Gesetz wird Wettbewerb bei Biosimilars fördern

Für patentfreie biologische Arzneimittel gibt die
gesetzliche Krankenversicherung (GKV) derzeit jährlich vier
Milliarden Euro aus. Das liegt auch am bisher schwach ausgeprägten
Wettbewerb, wie eine aktuelle Analyse des Wissenschaftlichen
Instituts der AOK (WIdO) zeigt: Käme konsequent das preiswerteste
vergleichbare biosimilarfähige Arzneimittel in der Therapie zum
Einsatz, könnten jährlich 750 Millionen Euro zusätzlich eingespart
werden – und dies ohne Qualitätseinbußen für die Patienten. Das vom
Gesundheitsministerium geplante Gesetz für mehr Sicherheit in der
Arzneimittelversorgung (GSAV) sieht eine verpflichtende Substitution
von hochpreisigen biologischen Arzneimitteln (Biologika) durch
hochwertige Biosimilars (Zweitanbieter von biologischen
Arzneimitteln) in der Apotheke vor. „Damit wird dann endlich mehr
Wettbewerb auch bei biologischen Arzneimitteln möglich“, so Helmut
Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des WIdO. „Die aus
anderen europäischen Ländern bekannten Preisnachlässe können dann
auch in Deutschland auf diesem stetig wachsenden Markt realisiert
werden. Einsparungen von bis zu 2,9 Milliarden Euro pro Jahr könnten
schon heute erzielt werden.“ Die vorgesehene Lösung schaffe damit
finanziellen Spielraum für Arzneimittelinnovationen an anderer
Stelle. Ein Wermutstropfen ist allerdings, dass diese Regelung
bedauerlicherweise erst nach einem Übergangszeitraum von drei Jahren
in Kraft tritt.

In den letzten 13 Jahren sind bereits bei einigen hochpreisigen
Biologika die Patentfristen abgelaufen. Gleichzeitig kamen
Zweitanbieter von biologischen Arzneimitteln, sogenannte Biosimilars
nach Zulassung auf den deutschen Markt. Mit dem Start der ersten
Biosimilars des deutschland- und weltweit umsatzstärksten Biologikums
Humira (Wirkstoff: Adalimumab) im Oktober 2018 steigt der Markt auf
ein neues Niveau. Mit aktuellen Nettokosten von 4,0 Milliarden Euro
erreichen biosimilarfähige Arzneimittel damit einen Marktanteil von
10 Prozent des gesamten GKV-Arzneimittelmarktes in Höhe von 39,4
Milliarden Euro. Arzneimittelexperte Schröder weiß: „Die
Herausforderungen sind dabei weniger die Verordnungsmengen des
Wirkstoffs als vielmehr die konstant hohen Preise für
Originalbiologika, die sich oftmals auch nach Auslauf des
Patentschutzes halten.“ Normalerweise gehen Experten nach Ende der
Marktexklusivität von einsetzendem Wettbewerb und sinkenden
Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen aus. Doch der
Wettbewerb im biosimilarfähigen Markt entwickelt sich nur schleppend
und die Preise liegen bislang meist nur geringfügig unter denen der
Originalanbieter, obwohl Biosimilars im Schnitt nur ein Viertel der
Forschungs- und Entwicklungskosten ihrer Referenzprodukte
verursachen.

Wettbewerb nur gering ausgeprägt

So bleiben die Kosteneinsparungen weit hinter den Möglichkeiten
zurück: Eine aktuelle Auswertung des WIdO vergleicht die realen
Preise und Verordnungsmengen von Originalbiologika und preiswerteren
Biosimilars (Schröder et al. 2019). Demnach wurden im Zeitraum Juli
2017 bis Juni 2018 Einsparungen in Höhe von 141 Millionen Euro
realisiert. Dies entspricht lediglich einem Anteil von 4,9 Prozent
des gesamten biosimilarfähigen Marktes in diesem Zeitraum.

Biosimilars werden also vergleichsweise zurückhaltend verordnet.
Ihr durchschnittlicher Verordnungsanteil innerhalb der jeweiligen
Wirkstoffe liegt im Durchschnitt nur bei 15 Prozent gegenüber den
Originalbiologika. Gleichzeitig zeigt sich aber auch: Die
Marktdurchdringung der Biosimilars steigt mit einer zunehmenden Zahl
von Wirkstoff-Anbietern. Außerdem vergrößert sich auch der
Preisabstand zum Originalprodukt. Je intensiver der Wettbewerb ist,
desto preisgünstiger werden die Biosimilars und desto häufiger werden
sie verordnet.

Die Analyse offenbart, dass der Wettbewerb bei Biosimilars noch
relativ gering ausgeprägt ist. Lediglich bei zwei Wirkstoffen sind
aktuell mehr als eine Handvoll Anbieter vertreten, im Durchschnitt
sind es nicht einmal drei – einschließlich des einstigen
Patentschutzinhabers. Gleichwohl könnten selbst mit der bestehenden
Anbieterstruktur, basierend auf dem Preis- und Produktstand vom
Dezember 2018, pro Jahr weitere 758 Millionen Euro zusätzlich
eingespart werden, wenn man systematisch das preiswerteste Biologikum
in der Therapie einsetzen würde.

Höhere Einsparungen möglich

Auch am Beispiel des seit Jahren umsatzstärksten Biologikums
Adalimumab (Humira) zeigt die WIdO-Analyse, dass es offenbar
Spielraum für deutlichere Preisnachlässe gibt. Im Mittel über alle
Biologika im Wettbewerb liegen diese aktuell bei 17,1 Prozent, bei
Adalimumab werden jedoch schon 37 Prozent erreicht. Bei den
biosimilarfähigen Wirkstoffen gibt es bis zu sieben verschiedene
pharmazeutische Hersteller. Geht man dementsprechend von
Verordnungsmengen für alle wirkstoffgleichen Arzneimittel und einem
möglichen Preisabschlag von 30 Prozent auf die DDD-Kosten der
Originalanbieter vor Patentablauf aus, wie er auch in anderen Ländern
erreicht wird (GaBi Online 2018, Vogler und Schneider 2017), würde
sich daraus ein Einsparvolumen in Höhe von mehr als einer Milliarde
Euro für alle zurzeit biosimilarfähigen Arzneimittel ergeben. Und
werden Rabattsätze unterstellt, wie sie aus Großbritannien oder
Norwegen bekannt sind, scheinen sogar Preisnachlässe von mehr als 70
Prozent möglich zu sein (GaBi Online 2015, National Health Service
2018). Nach Berechnung des WIdO könnten mit einem durchschnittlichen
Preisabschlag von 70 Prozent Einsparungen in Höhe von 2,9 Milliarden
Euro realisiert werden.

Austauschbarkeit durch Biosimilars möglich

Nun sieht der Regierungsentwurf zum GSAV aus dem Januar 2019 nach
einem Übergangszeitraum von drei Jahren die Austauschmöglichkeit bzw.
verpflichtende Substitution von Biologika durch Biosimilars in der
Apotheke vor. „Biosimilars können sowohl zur Neueinstellung als auch
im Austausch für das Originalbiologikum eingesetzt werden.
Voraussetzung dafür ist, dass nach erfolgreicher Zulassung der
Gemeinsame Bundesausschuss die Austauschbarkeit positiv bewertet.
Dies würde im Endeffekt den Wettbewerbsdruck auf die pharmazeutischen
Hersteller enorm erhöhen und die Kosten der gesetzlichen
Krankenkassen erheblich senken, bei gleichbleibend hoher Qualität der
Therapie für Patientinnen und Patienten“, erklärt Schröder. Dass die
Behandlungsqualität bei einem Austausch für die Patienten gleich hoch
ist, wurde bereits für mehrere Biologika-Wirkstoffe durch Studien
belegt (Paul-Ehrlich-Institut 2018). Die Arzneimittelkommission der
deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) empfiehlt in ihrem Leitfaden Biosimilars
sowohl bei der Erstverordnung von Biologika als auch bei der
Folgeverordnung zur Fortsetzung der Therapie (Arzneimittelkommission
der deutschen Ärzteschaft 2017).

Ein weiteres Ergebnis der WIdO-Analyse, bei der mehr als eine
Million AOK-versicherte Patienten, die eine Therapie mit
biosimilarfähigen Wirkstoffen (Produktstand: Dezember 2018) im
Zeitraum Juni 2017 bis Juli 2018 erhalten haben, berücksichtigt
wurden: Knapp 55 Prozent wurden erstmals mit diesen Arzneimitteln
behandelt. Weniger als die Hälfte hatte auch in den zwölf Monaten
zuvor bereits mindestens eine Verordnung des entsprechenden
Wirkstoffs erhalten. Zudem ist bei der Mehrheit der Patienten mit
Erstverordnung oder Neueinstellung eine enge Begleitung durch den
Arzt gewährleistet und die Substitution in der Apotheke ohne großen
Aufwand zu bewerkstelligen. Sie wird im generischen Marktsegment
bereits seit 2007 erfolgreich praktiziert.

Mehr Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung

Für den Experten vom WIdO stellt der vorliegende Gesetzentwurf
einen wichtigen Schritt zu mehr Wirtschaftlichkeit in der
Arzneimittelversorgung dar. „Unter diesen Bedingungen kann zukünftig
das bewährte Instrument der Rabattverträge auch im Biosimilarmarkt
erfolgreich genutzt werden. Am Beispiel Humira wird deutlich, dass
noch viel Luft in den Preisen steckt.“ Das Arzneimittel des
pharmazeutischen Herstellers AbbVie erreichte im Jahr 2017 einen
weltweiten Umsatz von rund 16 Milliarden Euro, allein in Deutschland
lag der Umsatz für die Versicherten der gesetzlichen
Krankenversicherung bei gut einer Milliarde Euro. Laut Ernst & Young
erlangte AbbVie 2017 mit einer EBIT-Marge von 37,7 Prozent den
fünften Platz unter den profitabelsten Unternehmen der Pharmabranche
(Durchschnittliche EBIT-Marge: 26,5 Prozent).
„Arzneimittelrabattausschreibungen können helfen, die Preise und
damit unangemessen hohe Gewinne zu reduzieren. Gleichzeitig wird mit
ihnen der finanzielle Raum geschaffen, um auch zukünftig hochwertige
neue Arzneimitteltherapien zahlen zu können“, so Schröder.
Rabattverträge reduzieren die GKV-Ausgaben für Arzneimittel im
Marktsegment der Generika heute bereits um jährlich rund 10 Prozent.

Hinweis für die Redaktionen:

Die vollständige Pressemitteilung inklusive der Abbildungen finden
Sie online auf http://ots.de/7zqHnI.

Mit dem frei zugänglichen PharMaAnalyst
(https://arzneimittel.wido.de/PharMaAnalyst/) des WIdO können eigene
Analysen zu Verordnungshäufigkeit und Umsätzen der relevantesten
Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen der Jahre 2016 und 2017 durchgeführt
werden.

Pressekontakt:
Wissenschaftliches Institut der AOK
Dr. Kai Behrens
Tel.: 030/34646-2309
Fax.: 030/34646-3322309
E-Mail: presse@wido.bv.aok.de

Original-Content von: Wissenschaftliches Institut der AOK, übermittelt durch news aktuell

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