Soft-Skills sind nicht nur etwas für Weicheier!
Das Studienfach „Elektrotechnik und Informationstechnik“ galt immer schon als kompliziert – auch im Vergleich zu anderen Ingenieurstudiengängen. „Also nix für Weicheier“ – möchte man meinen.
Auf der anderen Seite sind Expertinnen und Experten in dieser Ingenieurdisziplin für den Wohlstand unseres Landes absolut unverzichtbar. Die „Elektrotechnik und Informationstechnik“ spielt eine entscheidende Rolle in der Energieversorgung, Mobilität, Kommunikation und im täglichen Erleben – privat und in der Arbeitswelt. „Energiewende“, „Digitalisierung“, „Arbeit 4.0“, „Smart-Cities“, „Smart-Home“, „Smart-X“, „Elektromobilität“ oder „autonomes Fahren“ sind nur einige Stichworte, die derzeit eine große mediale Beliebtheit erfahren. VDE-Studien haben gezeigt, dass in Deutschland so viele Elektroingenieurinnen und -Ingenieure ausgebildet werden, dass Sie knapp diejenigen ersetzten können, die vom Arbeitsleben in den Ruhestand eintreten. Also alles in Butter? Gleichzeitig wächst aber schon seit mehr als einer Dekade die Zahl der arbeitenden Menschen mit einer entsprechenden Ingenieurausbildung in Deutschland um rund 10.000 (!) Menschen jährlich. Dies lässt sich aus dem Mikrozensus mit sehr hoher statistischer Wahrscheinlichkeit ableiten. Woher kommt dieses Wachstum, wenn wir es gerade einmal schaffen, unsere Rentner und Pensionäre zu ersetzen? Des Rätsels Lösung ist, dass sich deutsche Unternehmen fertige Elektroingenieure und -Ingenieurinnen aus dem meist europäischen Ausland holen. Das kann auf Dauer gut gehen, muss es aber nicht. 2017 haben Elektroingenieure lt. Statistiken der Bundesagentur für Arbeit die Spitze im Vergleich der Gehaltsmittelwerte erklommen – vor Medizinern, Juristen und Betriebswirten. Was die Ingenieurinnen und Ingenieure freut, deutet aber auch darauf hin, dass sich der Arbeitsmarkt bereits jetzt in einer gravierenden Engpass-Situation befindet.
Fazit: Deutschland kann es sich nicht leisten, auch nur auf einen Kandidaten zu verzichten, der mit den entsprechenden schulischen Voraussetzungen ein Studium der „Elektrotechnik und Informationstechnik“ beginnt. Mit einer Drop-Out Rate von rund 50% an Universitäten, die mittlerweile auch an vielen Fachhochschulen erreicht wird, ist hier dringender Handlungsbedarf indiziert. Zugegeben: Es gibt viele Kandidaten, die erst mal ein Studium beginnen, sich dabei intellektuell oder von ihren schulischen Voraussetzungen überschätzen oder einfach mal probieren wollen. Demgegenüber steht aber ein signifikanter Anteil an Studierenden, die aus anderen Gründen das Studium aufgeben. Hier muss angesetzt werden. Die Abbruchmechanismen liegen hier häufig im Bereich der weichen Faktoren – also Soft-Skills, die nicht nur entscheidend für ein Fortkommen im Beruf, sondern oft auch eine wichtige Rolle bereits in der Studienphase spielen. Frustrationstoleranz und verschiedene Motivationsfaktoren sind hier z.B. zu nennen. In der Phase des Berufseinstiegs finden sich die Kandidaten durch Bologna-bedingte Verkürzung der Studiendauer, teilweise G8 und dem Wegfall der Wehrpflicht bereits in sehr jungen Jahren. Unternehmen, die Anfang der 2000er Jahre den Bologna-Prozess wegen der verkürzten Studiendauer vehement gefordert haben, beklagen sich heute über zu junge Kandidaten. Sie verlangen schließlich Bewerber mit „Persönlichkeit“ und diese müssen „zum Unternehmen passen“. Auch hier spielen neben der notwendigen Fachausbildung die weichen Faktoren ebenfalls eine wichtige Rolle, insbesondere dann, wenn es sich um begehrte Arbeitgeber z. B. aus dem Automobilbereich handelt, die heutzutage immer noch ausreichend viel Bewerber haben.
Also ist der Ansatz, die weichen Faktoren bereits im Studium zu entwickeln, doppelt sinnvoll. Auch oder gerade in einem Fach „Elektrotechnik und Informationstechnik“ in dem man dies nicht sofort auf dem Schirm hat. Von der Bedeutung des Faches für die deutsche Volkswirtschaft her, dürfte sogar kein Weg daran vorbei gehen. Idealerweise sollte man hier mit bewährten Potenzialanalyseverfahren und Peergroup-Benchmarking ansetzen. Die Analyse allein stellt bereits einen Wert für sich dar, dem Kandidaten wird so zunächst mal ein Spiegel z.B. bei einem Coachinggespräch vorgehalten. Dies schafft auch Akzeptanz und Motivation für die eigentlichen Coachingmaßnahmen. Hierfür setzt sich der VDE im Rahmen seiner Aktivitäten im Bereich „Studium und Beruf“ ein und unterstützt entsprechende Projekte an Hochschulen mit MINT-Schwerpunkten, wo das DNLA-Potenzialanalyseverfahren bereits eingesetzt wird und weiter eingesetzt werden soll.
Dr. Michael Schanz, VDE