Krems, 19. Mai 2020 – Zwei Drittel der Gehirnmetastasen zeigen nach Gabe von 5-Aminolävulinsäure eine Fluoreszenz, die für Operateure potenziell hilfreich bei der Identifizierung sein könnte. Doch ist diese Fluoreszenz oft sehr ungleichmäßig verteilt oder schwach – was den Nutzen in der Praxis limitiert. Das ist das Ergebnis einer großen Studie der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften Krems (KL Krems) unter der Leitung der Medizinischen Universität Wien. Mit über 150 Patientinnen und Patienten ist die im Journal of Neurosurgery veröffentlichte Studie die weltweit bisher umfangreichste ihrer Art und liefert aussagekräftige Ergebnisse. Diese bilden eine wertvolle Grundlage für die Weiterentwicklung dieser potenziell hilfreichen Technologie.
Gehirnmetastasen sind die häufigsten Tumore im Gehirn und treten bei 20 bis 40 Prozent aller systemischen Krebserkrankungen auf. Oftmals werden sie durch chirurgische Eingriffe entfernt, was eine wichtige Behandlungsoption neben Strahlentherapie, Gamma Knife oder Chemotherapie darstellt. Sie gelten dabei als zumeist gut operativ entfernbar, da sich Metastasen vom umgebenden Gewebe häufig gut abgrenzen lassen. Doch vor kurzem wurde festgestellt, dass nach ca. 20 Prozent aller chirurgischen Entfernungen kleine Resttumore verbleiben. Eine Möglichkeit, Chirurginnen und Chirurgen auch diese schwer entdeckbaren Tumorteile bei der Operation erkennbar zu machen, könnte es sein, die Operation nach Gabe von 5-Aminolävulinsäure (5-ALA) durchzuführen. Diese Substanz erzeugt speziell in Tumorzellen eine leicht erkennbare Fluoreszenz und erlaubt es so, Tumorreste besser zu erkennen. Für Primärtumore im Gehirn ist diese Technik bereits etabliert, doch für Gehirnmetastasen wurde sie noch nicht ausreichend systematisch untersucht. Genau das hat nun ein Team der KL Krems und der MedUni Wien in der weltweit größten Studie ihrer Art gemacht – und ist zu ernüchternden Ergebnissen gekommen.
Metastasen markieren
„In zwei Drittel aller mit 5-ALA vorbehandelten Metastasen konnten wir eine sichtbare Fluoreszenz nachweisen“, erläutert der Erstautor der im Journal of Neurosurgery veröffentlichten Arbeit, Dr. Franz Marhold (Klinische Abteilung für Neurochirurgie des Universitätsklinikum St. Pölten der KL Krems), „doch war diese Fluoreszenz wenig intensiv oder oftmals ungleichmäßig verteilt, was den Nutzen in der Praxis derzeit leider beschränkt.“ Tatsächlich untersuchte das Team insgesamt 157 Gehirnmetastasen bei 154 Patientinnen und Patienten. Bei 104 Gehirnmetastasen wurde eine 5-ALA Fluoreszenz nachgewiesen, bei 53 Tumoren nicht. Bei über 80 Prozent der Metastasen war die Fluoreszenz jedoch so ungleichmäßig verteilt, dass diese Information für Chirurginnen und Chirurgen wenig hilfreich für die Tumorentfernung ist.
Ein wesentliches Merkmal dieser umfassenden Studie war dabei jedoch, dass die untersuchten Fluoreszenzkriterien (Vorhandensein, Intensität, Verteilung) mit den verschiedenen Krebsarten des Primärtumors in Verbindung gebracht werden konnten. Dazu Prof. Georg Widhalm, Universitätsklinik für Neurochirurgie der MedUni Wien und Leiter der Studie: „Wir untersuchten vor allem Gehirnmetastasen von Lungen-, Brust-, Darm-, Haut- und Nierenkrebsbetroffenen. Die Auswertung der Fluoreszenzmarkierung zeigte, dass diese bei Metastasen von bestimmten Brustkrebstumoren am häufigsten und bei solchen von Hautkrebstumoren am seltensten zu erkennen war. Die unregelmäßige Verteilung und schwache Intensität der Fluoreszenz im Tumor hingegen war für alle Krebsarten ähnlich.“
Gute Grundlage
Die Ursache für die oftmals schwache Fluoreszenz bei Gehirnmetastasen konnte im Rahmen der Studie nicht ermittelt werden, doch erlauben die gesammelten Daten und Tumorproben mögliche Ursachen zukünftig zu untersuchen. Gleiches gilt für die Ungleichmäßigkeit der Fluoreszenz innerhalb einzelner Metastasen. „Hier vermuten wir, dass es innerhalb des Tumors eine unterschiedliche Verteilung bestimmter Stoffwechselprodukte gibt, die mit 5-ALA reagieren und somit eine unterschiedliche Verteilung der Fluoreszenz bewirken“, meint Dr. Marhold. Auch dies soll in zukünftigen Arbeiten geklärt werden.
Insgesamt zeigt die Arbeit des Teams um Dr. Marhold und Prof. Widhalm den hohen praktischen Bezug der neuroonkologischen Forschung an der KL Krems und der MedUni Wien. Diese greift Bedürfnisse des Klinikalltags auf und leistet einen wesentlichen Beitrag dazu, Behandlungsoptionen zu entdecken, zu entwickeln, zu verbessern und zu beurteilen.
Fotos auf Anfrage verfügbar.
Originalpublikation: Detailed analysis of 5-aminolevulinic acid induced fluorescence in different brain metastases at two specialized neurosurgical centers: experience in 157 cases. F. Marhold, P.A. Mercea, F. Scheichel, A.S. Berghoff, P. Heicappell, B. Kiesel, M. Mischkulnig, M. Borkovec, S. Wolfsberger, A. Woehrer, M. Preusser, E. Knosp, K. Ungersboeck, G. Widhalm. J Neurosurg. doi: 10.3171/2019.6.JNS1997.
Wissenschaftlicher Kontakt
Dr. Franz Marhold
Klinische Abteilung für Neurochirurgie
Universitätsklinikum St. Pölten – Lilienfeld
Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften
Dunant-Platz 1
3100 St. Pölten
T +43 2742 9004-12961
E franz.marhold@stpoelten.lknoe.at
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