Schon seit über einem Jahrhundert stellen sich Wissenschaftler die Frage: Wie gelingt es der gemeinen Napfschnecke (Patella vulgata) sich felsenfest an Meeresküsten anzuhaften und sich bei Bedarf – immer noch haftend – zur Nahrungsaufnahme fortzubewegen? Bisher wurde oft eine Saugwirkung oder Kontraktion des muskulösen Schneckenfußes vermutet. Einem Forscherteam ist es jetzt gelungen nachzuweisen, dass ein besonderer Pedalschleim der Napfschnecke erlaubt – je nach Gezeiten oder Gefahrensituation – zwischen permanenter und temporärer Adhäsion zu wechseln. Hierzu hat das Team um Victor Kang (University of Cambridge) und Birgit Lengerer (Universität Innsbruck) erstmals eine detaillierte Charakterisierung des Bio-Klebstoffs vorgenommen.
Bestandteile des Napfschneckenklebstoff erstmals katalogisiert
Wie andere Hydrogele besteht der Pedalschleim der Napfschnecke zu 90 bis 95 Prozent aus Wasser. Den Rest machen Proteine, Kohlenhydrate und anorganisches Material aus. Doch jedes Hydrogel ist ein für sich komplexes System, dessen Funktion von der Wechselwirkung seiner Bestandteile abhängt. Um den Bio-Klebstoff der Napfschnecke besser zu verstehen, haben die Wissenschaftler aus ihm 171 Proteinsequenzen und spezielle Kohlenhydrate katalogisiert. Die entscheidenden molekularen Unterschiede, die zum Wechsel zwischen temporärer und permanenter Adhäsion führen, konnten die Wissenschaftler zwar noch nicht identifizieren, doch vermuten sie, dass die Flexibilität des Klebstoffs an besondere Enzyme geknüpft ist, die Proteine abbauen können. Zudem sollen es spezielle Kohlenhydrate der Napfschnecke ermöglichen, sich bei Bedarf abzukoppeln und sich auf dem sonst festen Schleim fortzubewegen.*
Eins ist sicher: Die Erkenntnisse der Wissenschaftler sind ein weiterer, wichtiger Schritt für die Forschung und Entwicklung innovativer biobasierter Klebstoffe mit ganz besonderen Eigenschaften.
*Quelle: Kang, Victor; Lengerer, Birgit; Wattiez, Ruddy und Flammang, Patrich: Molecular insights into the powerful mucus-based adhesion of limpets (Patella vulgata L.), 2020.