Eine der größten islamischen Nekropolen aus dem 7. bis 11. Jahrhundert ist der Fatimidenfriedhof bei Assuan in Ägypten. Seit Januar 2006 führt das Fachgebiet Bau- und Stadtbaugeschichte der TU Berlin in Zusammenarbeit mit der Abteilung Kairo des Deutschen Archäologischen Institutes dort ein groß angelegtes Dokumentationsprojekt durch. Die Untersuchungen werden von Prof. Dr. Philipp Speiser von der TU Berlin geleitet. Der Friedhof wird historisch, bauforscherisch und ethnographisch dokumentiert und erforscht. Die Fatimiden herrschten von 969 bis 1169 n. Chr. in Nordafrika.
Assuan, heutzutage vor allem berühmt wegen seines Staudammes, war schon in der Antike unter dem Namen Siene ein wichtiger Grenzort, der am Ersten Katarakt liegt, einer riesigen Stromschnelle, die das nördliche Niltal vom südlichen, das auch Nubien genannt wird, trennt.
Das Nekropolengelände der Fatimiden war einst in Ost-West-Ausrichtung 2000 Meter lang und in Nord-Süd-Ausrichtung 500 Meter breit. In pharaonischer Zeit und in der Antike als Granit- und Sandstein-Steinbruch genutzt, ist lediglich die sogenannte Südnekropole (600 Meter mal 500 Meter) weitgehend intakt. Bislang wurden etwa 300 einfache Gräber, 100 Bestattungen mit oberirdischer Grabkammer (sogenannte Kastengräber) sowie etwa 50 Mausoleen inventarisiert und bauforscherisch untersucht. Als Baumaterial finden die Wissenschaftler nahezu durchgehend luftgetrocknete Lehmziegel.
Die bisherigen Untersuchungen ergaben, dass sich auf dem gesamten Nekropolengelände Rosengranitsteinbrüche befinden, die möglicherweise vom 3. Jahrtausend v. Chr. bis in die Spätantike ausgebeutet wurden. „Des Weiteren können wir nun nachweisen, dass Bestattungen nicht nur in Mausoleen, wie bisher angenommen, sondern zum größten Teil in einfachen Gräbern unterschiedlicher Gestalt stattfanden“, sagt Prof. Dr. Philipp Speiser. Die einfachsten bestehen aus einer Grube für die Bestattung, die mit Steinplatten überdeckt und mit Lehmziegeln eingefasst ist. Ein weiterer Grabtypus ist aus einem gemauerten Kasten aus Lehmziegeln, in dem der Verstorbene oberirdisch beigesetzt wurde. Dieser Grabtypus kam dann zur Anwendung, wenn es unmöglich war, in dem felsigen Untergrund eine Grube auszuheben.
Die ethnologischen Forschungen ergaben, dass es sich bei einigen Mausoleen wahrscheinlich um Scheingräber von Persönlichkeiten handelt, die dem Propheten nahestanden, sowie bekannten Scheichs, die anderswo in Ägypten bestattet wurden. Bei diesen Mausoleen finden noch heute unterschiedliche Rituale für Hilfesuchende und Fruchtbarkeitskulte für Hochzeitspaare statt.
Aber nicht nur die Dokumentation, sondern auch der Denkmalerhalt spielt bei diesem Projekt eine große Rolle. Zu diesem Zweck wurde im Jahre 2010 ein Konzept erarbeitet. Allein im Winter 2011/12 konnten fünf Mausoleen sowie eine größere Zahl einfacher Gräber gesichert und restauriert werden. Diese Arbeiten wurden von ägyptischen und europäischen Spezialisten unter Verwendung traditioneller Bautechniken durchgeführt. Gegenwärtig wird auch ein Besucherparcours mit Informationstafeln vorbereitet.
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Fotomaterial zum Download: www.tu-berlin.de/?id=121569
Weitere Informationen erteilt Ihnen gern: Prof. Dr. Philipp Speiser, Fachgebiet Bau- und Stadtbaugeschichte der TU Berlin, Straße des 17. Juni 152, 10623 Berlin, E-Mail: philipp.speiser@gmx.de