(Stuttgart) – Mit über 700 Teilnehmern waren die vierten Deutschen Biotechnologietage, die vom 14. bis 15. Mai 2013 stattfanden, das größte nationale Biotechnologieforum in diesem Jahr. Gastgeber waren die BioRegio STERN Management GmbH und der Branchenverband BIO Deutschland. Zwei Tage lang diskutierten Unternehmer, Forscher, Politiker und Investoren im Stuttgarter Haus der Wirtschaft über die Gegenwart und Zukunft der Branche. Zur Eröffnung konnte der Veranstalter reichlich Prominenz aus Politik und Wirtschaft begrüßen.
Dr. Klaus Eichenberg, Geschäftsführer der BioRegio STERN Management GmbH, erläuterte in seiner Begrüßungsrede den aus ganz Deutschland angereisten Teilnehmern zunächst die Herkunft des „Spätzle-Gens“. Er erinnerte an die Forschungsarbeit der Tübinger Nobelpreisträgerin Prof. Dr. Christiane Nüsslein-Volhard, der es gelang, die Gene der Taufliege zu identifizieren, die die Entwicklung des Fliegenorganismus maßgeblich steuern. Die jeweiligen Mutationen beziehungsweise die jeweils verantwortlichen Gene wurden in ihrem Labor „Huckebein“ oder eben auch „Spätzle“ getauft. Aber nicht nur wissenschaftliche Leistungen sind kennzeichnend für die Region, so Dr. Eichenberg, sondern auch die über 700 Millionen Euro, die in den vergangenen Jahren allein von den 100 ansässigen Biotechnologieunternehmen in der Region investiert wurden. 16.500 Menschen, die heute schon in dieser Branche hier beschäftigt sind, stehen für enorme Erfolge in der Region – auf denen sich Dr. Eichenberg aber auf keinen Fall ausruhen möchte: „Biotechnologie braucht Automatisierung; Biotechnologie und Medizintechnik nähern sich an, die Regenerative Medizin entwickelt sich rasant – nutzen Sie diese Biotechnologietage, um mit uns Wirtschaft weiterzudenken.“
Dr. Peter Heinrich, Vorstandsvorsitzender der BIO Deutschland e.V., fasste die Entwicklung der nationalen Biotech-Branche kurz zusammen und sieht sie – mehr Neugründungen, mehr Mitarbeiter und mehr Umsatz im Vergleich zum Vorjahr – auf einem guten Weg: „Die deutsche Biotechnologie-Branche schafft es, ihre PS auf die Straße zu bringen!“ Zwei Aspekte bestimmen dabei den Erfolg der weiteren Entwicklung: das sind zum einen die öffentlichen und privaten Investitionen in Forschung und Entwicklung. Zum anderen sind Vernetzung und Kooperation von größter Bedeutung – und dafür bieten die Biotechnologietage die ideale Plattform.
In seiner Begrüßungsrede erklärte Fritz Kuhn, der neue Stuttgarter Oberbürgermeister, dass „Biotechnologie eine Schlüsseltechnologie ist.“ Es freue ihn, dass sich Biotechnologieunternehmen aus der Landeshauptstadt mit Forschungsthemen wie beispielsweise Bioreaktoren für Algen oder virtuellen Leberzellen zur Vermeidung von Tierversuchen beschäftigten.
Innovationen allein garantieren noch keinen ökonomischen Erfolg
„Stellen Sie sich vor, es gäbe einen steuerlichen Anreiz für Biotechnologieforschung – diese Vorstellung begeistert mich geradezu.“ Prof. Dr. Dr. Andreas Barner, Vorsitzender der Unternehmensleitung von Boehringer Ingelheim, war der Erste, der am Eröffnungstag dieses Thema aufgriff – aber bei Weitem nicht der Letzte. Auf finanzielle Unterstützung sind junge Biotech-Unternehmen, die häufig Ausgründungen aus Universitäten sind, tatsächlich angewiesen, ebenso wie auf Kooperationen – etwa mit dem größten familiengeführten Pharmaunternehmen der Welt. In seinem Vortrag über die Strategien für die Zusammenarbeit von Pharma- und Biotechnologieunternehmen wies Prof. Barner auf unterschiedliche Perspektiven der Partner bei der Einschätzung von Erfolgsaussichten hin: „Der akademische Partner ist davon überzeugt, dass die Erfolgschancen sehr hoch sind. Der große Partner aus der Industrie muss jedoch die Frage der Erfolgswahrscheinlichkeiten im Auge haben.“ Als wichtigen Erfolgsfaktor für Innovationen, nannte Prof. Barner auch die Vernetzung – so wie beispielsweise in der BioRegion STERN.
Prof. Dr. h.c. Ludwig Georg Braun, Aufsichtsratsvorsitzender des Medizintechnik-Unternehmens B. Braun Melsungen, machte auf eine weitere Herausforderung aufmerksam: „Die Biologisierung der Medizintechnik erfordert ein Umdenken. Viel hilft viel und für jeden das Gleiche – das gilt so nicht mehr. Die Mediziner müssen umfassender ausgebildet werden.“ Hier ergänzte er sich bestens mit Werner Ressing, Abteilungsleiter Industriepolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), der die Bedeutung interdisziplinärer Studiengänge für die Ausbildung von Fachkräften hervorhob. Die anwesenden Unternehmer werden sich gefreut haben zu hören, dass „das BMWi einer steuerlichen Förderung der Forschungs- und Entwicklungsausgaben positiv gegenüber steht.“
Diesen Steuerbonus befürwortete auch Dr. Nils Schmid, Minister für Finanzen und Wirtschaft sowie stellvertretender Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg in seiner Rede. Er betonte außerdem, dass ihm die Bedeutung der Automatisierung der Biotechnologie am Herzen liege, wie sie beispielsweise durch das BioRegio STERN-Projekt ELSA vorangetrieben wird: „Diese kluge Vernetzung der beiden Branchen bringt unser Land voran.“ Dazu passend kündigte er einen neuen Venture-Fonds für Baden-Württemberg noch in diesem Jahr an.
Kein Grund zum Pessimismus
Zu Beginn des zweiten Veranstaltungstages skizzierte Dr. Georg Schütte, Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), die Erfolge der Hightech-Strategie der Bundesregierung. „Jedes siebte Patent kommt aus Deutschland, wir sind ein führender Standort für Forschung und Entwicklung.“ Er hob die besondere Bedeutung der translationalen Forschung hervor, also der Forschung an der Schnittstelle zwischen präklinischer Forschung und klinischer Entwicklung: „Forschungsergebnisse sollen von den Laboren an die Bettkante kommen. Die Erfolgsindikatoren für Translation sind nicht mehr die Publikationen in Fachzeitschriften, sondern Patente, Produkte, Diagnose- oder Therapieverfahren, die beim Patienten ankommen müssen.“ Dr. Schütte wies, wie schon einige seiner Vorredner, darauf hin, dass die richtigen Rahmenbedingungen – wie die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung – Voraussetzung dafür sind, dass sich die Branche weiterhin erfolgreich entwickeln kann. Thomas Ilka, Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), beneidete seinen Kollegen aus dem BMBF ein wenig um die Programme und Förderleistungen, die dieser den Unternehmern und Forschern anbieten kann. In seinem Ministerium gehe es eher um Fragen wie „Warum sind die Kosten für die Zulassung so hoch?“, „Wie sind die Wege in die gesetzlichen Krankenkassen?“, „Wie können klinische Studien finanziert werden?“ und „Warum dauern Entscheidungen so lange?“ Offensichtlich kein Grund für Pessimismus, denn Ilka rief den Zuhörern zu: „Bis zu den nächsten Biotechnologietagen, wird sich Ihr Umsatz wieder verdoppelt haben.“
Im Rahmen der Innovationsinitiative Industrielle Biotechnologie zeichnete Dr. Schütte anschließend den Vertreter der „Allianz Technofunktionelle Proteine“ aus. Außerdem wurden drei Preisträger des diesjährigen Innovationspreises der BioRegionen geehrt. Dr. Klaus Eichenberg übergab schließlich am späten Vormittag den Stab an Dr. Hinrich Habeck, Geschäftsführer der Norgenta – Norddeutsche Life Science Agentur und Veranstalter der Deutschen Biotechnologietage 2014. In Anbetracht der durchweg sehr gut besuchten Symposien wünschte er ihm „ebenso erfolgreiche Biotechnologietage wie die, die heute zu Ende gehen.“
In den hochkarätig besetzten Symposien wurde unter anderem über „Bioethik“, „Regenerative Medizin“ und die „Hürden vor und nach der Zulassung“ sowie über „Neue Wege in der Finanzierung“, „Bioökonomie“ und die „Gesellschaftliche Relevanz von Innovationen“ diskutiert. Informelle Frühstücksrunden und erstmals ein interaktives „World Café“ ergänzten die Symposien. Am Abend des ersten Kongresstages konnten die Teilnehmer im Porsche Museum entspannt weiter diskutieren: Dorthin hatten BioRegio STERN Management GmbH und BIO Deutschland e.V. gemeinsam mit der BIOPRO Baden-Württemberg GmbH zu einem Netzwerkabend eingeladen.
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