Branchen-Insider Holger Jan Schmidt führt Dr. Katja Ehrenberg, Psychologieprofessorin an der Hochschule Fresenius in Köln, hinter die Kulissen des europäischen Live-Musik-, Festival- und Eventsektors. Gemeinsam mit ihren Interviewpartner*innen aus elf verschiedenen Ländern rücken sie die Menschen hinter der Bühne ins Rampenlicht. Das Buch zum qualitativen Forschungsprojekt „stay SOUND & CHECK yourself“ offenbart persönliche Einblicke in Stress und psychische Gesundheit in einer Branche, die niemals schläft. Die Publikation ist angereichert mit Vorschlägen zur Prävention sowie Intervention und berichtet auch über die Herausforderungen während der Pandemie für eine normalerweise sehr lebendige Szene.
Arbeiten in der Musik- und Festivalszene gilt als hip, glamourös und abwechslungsreich. Ein Musikevent in einem gemeinsamen Kraftakt auf die Beine zu stellen, schweißt zusammen und ist erfüllend. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt jedoch, dass das Arbeiten in dieser Branche mit einem hohen Maß an Einsatz, Zeitdruck, Stress und oft schlechter Bezahlung einhergeht. Was treibt die Menschen dennoch an? Welche psychischen Auswirkungen haben diese besonderen Arbeitsbedingungen? Und wie geht die Branche damit um, dass sie aufgrund der Corona-Pandemie von maximalem Engagement in ein Gefühl von Nicht-mehr-gebraucht-werden fällt? Diesen und weiteren Fragen sind Holger Jan Schmidt und Katja Ehrenberg auf den Grund gegangen.
Für das Forschungsprojekt haben die beiden Autoren von Juli 2019 bis Anfang März 2020 insgesamt über 15 Stunden Einzelinterviews mit 17 Personen durchgeführt. Nach dem ersten Lockdown folgten Anfang Juli 2020 drei je etwa zweistündige Digitalrunden mit drei bis sechs Personen, um die aktuelle Lage aufzugreifen. Die Teilnehmenden im Alter von 23 bis 60 Jahren stammen aus verschiedenen europäischen Ländern wie Großbritannien, Dänemark, Deutschland, Tschechien, Ungarn oder Nordmazedonien. Sie repräsentieren die Vielfalt der Szene: Befragt wurden beispielsweise Festivaldirektoren wie Fruzsina Szép vom SUPERBLOOM Festival in München oder Philippe Cornu vom Schweizer Seaside Festival, Europas Grand Seigneur der Veranstaltungssicherheit Prof. Chris Kemp, der unter anderem mit Wacken Open Air und Roskilde Festival arbeitet, oder die serbische Psychotherapeutin Jelena Jung aus dem Team des EXIT Festivals.
„The best things about concerts are the live energy and the people.“ (Prof. Chris Kemp, Sicherheitsexperte, 60, Großbritannien)
Sowohl die Einzelinterviews als auch die Gruppengespräche zeigen: Alle Befragten teilen ähnliche Erfahrungen dazu, was sie in ihrer Arbeit als bereichernd empfinden und was als belastend. Fast alle kennen mentale Krisen. Ein wichtiger Motor ist, dass sie ihren Job als Berufung empfinden, autonom arbeiten können und viel Raum für Kreativität haben. Zudem werden sie durch die magischen Momente entlohnt, die entstehen, wenn viele Tausende Menschen gemeinsam ein Event genießen. „Alles, was wir machen und worin wir gut sind, hat damit zu tun, Menschen zusammenzubringen“, stellt Holger Jan Schmidt fest.
„The passion and the burnout always go hand in hand.“ (Márton Naray, Czech Music Export & Festivalmanager, 42, Ungarn / Tschechien)
„Diese Leidenschaft leben zu dürfen, hat ihren Preis“, erklärt Prof. Katja Ehrenberg. „Die Arbeitsbedingungen in der Branche weisen viele klassische Stress- und Burnout-Faktoren auf. Auch gibt es Belege dafür, dass Kulturschaffende ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen haben. Die Themen Prävention und Unterstützung müssten daher dringend oben auf die Agenda. Wenn es den Menschen im Kreativsektor schlecht geht, haben wir alle ein Problem. Wie elementar wichtig Kultur gerade in schwierigen Zeiten ist, spüren wir aktuell“, so die Psychologin weiter.
„Our task is to keep up the spirit!“ (Fruzsina Szép, Festival Director SUPERBLOOM, München)
Schmidt ergänzt: „Die Corona-Pandemie hat die Branche einem noch nie da gewesenen Stresstest ausgesetzt. Die Kulturszene hat sich dennoch solidarisch mit der Gesellschaft gezeigt. Sie hat ohne Murren den Betrieb eingestellt und dann unter Einhaltung strenger Hygienevorschriften Konzerte gegeben. Künstler und Veranstalter stellen seit März online kostenlos Content zur Verfügung. Mit ihrer Kunst und Musik geben sie den Menschen Hoffnung, Abwechslung und Inspiration, und das in einem Rahmen, der sich nicht rechnet. Am Ende braucht die Szene ihrerseits die Solidarität aller. Denn sobald wir aus dieser Krise herauskommen, wird es genau diese Branche sein, die den Leuten wieder ein positives Gefühl geben kann.“
Über das Buch:
284 Seiten DIN A4 Format mit stimmungsvollen Schwarz-Weiß-Fotos
Book on Demand im Bonner Kid-Verlag, ISBN 978-3-947759-62-0 ab sofort überall im Handel erhältlich: https://www.thalia.de/shop/home/artikeldetails/ID150459096.html oder http://kid-verlag.de/BoD.htm
Alle Autorengewinne aus dem Buchverkauf fließen in Projekte zur Förderung der Sichtbarkeit des Themas und zum Aufbau von Präventions- und Interventionsangeboten im Live-Musik- und Event-Sektor.
Über die Autoren:
Prof. Dr. Katja Ehrenberg ist Diplom-Psychologin und Professorin an der Psychology School der Hochschule Fresenius Köln. Ihre aktuellen Forschungsinteressen umfassen Stress und Selbstfürsorge sowie Themen der angewandten Sozialpsychologie, z. B. Kommunikation und Konflikt in Teams, Diversity Management und Maßnahmen zur Förderung von Autonomie, Selbstwirksamkeit, Kreativität und Flow-Erfahrung. Als systemische Beraterin (SG-zertifiziert) bietet sie zu diesen und ähnlichen Themen Workshops und Coaching für Organisationen sowie für private Klienten an. Seit über 20 Jahren legt sie wissenschaftliche Publikationen und Konferenzbeiträge zu ihrer Forschung vor. Als leidenschaftliche Liebhaberin von alternativer Kunst und Musikkultur ist sie sehr dankbar für die vielen inspirierenden persönlichen Begegnungen mit Protagonisten*innen der Live-Event-Branche, die bis auf Weiteres dieses Buchprojekt hervorgebracht haben.
Holger Jan Schmidt ist einer der führenden europäischen Netzwerker in der Musikfestivalbranche mit den Schwerpunkten Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung. Er leitet den paneuropäischen Think Tank GO Group (Green Operations Europe) und arbeitet als Anchorman von YOUROPE, der europäischen Festivalvereinigung. Holger ist Botschafter und Projektleiter der internationalen Take A Stand Initiative und Kampagne für den (Live-)Musiksektor, die 2017 ins Leben gerufen wurde, um eine Bewegung zu schaffen, die den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft fördert sowie Bewusstsein und Toleranz unterstützt. Schmidt blickt auf mehr als zwanzig Jahre bei Deutschlands größtem eintrittsfreien Festival RhEINKULTUR in Bonn mit täglich 160.000 Zuschauern zurück, wobei er von 1998 bis zur letzten Ausgabe des Festivals im Jahr 2011 eine führende Position innehatte. Heute ist er Booker, Berater und Teil des Managements verschiedener Festivals, darunter DAS FEST in Karlsruhe und SUPERBLOOM Festival in München. Er hat ein Diplom in Medienwirtschaft der Rheinischen Fachhochschule Köln und war Dozent für „Nachhaltiges Festival- und Eventmanagement“ an der Hochschule Fresenius in Köln und Düsseldorf. Außerdem ist er selbst aktiver Musiker.
Über die Hochschule Fresenius
Die Hochschule Fresenius mit ihren Standorten in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Idstein, Köln, München und Wiesbaden sowie dem Studienzentrum in New York gehört mit über 17.000 Studierenden zu den größten und renommiertesten privaten Hochschulen in Deutschland. Sie blickt auf eine mehr als 170-jährige Tradition zurück. 1848 gründete Carl Remigius Fresenius in Wiesbaden das „Chemische Laboratorium Fresenius“, das sich von Beginn an sowohl der Laborpraxis als auch der Ausbildung widmete. Seit 1971 ist die Hochschule staatlich anerkannt. Sie verfügt über ein sehr breites, vielfältiges Fächerangebot und bietet in den Fachbereichen Chemie & Biologie, Design, Gesundheit & Soziales, onlineplus sowie Wirtschaft & Medien Bachelor- und Masterprogramme in Vollzeit sowie berufsbegleitende und ausbildungsbegleitende (duale) Studiengänge an. Die Hochschule Fresenius ist vom Wissenschaftsrat institutionell akkreditiert. Bei der Erstakkreditierung 2010 wurden insbesondere ihr „breites und innovatives Angebot an Bachelor- und Master-Studiengängen“, „ihre Internationalität“ sowie ihr „überzeugend gestalteter Praxisbezug“ vom Wissenschaftsrat gewürdigt.
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