Neue Herausforderungen für das Verbot des Klonens zu Fortpflanzungszwecken durch jüngste Entwicklungen der Stammzellforschung?

Der Deutsche Ethikrat hat im Rahmen seiner
gestrigen Plenarsitzung eine öffentliche Anhörung zur Forschung an
humanen embryonalen Stammzellen durch Zellkerntransfer und an
induzierten pluripotenten Stammzellen durchgeführt sowie die sich
daraus eventuell ergebenden rechtlichen Herausforderungen diskutiert.

Vor dem Hintergrund der jüngsten Forschungsergebnisse bei der
Herstellung von humanen embryonalen Stammzellen (hES-Zellen) durch
Zellkerntransfer und von induzierten pluripotenten Stammzellen
(iPS-Zellen) hatte die Gesundheitsministerkonferenz den Deutschen
Ethikrat gebeten, die Entwicklungen auf diesen Gebieten zu bewerten.
Die Sorge der Gesundheitsminister richtete sich darauf, dass das
mithilfe dieser Methoden technisch denkbare Klonen von Menschen zu
Fortpflanzungszwecken möglicherweise durch die deutschen Gesetze,
insbesondere das Embryonenschutzgesetz und Stammzellgesetz, nicht
eindeutig verboten sein könnte.

In ihrer Einführung betonte Christiane Woopen, die Vorsitzende des
Deutschen Ethikrates, dass es nicht ausreiche, nur in Deutschland
klare Regeln zu haben, sondern dass es auch darauf ankomme, im
internationalen Kontext auf ein wirksames Verbot des reproduktiven
Klonens hinzuwirken.

Der Molekularbiologe und Stammzellforscher Hans Schöler, Direktor
des Max-Planck-Instituts für molekulare Biomedizin in Münster,
informierte über den Sachstand zu hES-Zellen durch Zellkerntransfer
und iPS-Zellen. Schöler erläuterte die biologischen Erkenntnisse zu
Pluripotenz und Totipotenz von Zellen und zu tetraploider
Embryokomplementierung. Er hielt es aus biologischen Gründen für
unwahrscheinlich, wenn auch nicht für ausgeschlossen, dass das
reproduktive Klonen von Menschen auf dem Wege der neuen Verfahren
technisch möglich werden könnte.

Der Jurist Ralf Müller-Terpitz von der Universität Mannheim
befasste sich mit einem möglichen gesetzlichen Regelungsbedarf.
Müller-Terpitz zufolge werden die neuen Forschungsmethoden von den
geltenden Gesetzen erfasst. Inkonsistenzen und Unklarheiten bestehen
jedoch unter anderem durch unterschiedliche gesetzliche Definitionen
zentraler Begriffe wie „Embryo“ und „Totipotenz“ im
Embryonenschutzgesetz und im Stammzellgesetz. Eine rechtliche
Präzisierung sei nicht zwingend, aber sinnvoll. Dabei solle von einer
strafrechtlichen auf eine öffentlich-rechtliche Regulierung
übergegangen werden.

Der Theologe Klaus Tanner aus Heidelberg, Vorsitzender der
Stammzellkommission am Robert-Koch-Institut, stellte ethische
Überlegungen zu einem möglichen Regulierungsbedarf vor. Die
Möglichkeit der technischen Erzeugung von biologischen
Entwicklungspfaden, die es als „Naturphänomen“ nicht gibt, führe
dazu, dass Begriffe wie „Potenzialität“ unklar werden. Deswegen müsse
man die an sie geknüpften Normen überdenken, damit die
Schutzinteressen gewahrt werden können. Er plädierte dafür, sich mehr
an Verantwortungs- und Handlungskontexten zu orientieren und weniger
an Überlegungen zum Status frühen menschlichen Lebens in vitro.

Im Zentrum der anschließenden Diskussion stand insbesondere das
Für und Wider einer Überarbeitung der gesetzlichen Regelungen. Mit
Blick auf das reproduktive Klonen gebe es zwar keinen zwingenden
Bedarf, wohl aber den Wunsch einer vereinheitlichenden Nachbesserung,
insbesondere bei den Begriffsdefinitionen. Diskutiert wurde auch,
inwieweit eine regelmäßige, die aktuellen wissenschaftlichen
Entwicklungen berücksichtigende Revision der gesetzlichen Regelungen,
wie sie auch in Frankreich etabliert ist, angemessen wäre.

Die Beiträge der Anhörung sowie die Diskussion können unter
http://ots.de/mM7pQ nachgehört und in Kürze auch nachgelesen werden.

Pressekontakt:
Ulrike Florian
Deutscher Ethikrat
Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Jägerstraße 22/23
D-10117 Berlin

Tel: +49 30 203 70-246
Fax: +49 30 203 70-252
E-Mail: florian@ethikrat.org
URL: www.ethikrat.org

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