während der Schwangerschaft ausreichend Folsäure, Omega-3 Fettsäuren
und andere Mikronährstoffe zuführen und die Energiezufuhr nur
unwesentlich steigern
– Schwangere sollten ihr Risiko für Fehl- und Mangelernährung
kennen: Nehmen sie – auch später in der Stillzeit – zu wenig
Mikronährstoffe auf, gefährden sie ihre Gesundheit und die ihres
Kindes ebenfalls. Essen sie zu energiereich, dann mästen sie
sozusagen nicht nur sich, sondern ihr Ungeborenes gleich mit.
Auf einer aktuellen Tagung der Universität Hohenheim in
Stuttgart erläuterten Experten die gesundheitlichen
Konsequenzen einer unangepassten Ernährung in dieser
Lebenssituation. Für bestimmte Fette, wie die mehrfach
ungesättigten Omega-3-Fettsäuren, sowie für Vitamine, wie das
B-Vitamin-Folsäure, und andere Mikronährstoffe ist der Bedarf in
der Schwangerschaft und teilweise auch in der Stillzeit deutlich
erhöht. Daher muss über entsprechende Lebensmittel wie zweimal
wöchentlich fetter Seefisch im Falle der Omega-3-Fettsäuren
oder täglich ausgewählte Gemüsesorten sowie andere
Folsäure-Lieferanten einem Defizit an diesen Nährstoffen gezielt
vorgebeugt werden. Wenn dies nicht möglich ist, bieten
angereicherte Lebensmittel oder Nahrungsergänzungen eine
sinnvolle Lösung. Mediziner raten Schwangeren und Stillenden
nicht nur zu Jod-Tabletten für eine gesunde Entwicklung der
Schilddrüse des Babys. Auch ein Präparat mit 400 Mikrogramm
Folsäure pro Tag sollte spätestens ab dem Bekanntwerden der
Schwangerschaft, am besten jedoch schon vorher, eingenommen
werden. Dadurch kann Schäden an Rückenmark und Gehirn des Kindes
vorgebeugt werden. Studien haben außerdem positive Effekte von
(folsäurehaltigen) Multivitamin-Präparaten bei Schwangeren
gezeigt. Und ebenfalls für eine gesunde Entwicklung des
frühkindlichen Gehirns sorgen die Omega-3-Fettsäuren,
insbesondere die DHA (Docosahe-xaensäure), wovon der werdenden
und später stillenden Mutter mindestens 200 Milligramm pro Tag
empfohlen werden.
Die zunehmenden Zivilisationserkrankungen wie Adipositas und
Diabetes sind eine besondere Herausforderung für die Ernährung in der
Schwangerschaft. Prof. Klaus Vetter von der Klinik für Geburtsmedizin
am Vivantes-Klinikum in Neukölln warnte, dass bei werdenden Müttern,
die an diesen Krankheiten litten, der Fötus mit einem Überangebot an
Nahrung konfrontiert werde, dem er machtlos ausgeliefert sei, und er
bilde dadurch – ähnlich einer Stopfgans – zwangsläufig
Fetteinlagerungen. Mögliche Folgen seien übergroße Babys, die nur
noch durch Kaiserschnitt auf die Welt kommen könnten, außerdem
Reifestörungen von Plazenta und Lunge. Vetter berichtete, dass hier
im Extremfall schon im Mutterleib der Grundstock für spätere
Herz-Kreislauf-Krankheiten gelegt würde.
In der Schwangerschaft beträgt der Mehrbedarf an Kalorien
lediglich ca. 13 Prozent, und er sollte vor allem durch eine Erhöhung
des Eiweißanteils in der Ernährung gedeckt werden. Der Bedarf an
Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen hingegen steigt um 30 –
50 Prozent ja nach Mikronährstoff. Das erklärte Prof. Peter Bung von
der gynäkologischen Praxisklinik Bonn und verwies auf einen besonders
kritischen Mikronährstoff: das B-Vitamin Folsäure bzw. dessen
natürliche Form, die Folate. Sie kommen in verschiedenen Gemüse- und
Obstsorten, aber auch in Leber vor und stellen das eigentliche
Problem dar, denn sie gehen bei Lagerung und Zubereitung rasch
kaputt. Um sicherzustellen, dass die Schwangere ihren Tagesbedarf
deckt, sei eine Nahrungsergänzung mit 400 Mikrogramm Folsäure
notwendig, also der synthetischen, stabilen Form des Vitamins,
betonte der Gynäkologe. Ergänzend zitierte er Studien, die bei guter
Folsäureversorgung eine geringere Fehlgeburtenrate zeigten.
Folsäure-Nahrungsergänzung kostengünstig und effizient für gesunde
Kinder
In Deutschland, so erläuterte Bung weiter, nähmen aber nur maximal
15 Prozent der betroffenen Frauen Folsäure ein. Nach Hochrechnungen
entstünden alleine in diesem Land ca. 150.000 bis 200.000 Euro Kosten
pro Jahr für das weitere Leben von ca. 300 – 400 Kindern, die mit
einem so genannten „offenen Rücken“ (spina bifida), also einem Defekt
am Neuralrohr, das den Nervenkanal entlang des Rückenmarks
umschließt, und anderen Behinderungen an Gehirn und Nervensystem zur
Welt kommen. Das Risiko für solche schwerwiegenden Schäden könne
durch eine optimale Folsäure-Versorgung der werdenden Mutter um bis
zu 70 Prozent kostengünstig und effektiv gesenkt werden. Da die
Folsäureversorgung in der Bevölkerung hierzulande allgemein sehr
schlecht sei und nur 14 Prozent der Frauen die für die normale
Tageszufuhr empfohlenen 400 Mikrogramm überhaupt erreichten, regte
der Experte ferner an, in Deutschland Grundnahrungsmittel freiwillig
mit Folsäure anzureichern. In anderen Ländern konnte die Zahl der
Neuralrohrdefekte durch eine verpflichtende Folsäure-Anreicherung von
Mehl um bis zu mehr als 70 Pozent gesenkt werden.
Für eine freiwillige Anreicherung von Grundnahrungsmitteln
hierzulande, damit die Verbraucher auch noch die Wahl zwischen nicht
angereicherten Lebensmitteln haben, plädierte auch Prof. Berthold
Koletzko vom Haunerschen Kinderspital München. Er verwies darauf,
dass von einer solchen Maßnahme nach heutiger Datenlage auch die
Gesundheit der Allgemeinbevölkerung profitieren könne, weil in den
Ländern mit längerer Anreichungspraxis nicht nur die Fälle von
Neuralrohrdefekten sondern auch von Krebs und
Kerz-Kreislauf-Erkrankungen zurück gingen. Bedenken, dass Folsäure
die Krebsrate erhöhen könne, wies er als nicht belegt zurück.
Versorgungsproblem Omega-3-Fettsäuren
Der Pädiater veranschaulichte ferner ausführlich, welchen
gesundheitlichen Nutzen für Mutter und Kind eine optimale Versorgung
mit Omega-3-Fettsäuren bringt, vor allem mit DHA als der wichtigsten.
Diese und andere essentielle Fettsäuren liefern keine Energie, wie
andere Fette, sondern bilden die Struktur in den Membranen von von
Gehirn- und Nervenzellen, wie beispielsweise den Sehzellen. Ferner
wirken sie schützend auf Herz und Kreislauf und modulieren das
Immunsystem. Somit können sie das Allergierisiko insbesondere für
Neurodermitis und Asthma erheblich vermindern. Auch die Rate der
Frühgeburten kann durch eine verbesserte Aufnahme von
Omega-3-Fettsäuren um mindestens ein Drittel gesenkt werden.
Abgesehen davon, dass die schwangere wie die stillende Frau zweimal
wöchtlich fetten Seefisch (als einzige natürliche DHA-Quelle) wie
Thunfisch, Lachs, Hering oder Makrele essen muss, um auf die
empfohlene Menge von 200 Milligramm DHA pro Tag zu kommen, erläuterte
Koletzko noch einen weiteren wichtigen Faktor für die DHA-Versorgung:
Die Fähigkeit des eigenen Körpers, aus pflanzlichen essentiellen
Fettsäuren DHA zu bilden. Dies ist jedoch genetisch bedingt nicht für
jeden Menschen möglich. In Deutschland ist von diesem Problem jeder
Vierte betroffen. Der Pädiater führte aus, dass bei Kindern, die DHA
nicht selber bilden können, ein viermal so hohes Risiko für
Neurodermitis gefunden wurde wie bei Kindern ohne dieses Defizit.
Seine gute Nachricht lautete: Was die Gene nicht zulassen, kann für
den Organismus durch eine erhöhte Zufuhr von DHA wieder ausgeglichen
werden.
Der Experte berichtete, dass auch die Europäische
Lebensmittelbehörde EFSA die positive Wirkung von Omega-3-Fettsäuren
auf die Gehirnentwicklung wissenschaftlich bestätigt. Und er stellte
Studienergebnisse vor, die belegen, dass die kognitive Gehirnleistung
so wie die Sehfähigkeit bei Kindern bis zu acht Jahren besser
ausgebildet sind, wenn deren Mütter in Schwangerschaft und Stillzeit
entweder über Fisch-Konsum oder über eine Nahrungsergänzung mit
Omega-3-Fettsäuren gut versorgt waren. Sie sollten daher auch in
Nahrung für nicht-gestillte Säuglinge enthalten sein. Die Mütter
selber, so der Forscher, profitieren ebenfallls von einer optimalen
Aufnahme essentieller Fettsäuren. Denn diese können das Auftreten von
„Wochenbettdepressionen“ nach der Geburt eindämmen, unter denen
immerhin jede 10. frisch gebackene Mutter leidet.
Mit allen Experten gemeinsam kritisch diskutiert wurden die
Möglichkeiten, den notwendigen Fischverzehr zu realisieren. In Sachen
Schadstoffbelastung seien Schwangere und Stillende eher bei Hering
und Makrele auf der sicheren Seite, lautete die ein Statement.
Offensichtlich wurde, dass einige Faktoren, insbesondere persönliche
Vorlieben beim Essen, dazu führen, dass keine oder zumindest keine
zwei Fischmahlzeiten pro Woche gegessen werden. Eine
Nahrungsergänzung, die die Frauen mit 200 Milligramm DHA täglich
versorgt, sehen die Forscher als absolut unbedenklich an. In der
abschließenden Diskussion wurde auch auf die Bedeutung einer guten
Versorgung mit anderen Mikronährstoffen (Jod, Eisen, Vitamin D,
Vitamin A, B-Vitamine) hingewiesen und in dem Zusammenhang auf
Studien, die einen positiven Einfluss von Multivitaminpräparaten auf
die kindliche Entwicklung im Mutterleib ergeben hatten.
Quelle:
5. Hohenheimer Ernährungsgespräch
„Ernährungsrisiken in der Schwangerschaft“
30. Mai 2011,Universität Hohenheim,Stuttgart
Nationale Verzehrsstudie (NVS) II, Ergebnisbericht Teil 1 und 2,
Max-Rubner-Institut, Karlsuhe 2008
Shah P.S. et al. Effects of prenatal multimicronutrient
supplementation on pregnancy outcomes: a meta-analysis. CMAJ. 2009
Jun 9;180(12):E99-108.
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