Die durchschnittliche Lebenserwartung für Menschen mit
Mukoviszidose liegt in Deutschland heute bei 50 Jahren. Dies ist
erfreulich und folgenschwer zugleich, denn es mangelt bundesweit an
ausreichenden Versorgungsstrukturen für die zunehmende Anzahl
erwachsener Patienten. Vor zwei Jahren hat der Mukoviszidose e.V.
bereits mit einer Petition an den Deutschen Bundestag auf diesen
Missstand aufmerksam gemacht – und bis heute ist nichts passiert.
Dass Mukoviszidose aufgrund der Fortschritte in der Medizin keine
reine Kinderkrankheit mehr ist, ist bereits seit einigen Jahren
offensichtlich: waren 1995 nur 28 % der Patienten älter als 18 Jahre,
hat sich diese Zahl in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt auf 57 %
in 2016. (Diese und weitere Zahlen zur Lebenserwartung im
Berichtsband 2017 aus dem Deutschen Mukoviszidose-Register:
https://www.muko.info/berichtsband)
Dieser positiven Entwicklung auf Therapieebene hinkt die
Etablierung ausreichender Versorgungsstrukturen deutlich hinterher.
So werden auch heute noch viele erwachsene Patienten in der Pädiatrie
behandelt, weil es in vielen Kliniken an räumlichen Kapazitäten,
finanziellen Mitteln oder geschultem Personal mangelt, um Menschen
mit der angeborenen Stoffwechselerkrankung zu versorgen.
Ambulante Versorgung nicht ausreichend finanziert
„Der wichtigste Schritt, um die Versorgung erwachsener
Mukoviszidose-Patienten zu verbessern, ist eine adäquate Finanzierung
der ambulanten Versorgung – davon sind wir in Deutschland leider weit
entfernt“, ist Dr. Silke van Koningsbruggen-Rietschel, Pädiatrische
Pneumologin am Mukoviszidose-Zentrum und Leiterin des
CF-Studienzentrums am Universitätsklinikum Köln, überzeugt. „Die
Betroffenen brauchen ein multidisziplinäres Behandler-Team, das neben
dem Fachärztlichen auch die Bereiche Physio- und Ernährungstherapie
sowie die psychosoziale Beratung abdeckt. Je älter die Patienten
werden, desto komplexer wird die Betreuung, weil Folge- und
Begleiterkrankungen zunehmen. Hier brauchen wir dringend
Unterstützung aus der Politik.“
Um diese Unterstützung hat der Mukoviszidose e.V. im März 2017 den
Deutschen Bundestag ersucht: mit einer Petition hat der Verein dazu
aufgerufen, die Versorgungsstrukturen für die Betroffenen bundesweit
einheitlich und nachhaltig zu sichern. Obwohl Vertreter des Vereins
im Petitionsausschuss die aktuelle Versorgungsproblematik detailliert
dargelegt haben, hat die Politik bislang nicht auf das Anliegen
reagiert – ein Beschluss des Bundestages zur Petition steht bis heute
aus.
„Dass dieses wichtige Thema zwei Jahre später noch immer in der
Luft hängt, ist traurig und bestürzend zugleich – denn die
Versorgungssituation hat sich in der Zwischenzeit massiv zugespitzt.
Viele Ambulanzen versorgen Patienten am Rande ihrer Belastungsgrenze.
An manchen Standorten droht die Versorgung erwachsener Patienten
sogar völlig zusammenzubrechen“, so Stephan Kruip, Bundesvorsitzender
des Mukoviszidose e.V. und selbst von der Erbkrankheit betroffen, und
ergänzt: „Diese Situation kommt einem Systemversagen gleich.“
Weitere Zuspitzung der Versorgungssituation ist zu erwarten
Sehr besorgt sind vielerorts auch Patienten und Ärzte, mit denen
der Mukoviszidose e.V. in engem Austausch steht. So demonstrierten im
September 2018 über 150 Mukoviszidose-Betroffene in München vor der
Mukoviszidose-Ambulanz der Ludwig-Maximilians-Universität, da dort
die Erwachsenenversorgung aufgrund personeller Unterbesetzung akut
gefährdet ist. Auch in Augsburg konnte erst im letzten Moment
verhindert werden, dass die Versorgung der erwachsenen Patienten
zusammenbricht. Hier hatte die Kassenärztliche Vereinigung Bayern
angekündigt, die Behandlung der Erwachsenen an der Kinderklinik am
Josefinum einzustellen – und das obwohl keine geeigneten Strukturen
an anderen Standorten für eine Weiterversorgung der Patienten zur
Verfügung stehen. Zwar konnte mit Unterstützung des Mukoviszidose
e.V. eine Ausnahmeregelung bis zum Frühjahr 2020 erwirkt werden, die
Versorgung ist damit aber alles andere als langfristig gesichert.
Von einer weiteren Verschärfung der Versorgungssituation ist ohne
entsprechende Gegenmaßnahmen auszugehen, darauf deuten
Datenauswertungen aus dem Deutschen Mukoviszidose-Register hin. Heute
in Deutschland Neugeborene mit Mukoviszidose haben mittlerweile eine
Lebenserwartung von 50 Jahren – und die wird mit einer weiteren
Verbesserung der kausalen Therapie in Zukunft vermutlich weiter
steigen.
„Endlich haben Mukoviszidose-Betroffene heute gute Chancen, ein
mittleres Erwachsenenalter zu erreichen, doch diese großartige
Nachricht wird getrübt durch das Signal des Gesundheitssystems: Wir
wollen eigentlich gar nicht, dass ihr erwachsen werdet.“, resümiert
Kruip. „Daher unser dringlicher Appell an die Politik: Nehmen Sie
sich der Sorgen der Mukoviszidose-Patienten an, und schaffen Sie
gesicherte Versorgungsstrukturen!“
Mit diesem Aufruf steht Kruip nicht allein: Auch der Deutsche
Ethikrat fordert zuletzt in seiner Ad-hoc-Empfehlung eine gerechtere
Versorgung für Menschen mit seltenen Erkrankungen: So sollen Zentren
für Seltene Erkrankungen bundesweit eingerichtet und ausreichend
finanziert werden, um chronisch kranken Menschen, wie Patienten mit
Mukoviszidose, die Möglichkeit einer fachlich angemessenen und
langfristigen Versorgung zu bieten. (Die Ad-hoc-Empfehlung des
Ethikrats ist nachzulesen unter:
https://www.ethikrat.org/mitteilungen)
Hintergrund-Informationen
Über Mukoviszidose
In Deutschland sind bis zu 8.000 Kinder, Jugendliche und
Erwachsene von der unheilbaren Erbkrankheit Mukoviszidose betroffen.
Durch eine Störung des Salz- und Wasserhaushalts im Körper bildet
sich bei Mukoviszidose-Betroffenen ein zähflüssiges Sekret, das
Organe wie die Lunge und die Bauchspeicheldrüse irreparabel schädigt.
Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 150 bis 200 Kinder mit der
seltenen Krankheit geboren.
Über den Mukoviszidose e.V.
Der Mukoviszidose e.V. vernetzt die Patienten, ihre Angehörigen,
Ärzte, Therapeuten und Forscher. Er bündelt unterschiedliche
Erfahrungen, Kompetenzen sowie Perspektiven mit dem Ziel, jedem
Betroffenen ein möglichst selbstbestimmtes Leben mit Mukoviszidose
ermöglichen zu können. Damit die gemeinsamen Aufgaben und Ziele
erreicht werden, ist der gemeinnützige Verein auf die Unterstützung
engagierter Spender und Förderer angewiesen.
Pressekontakt:
Mukoviszidose e.V.
Carola Wetzstein
Telefon: +49 (0)228 9 87 80-22
Mobil: +49 (0)171 9582 382
E-Mail: CWetzstein@muko.info
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