Eine Note für den Komfort

Funktionelle Kleidung soll vor allem vor klimatischen Einflüssen schützen und die physiologischen Funktionen des menschlichen Körpers unterstützen. Für die Uniformen von Armeeangehörigen gilt das in besonderem Maße: selbst in gemäßigten Breiten sind Soldaten sehr unterschiedlichen Umgebungstemperaturen ausgesetzt – gleichzeitig schwankt der Grad der körperlichen Belastung innerhalb der Einsätze sehr stark. Funktionelle Uniformsysteme müssen diese Extreme auffangen und in jeder Situation die Leistungsfähigkeit der Soldaten sicherstellen.
Kurz gesagt: sie müssen dem Träger einen hohen Komfort bieten.
Soldaten brauchen keinen Komfort – oder doch?
Nach landläufiger Auffassung handelt es sich bei Komfort um die Bequemlichkeit, die auf der Existenz von bestimmten Geräten, Gegenständen oder Einrichtungen beruht. Aus physiologischer Sicht wird der Begriff jedoch viel grundlegender verstanden; Nämlich als das Fehlen von Faktoren, die sich auf den Träger als ablenkend, unangenehm oder gesundheitlich schädigend auswirken können.
Aus der Sportwissenschaft stammt zudem die Erkenntnis, dass sich die Leistungsfähigkeit durch Kleidung mit hohem physiologischem Komfort effektiv steigern lässt. Schlechter Komfort korreliert dagegen direkt mit einer Abnahme der Konzentration und Kondition, körperlichen Ausfallerscheinungen, anhaltenden Gesundheitsschäden bis hin zum Tod. Aber auch schon ein unangenehmes Empfinden auf der Haut von kratzigen oder zu steifen Materialien kann ablenkend wirken und die Akzeptanz der Uniform beim Träger beeinträchtigen.
Mangelnder physiologischer Komfort und seine Folgen
Bereits geringe Einbußen an Konzentration und Kondition können im Kampfeinsatz aufgrund von Fremdeinwirkung fatale Folgen haben. Ist die Kleidung nicht optimal auf das Umgebungsklima und die körperliche Aktivität abgestimmt, kann der daraus resultierende mangelnde physiologische Komfort aber auch an sich gravierende Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und die Gesundheit der Soldaten haben:
Auf dem Weg zu einer einsatzfähigen, konzentrierten und leistungsfähigen Truppe erweist sich somit die menschliche Konstitution als schwächstes Kettenglied. Eine Modernisierung der technischen Ausrüstung und weitere Funktionalisierung der Uniformen führt ohne eine entsprechend Optimierung des Komforts in eine Sackgasse.
Wie kann funktionelle Kleidung die Thermoregulation unterstützen?
Kleidung mit einem hohen physiologischen Komfort unterstützt ihren Träger insbesondere effektiv bei der Thermoregulation. Unter diesem Begriff werden alle physiologischen Vorgänge zusammengefasst, die dem Körper dabei helfen, die Temperatur im Körperinneren bei ca. 37OC konstant zu halten. Dazu zählt z. B. das Schwitzen bei Hitze oder das Zusammenziehen der Blutgefäße der Haut bei Kälte.
Die Eigenschaften von Bekleidung hinsichtlich des physiologischen Komforts werden von zahlreichen Konstruktionsparametern bestimmt. Durch die Art der verwendeten Fasern sowie Dicke, Ausrüstung, Webart und Porenanteil der Textilien lässt sich deren Wärmeisolation und die Fähigkeit zum Abtransport des Körperschweißes effektiv steuern.
Bei geringen Umgebungstemperaturen und mäßiger körperlicher Aktivität soll die Kleidung eine hohe Wärmeisolation und eine gute Atmungsaktivität besitzen, um den gasförmigen Schweiß effektiv an die Umgebungsluft abzugeben. Bei stärkerem Schwitzen infolge höherer Umgebungstemperaturen und/oder erhöhter Aktivität muss das Material zusätzlich in der Lage sein, die verstärkte Abgabe von Schweiß (dampfförmig und flüssig) abzupuffern. Große Mengen von Schweiß, verursacht durch hohe Umgebungstemperaturen und/oder körperliche Aktivität, müssen effektiv aufgenommen und vom Körper weggeleitet werden. Des Weiteren muss die Bekleidung schnell trocknen, um ein Auskühlen in Ruhephasen zu verhindern.
Neben den (thermo-)physiologischen Eigenschaften von Textilien darf aber auch deren Empfinden auf der Haut, die sogenannte Hautsensorik, nicht vernachlässigt werden. So werden zu glatte, auf der Haut „anklebende“ Textilien als ebenso unangenehm empfunden wie zu kratzige oder steife Materialien.
Wie lässt sich der Tragekomfort von Uniformen objektiv bewerten und optimieren?
Um die physiologischen Eigenschaften, d. h. das Feuchte- und Wärmemanagement, von Textilien und konfektionierten Kleidungsstücken, objektiv und kostengünstig beurteilen können stehen eine Reihe international anerkannter Prüfmethoden zur Verfügung. Diese wurden zum Großteil von den Wissenschaftlern der Hohenstein Institute in Bönnigheim (Deutschland) entwickelt. Die daraus resultierenden Messergebnisse fließen in die sogenannte Komfort-Note ein, die u. a. mit dem Hohenstein Qualitätslabel ausgewiesen wird.
Das Hautmodell simuliert die Wärmeabgabe der menschlichen Haut. Es besteht aus einer porösen Sintermetallplatte, die elektrisch beheizt wird und über ein Wasserzufuhrsystem die Schweißabgabe in den oben erläuterten, verschiedenen Intensitätsstufen nachgestellt. Um präzise und reproduzierbare Messungen zu ermöglichen, ist das Hautmodell in einen Klimaschrank eingebaut.
So können neben der Wärmeisolation, dem Wasserdampfdurchgangswiderstand (Atmungsaktivität) auch die Schweißpufferung, der Schweißtransport sowie die Trocknungszeit gemessen werden- d. h. alle Anforderungen, die an funktionelle Textilien gestellt werden.
Auch die hautsensorischen Eigenschaften von Textilien lassen sich im Labor objektiv beurteilen. Die verschiedenen menschlichen Kontaktempfindungen werden dabei mit Hilfe von fünf Indizes abgebildet:
– Der Klebeindex zeigt, wie stark ein Textil auf schweißfeuchter Haut anklebt.
– Mit dem Benetzungsindex wird über die Zeit und den Kontaktwinkel gemessen, wie schnell ein Wassertropfen vom Textil aufgenommen wird.
– Der Oberflächenindex zeigt die Haarigkeit/Glattheit eines Textils.
– Die Anzahl der Kontaktpunkte zwischen Textil und Haut gibt an, wie schnell sich ein Textil klamm und feucht anfühlen wird.
– Die Steifigkeit ist wichtig für die Anpassung des Textils an den Körper.
Eine Note für den Tragekomfort – wie geht das?
Eine besondere Herausforderung stellt die Zusammenführung und Interpretation der gesammelten Messergebnisse dar. Auf Grundlage der Erkenntnisse aus umfangreichen Trageversuchen fließen die einzelnen Kennzahlen dabei zu einer Note für den Tragekomfort zusammen. Wie im deutschen Schulnotensystem reicht diese von 1 (= sehr gut) bis 6 (= ungenügend) und liefert eine quantitative Beurteilung der physiologischen Qualität eines Textilproduktes.
Bei der Produktentwicklung definieren die Wissenschaftler der Hohenstein Institute für Textilien abhängig von den Einsatzbedingungen konkrete Anforderungsprofile hinsichtlich thermophysiologischer und hautsensorischer Faktoren. Dieses Know-how ist weltweit einmalig und das Ergebnis jahrzehntelanger Forschungstätigkeit:

Bereits seit 1946 beschäftigt man sich an den Hohenstein Instituten in Bönnigheim (Deutschland) mit den Zusammenhängen zwischen Körper, Klima und Kleidung. Sämtliche genannten Messmethoden wurden von den Hohenstein Wissenschaftlern entwickelt. Ihr Knowhow im Bereich der Faser- und Garnherstellung, Ausrüstung und Konfektion floss in den vergangenen Jahrzehnten in zahlreiche innovative Funktionstextilien wie Membran- und Mehrschicht-Materialien oder auch spezieller UV-Schutzkleidung ein.
Heute sind die Hohenstein Institute mit 28 Auslandsbüros in 23 Ländern das weltweit führende Forschungs- und Dienstleitungszentrum im Bereich funktionalisierter Textilien. Zu den rund 4.500 Kunden und Forschungspartnern gehören zahlreiche Zulieferer internationaler Streitkräfte sowie deren Beschaffungsorganisationen. Diese profitieren dabei nicht nur vom Expertenwissen der Hohensteiner Wissenschaftler im Bereich der Bekleidungsphysiologie, d.h. der planmäßigen Konstruktion funktioneller Kleidung, sondern auch im Bereich Passform, Verarbeitung, UV- und Insektenschutz, Pflege und Wiederaufbereitung von Textilien, Farbmessung und vielem mehr.

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