Ungewohnte Stimmen aus dem Fernsehgerät können die Aktivität des Gehirns erhöhen, es in eine Art Alarmbereitschaft versetzen und den Schlaf stören. Denn: Das Gehirn kann die namenlosen akustischen Botschaften aus dem Off nicht zuordnen, wenn der Zuschauer oder die Zuschauerin die TV-Sendung mit geschlossenen Augen an sich „vorbeidämmern“ lässt. Agnes Wehr, Schlaf-Expertin aus Hamburg, interpretiert eine Studie von Forschern und Forscherinnen aus Salzburg und Basel, die das Journal of Neuroscience jetzt veröffentlichte.
So ist es möglicherweise wenig erholsam, vor einem TV-Krimi einzuschlafen oder eine Talkrunde mit (ausnahmsweise einmal neuen Gästen) ohne Sicht an sich vorbeiziehen zu lassen: Unbekannte TV-Stimmen können Spannung und Unsicherheiten des Fernsehpublikums Zuhause fördern. Denn, so die Studie: Das Gehirn schenkt den Fremden im TV während der für die Entspannung wichtigen NREM-Schlafs, der ersten Schlafphase vor der Traumschlaf-Phase REM, erhöhte Aufmerksamkeit. Non-REM-Schlaf bezeichnet die drei Schlafphasen, in denen etwa das typische Augenflackern der REM-Phase fehlt bzw. weniger ausgeprägt ist.
Die Studie sucht nach Ursachen. Sie geht davon aus, dass sich das Gehirn evolutionär darauf eingestellt hat, den Menschen auch im Schlafzustand vor Gefahren zu warnen. Hat der Mensch – als Zuschauer – die Augen geschlossen, ist er in einer Hab Acht-Lage, die Aufmerksamkeit erfordert: Das Gehirn überwacht das Umfeld weiter. Es wägt ab, wann der Mensch wegen einer Gefahr aufzuwecken ist oder ob keine droht und die Ruhezeit fortgesetzt werden kann.
Das Gehirn kann, so die Studie, selektiv auf reale und/oder fiktive Personen reagieren. Agnes Wehr: „Wenn der Mensch vor dem Fernsehgerät mit geschlossenen Augen döst, werden unbekannte TV-Akteure eventuell als Gefahren ausgemacht, weil sie nicht als Freunde oder Bekannte identifiziert werden können.“ Das kann im Umkehrschluss bedeuten, so Wehr: „Bekannte Moderatoren und deren Stimmen erzeugen ein Gefühl der Sicherheit. Ihre Stimmen sind vertraut. Sie können die Zusehenden einlullen, weil sie Geborgenheit signalisieren.“