Tumorzellen mit Anziehungskraft

St. Pölten, 15. November 2010 – Im Blut zirkulierende Tumorzellen können zukünftig in
kleinsten Mengen nachgewiesen und angereichert werden – dank magnetischer
Mikrostrukturen. Die Optimierung dieser Methode für die Verwendung bei verschiedenen
Tumorarten ist das Ziel eines Kooperationsprojekts der Fachhochschule St. Pölten mit den
PartnerInnen: Donau-Universität Krems, Austrian Institute of Technology und dem LKH
Krems. Für den Erfolg des heute in Atlanta, USA, auf einer internationalen Konferenz
vorgestellten Projekts ist vor allem eines wesentlich: die an der FH St. Pölten vorhandene
Kombination von Know-how zur digitalen Simulation komplexer Industrieprozesse und dem
Verhalten magnetischer Materialien. Das Ziel der Entwicklung ist es, die Identifizierung, die
Diagnose und auch das Monitoring von Krebserkrankungen im Klinikbetrieb deutlich zu
vereinfachen.

Auf der „55th Annual Conference on Magnetism & Magnetic Materials“ in Atlanta, USA,
wird heute die Simulation der Selbstorganisation von magnetischen Teilchen für
biomedizinische Anwendungen vorgestellt. Die Simulation von selbstorganisierten
Strukturen ist Teil eines Kooperationsprojektes der Fachhochschule St. Pölten mit der
Donau-Universität Krems (DUK), dem Austrian Institute of Technology (AIT) und dem LKH
Krems. Das Ziel des Projekts ist es, einen Labor-Chip zu entwickeln, der verschiedene
Arten von zirkulierenden Tumorzellen im Blut von KrebspatientInnen nachweisen kann.
Diese kommen extrem selten vor – nur ca. eine Krebszelle kommt im Durchschnitt auf fünf
bis zehn Millionen Blutzellen –, können aber wertvolle Auskunft über den Krebs und einen
Behandlungsverlauf liefern.

Da bleibt was „hängen“
Der innovative Labor-Chip wird wie ein Miniatursieb wirken, das Krebszellen zurückhält und
sie somit anreichert. Und es ist die spezielle Struktur dieses Siebes – und deren
Anpassung an die Größe und Form verschiedener Tumorzellarten –, die das Team um
Prof. Dr. Thomas Schrefl, Leiter des Master-Studiengangs „Industrial Simulation“ an der FH
St. Pölten, vor große Herausforderungen stellt. Kernstück des Labor-Chips ist eine
Mikrostruktur, die mit Antikörpern beschichtet ist und von Dr. Martin Brandl am Zentrum für
Biomedizinische Technologie der DUK entwickelt wird. Diese Antikörper binden ganz
speziell Krebszellen und „fischen“ diese quasi aus dem vorbeiströmenden Blut heraus.

Für das effiziente Funktionieren dieser Technologie ist es entscheidend, die genaue Form
und Größe dieser Mikrostruktur beeinflussen zu können. Dazu Prof. Schrefl: „Zirkulierende
Blutzellen verschiedener Tumorarten unterscheiden sich in Form und Größe und erfordern
daher jeweils individuelle räumliche Strukturen der Mikrostruktur, um eingefangen zu
werden. Soll ein einzelner Chip für mehrere Tumorarten funktionieren, muss diese Struktur
variabel sein.

Genau da setzt unser Projekt an, dessen zentrale Idee die Nutzung magnetischer
Materialien für die Gestaltung des Siebes ist.“

Der Labor-Chip vereint zwar alle wesentlichen Funktionen des Tests auf kleinstem Raum,
stellt aber deshalb ganz besondere Anforderungen an seine Konstruktion. Der
Porendurchmesser des Mikrosiebes beträgt 0.02 mm bis 0.05 mm. So sind mechanische
oder elektrische Manipulationen des Mikrosiebes in dieser Dimension geradezu unmöglich.
Eine Anpassung an wechselnde Gegebenheiten schien somit bisher ausgeschlossen. Im
Rahmen des von der Life Science Krems GmbH – der Forschungsgesellschaft des Landes
Niederösterreich – geförderten Projekts werden Prof. Schrefl und die folgenden
Kooperationspartner das nun ändern:

Dr. Hubert Brückl – Leiter des Geschäftsfelds Nano Systems des AIT,
Dr. Martin Brandl – Zentrum für Biomedizinische Technologie an der DUK und
Univ. Prof. Dr. Martin Pecherstorfer – Leiter des Hämatologisch-Onkologischen Dienst des
LKH Krems.

Gemeinsam werden diese Partner nun verschiedene magnetische Materialien auf ihre
Eignung für den variablen Labor-Chip untersuchen. Dabei kommt Prof. Schrefls spezielle
Kombination an Fachwissen voll zum Tragen: Er gilt als internationaler Experte für den
Aufbau magnetischen Materials und deren Beschreibung mit mathematischen Algorithmen.
Diese Expertise erlaubt es, die vielen möglichen Variationen der Gestaltung des
Miniatursiebes – auch als „Micropost“ bezeichnet – am Computer zu optimieren und so
langwierige Phasen von Versuch & Irrtum abzukürzen. Ein Micropost, der durch
kontrollierte Veränderung die Isolierung und Identifikation mehrerer verschiedener
Tumorzellarten erlaubt, scheint damit näher gerückt.

Nadel im Heuhaufen – Magnet bietet Lösung
Insgesamt werden die Kooperationspartner drei Materialien testen, die es erlauben sollen,
den Micropost kontrolliert herzustellen und anschließend zu manipulieren. So genannte
Ferrofluide werden dabei genauso getestet werden wie selbst-organisierende magnetische
Teilchen und magnetisch aktive Polymere. Denn trotz unterschiedlicher Eigenschaften ist
allen drei magnetischen Materialien eines gemeinsam: Ihre räumliche Struktur lässt sich
durch ein externes Magnetfeld verändern. So kann ein Micropost, der aus diesem Material
gefertigt wurde, auch später noch manipuliert und an verschiedene Tumorarten angepasst
werden. Genau das ist die Vorausetzung dafür, dass ein einzelner Labor-Chip
unterschiedliche Tumorzellen erkennen kann.

Gemeinsam mit dem Know-how der Partner erlaubt Prof. Schrefls Expertise im Bereich
magnetischer Materialien und seine Kenntnisse über die Simulation entsprechender
Vorgänge, die optimale Lösung für genau diese Art des Tumor-Diagnosechips an der FH
St. Pölten zu entwickeln.

Über die Fachhochschule St. Pölten
Die Fachhochschule St. Pölten ist Anbieterin praxisbezogener und leistungsorientierter
Hochschulausbildung in den Bereichen Technologie, Wirtschaft und Gesundheit &
Soziales. In mittlerweile 14 Studiengängen werden mehr als 1800 Studierende betreut.
Neben der Lehre widmet sich die FH St. Pölten intensiv der Forschung. Die
wissenschaftliche Arbeit erfolgt innerhalb der Studiengänge sowie in eigens etablierten
Instituten, in denen laufend praxisnahe und anwendungsorientierte Forschungsprojekte
entwickelt und umgesetzt werden.

Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Dr. Thomas Schrefl
Fachhochschule St. Pölten
Leiter des Master-Studiengangs Industrial Simulation
Matthias Corvinus-Str. 15
3100 St. Pölten
T +43 / (0)2742 / 313 228 – 313
E thomas.schrefl@fhstp.ac.at
W http://www.fhstp.ac.at

Redaktion & Aussendung:
PR&D – Public Relations für Forschung & Bildung
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