Die TU Berlin hat einen in der Welt einzigartigen Schwerpunkt in der Forschung zu Brain-Computer-Interfaces. Ein Ziel ist es hier, diese Schnittstelle zwischen Gehirn und Computer in realitätsnahem Umfeld einzusetzen. Die Arbeitsgruppe „Team PhyPA“ (Physiological Parameters for Adaptation) unter Leitung von Dr. Thorsten Zander geht nun einen entscheidenden Schritt weiter und wagt den Einsatz von Brain-Computer-Interfaces in einem Flugsimulator. Die Wissenschaftler der TU Berlin testeten zusammen mit Kollegen der TU München, ob es Piloten gelingt, lediglich mit der Kraft ihrer Gedanken einen Befehl an den Computer des Flugsimulators zu senden, um das Flugzeug nach rechts beziehungsweise nach links zu steuern.
„Seit die Wissenschaft sich mit dem Brain-Computer-Interface beschäftigt, und das ist seit etwa 30 Jahren der Fall, geschieht dies unter den sehr kontrollierten, künstlichen Bedingungen eines Labors. Der Proband wird instruiert, sich zu entspannen, ruhig zu atmen, sitzt in einem mehr oder weniger dunklen Raum vor einem Bildschirm und bekommt die Aufgabe, sich vorzustellen, einen blauen Kreis nach rechts oder links zu schieben. Elektroden, die auf dem gesamten Kopf angebracht sind, messen die Hirnströme und leiten sie an einen Computer weiter. Der Computer wandelt mit Hilfe eines Algorithmus die gemessenen Werte in Befehle um und wenn alles gutgeht, bewegt sich der blaue Kreis in die gedachte Richtung“, beschreibt Thorsten Zander eine der klassischen Versuchsanordnungen. Doch spiegle eine solche Umgebung weder eine lebensnahe Situation wider, noch sei die Aufgabe von wirklicher Relevanz für den Probanden, so Zander. Er ist deshalb der Auffassung, dass, wenn das BCI für den Menschen wirklich nutzbar gemacht werden soll, es nun unter anderen Bedingungen als denen eines Labors getestet werden müsse. Seit Jahren werde zwar in der BCI-Forschung propagiert, dass es realere Versuchssets brauche und lebensrelevantere Aufgaben, aber die wenigsten Forscher hätten es bisher getan. „Meine Arbeitsgruppe „Team PhyPA“ hat diesen Schritt nun gewagt. Das ist schon etwas Neues“, sagt der BCI-Forscher.
Ein Grund, warum dies bisher nicht geschah, ist, dass Kritiker einwenden, unter komplexeren Bedingungen funktioniere das BCI, also die Hirn-Computer-Schnittstelle, nicht mehr. Denn nicht nur das Hirn erzeugt elektrische Signale, die von den Elektroden gemessen werden, auch alle anderen Dinge in einem Raum haben ein elektrisches Feld, das ebenso von den Elektroden wahrgenommen wird. Es besteht also die Gefahr, dass in diesem großen Rauschen die Hirnsignale nicht mehr eindeutig identifizierbar sind.
Thorsten Zander vertritt eine andere Meinung. Seine Hypothese ist, dass das Gehirn aktiver ist, wenn es in lebensnahen Situationen beansprucht wird und Herausforderungen zu bewältigen hat, die eine irgendwie geartete existenzielle Bedeutung für den Menschen/Probanden haben. Beide Komponenten – lebensnahe Situation und bedeutsame Herausforderung – sahen Zander und sein Team in dem Forschungsprojekt „Brainflight“, das an der TU München angesiedelt ist, gegeben, bei dem, wie gesagt, in einem herkömmlichen Flugsimulator untersucht werden sollte, ob hirngesteuertes Fliegen möglich ist. „In einem Flugsimulator sind viel mehr Informationen durch das Gehirn zu verarbeiten – visuelle, auditive oder auch Verständnisinformationen, wie zum Beispiel, ob der Pilot den richtigen Kurs hält, – als in einem Labor. Zudem steht es außer Frage, dass es für einen Piloten bedeutsamer ist, das Flugzeug nach links oder rechts fliegen zu lassen, als einen blauen Kreis auf dem Bildschirm zu verschieben“, erklärt Zander.
Bei drei der sieben Probanden hat Thorsten Zander eine Ergebnisgüte erhalten, wie sie zuvor noch nie erzielt werden konnte. Das betrifft zum einen die Erkennungsrate, ob eine linke oder rechte Handbewegung und damit eine Flugbewegung nach links oder rechts gedacht worden ist. Und das betrifft zum anderen, ob die Signale, die gemessen wurden, wirklich Hirnsignale waren und nicht etwa das Signal, das die Elektroden ebenfalls messen, wenn der Proband beim Denken „linke Handbewegung“ auch die Augen nach links wandern lässt. „Unter Laborbedingungen liegt die Erkennungsgenauigkeit der Hirnsignale, also ob sich eine linke oder rechte Handbewegung vorgestellt wurde, bei 75 Prozent. Bei drei unserer Probanden konnten wir jedoch mit über 90 prozentiger Sicherheit sagen, um welche Hirnsignale es sich handelte. Die erhöhte Hirnaktivität hat uns sozusagen Bilderbuchsignale für die entsprechende Handbewegung geliefert.“ Und mit ihren Validierungsmethoden konnten die Wissenschaftler der TU Berlin eindeutig nachweisen, dass die gemessenen Signale Hirnsignale waren und nicht etwa das Signal für eine Augenbewegung.
Das Steuern des Flugzuges mit der bloßen Kraft der Gedanken funktionierte für die Berliner und Münchner Wissenschaftler überraschend gut. Drei der sieben Probanden vermochten es allerdings nicht. Weitere Forschungen sind also notwendig. Für Zander liegt das Innovative der jetzigen Forschungsergebnisse jedoch weniger in der Aussage, dass hirngesteuertes Fliegen möglich ist (dazu wird es in naher Zukunft nicht kommen, davon ist er überzeugt), sondern vielmehr darin, dass in der BCI-Forschung ein Tor zu lebensnahen Experimenten aufgestoßen wurde, die gerade für die Medizin von Bedeutung sein könnten. Diesen Weg will Thorsten Zander weiter gehen.
Zanders Team arbeitet bei Prof. Dr. Klaus Gramann am TU-Fachgebiet Biopsychologie und Neuroergonomie, das die Forschungen der Arbeitsgruppe auch finanzierte. Das Fachgebiet fokussiert sich auf das Mobile Brain/Body Imaging, also realitätsnahe EEG-Messungen.
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Weitere Informationen erteilt Ihnen gern: Dr. Thorsten Zander, Fachge-biet Biopsychologie und Neuroergonomie am Institut für Psychologie und Arbeitswissenschaft der TU Berlin, Marchstraße 23, 10587 Berlin, Tel.: 030/314-29436, E-Mail: tzander@gmail.com