Gemeinsam mit neun Unternehmen und gefördert vom
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend BMFSFJ
analysierte Fraunhofer organisationsspezifische Gründe für den
geringen Frauenanteil in deutschen Führungsetagen. Auf der
Abschlusskonferenz am 30. Oktober in Berlin stellen die Expertinnen
Ergebnisse und mögliche Gegenmaßnahmen vor.
Unternehmenskultur und Maßnahmen für einen höheren Anteil von
Frauen in Führungspositionen hängen eng zusammen. Diese These wurde
im Projekt nachvollziehbar belegt. Aber Karrierebrüche von Frauen
haben nicht in allen Betrieben die gleichen Ursachen. Entscheidend
sind spezifische Merkmale der Unternehmenskultur, also ob eher
Offenheit, Konformismus, Innovationsorientierung, Hierarchie oder
Traditionalismus den Umgang in den Firmen prägen. »Unsere Ergebnisse
zeigen, dass jedes Unternehmen, Maßnahmen einführen und umsetzen
sollte, die zur jeweils eigenen Kultur passen. Nicht alle Lösungen
funktionieren bei allen gleich gut «, sagt die wissenschaftliche
Leiterin des Projekts Prof. Dr. Martina Schraudner von Fraunhofer.
»Unternehmenskulturen verändern – Karrierebrüche vermeiden«, so
der Titel des Projekts, in dem 220 weibliche und männliche
Führungskräfte in neun Unternehmen eingehend befragt wurden. Die
Partner waren: Allianz Deutschland AG, BASF SE, Bayer AG, Robert
Bosch GmbH, Daimler AG, Deutsche Bahn AG, EADS, Infineon Technologies
AG und Microsoft.
Die Analyse der Interviews ergab vier idealtypische
Unternehmenskulturen: Die offene Hochleistungskultur ist dynamisch,
offen, liberal stellt aber hohe Flexibilitäts- und
Leistungsanforderungen an alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Frauen können diese schwerer erfüllen, weil sie häufiger die
Verantwortung und Fürsorge für die Familie übernehmen.
In der konformistischen Formalkultur herrschen starke
Konformitätsanforderungen und Verhaltensnormen, die von männlichen
Mehrheiten definiert sind. Die Strukturen sind formal, bürokratisch,
angepasstes Verhalten wird belohnt. Frauen fällt es schwerer diese
Anforderungen zu erfüllen. Ihre Verhaltensweisen und Perspektiven
werden in diesem Umfeld als ungewöhnlich und unpassend wahrgenommen.
Ein Grund, ihnen Führungskompetenz abzusprechen.
Ist ein Unternehmen von einer konservativen Ausschlusskultur
geprägt, heißt das: Geschlossene Männerzirkel behindern den Aufstieg
von Frauen. Traditionelle Vorstellungen über die Rolle von Frauen und
Männern prägen das Arbeitsumfeld.
Bei der veränderungsorientierten Bewahrungskultur stehen sich der
Wunsch nach Veränderung und konservativ-hierarchische Strukturen und
Werte gegenüber. Charakteristisch sind zum einen die hohen
Erwartungen der Mitarbeiterinnen an das Diversity-Engagement ihres
Arbeitgebers und zum anderen die Angst vor Machtverlust bei den
männlichen Mitarbeitern.
Kulturveränderungen für mehr Frauen in Führungspositionen
Als Idealtypen finden sich diese Muster in keinem Unternehmen in
Reinform. Unternehmenskulturen lassen sich jedoch anhand ihrer
charakteristischen Merkmale einzelnen Kulturmustern zuordnen. Für
jedes gibt es ein bestimmtes Set von erfolgsversprechenden
Handlungsoptionen, mit deren Hilfe Firmen das Ziel »mehr Frauen in
Führungspositionen« erreichen können.
In einer offenen Hochleistungskultur ist es beispielsweise
zielführend, die Personalpolitik stärker an Lebensphasen zu
orientieren. Das heißt, man berücksichtigt die Tatsache, dass
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht über die gesamte Erwerbsphase
immer in gleichem Maße einsatz- und leistungsfähig sind, sondern dies
über die Erwerbsbiographie hinweg variiert. Dazu gehört auch, späte
Karrieren zu ermöglichen.
In einer konformistischen Formalkultur wiederrum ist eine zentrale
Handlungsoption, Wertschätzung von unterschiedlichen Perspektiven und
Herangehensweisen zu erreichen. Dazu müssen die Verantwortlichen alle
Bewertungsverfahren im Stellenbesetzungsprozess gendersensibel
gestalten. Wichtige hierbei ist, Bewertungsgremien zum Beispiel in
Assessmentcentern gemischtgeschlechtlich zu besetzen und
Anforderungskriterien zu definieren, die nicht eindeutig männlich
oder weiblich konnotiert sind.
Um in einer konservativen Ausschlusskultur Veränderungen zu
bewirken, ist Grundvoraussetzung, dass sich die Unternehmensleitung
eindeutig und sichtbar zu den Zielen bekennt. Dann müssen Maßnahmen
und Aktivitäten zum Gender Diversity Management in einem
Top-down-Prozess festgelegt und umgesetzt werden. Ganz wesentlich ist
es, eine Gender-Diversity-Stelle einzurichten und fest in den
Organisationsstrukturen zu verankern.
In einer veränderungsorientierten Bewahrungskultur ist eine
wichtige Maßnahme, klar zu definieren und zu kommunizieren, welchen
ökonomischen Vorteil Diversity für das Unternehmen und auch jeden
männlichen Mitarbeiter bringt. Auf der Abschlusskonferenz wurden die
Ergebnisse aus den Interviews vorgestellt ebenso wie
Good-Practice-Maßnahmen der Partner, die sie bereits im Vorfeld und
während der Projektlaufzeit umgesetzt haben.
Den Abschlussbericht finden Sie hier:
www.unternehmenskulturen-veraendern.de
Pressekontakt:
Projektleiterin: Prof. Dr. Martina Schraudner
Telefon +49 30 680 796 90
martina.schraudner@zv.fraunhofer.de
Presse-Ansprechpartnerin: Solveig Wehking
Telefon +49 89 1205-1116
solveig.wehking@zv.fraunhofer.de