Im Rahmen der Pressekonferenz
»PraxisLeitlinie konkret«, die im Anschluss an die
Auftaktpressekonferenz des Schmerz- und Palliativtages in
Frankfurt/Main stattfand, wurde am Beispiel der Indikation
Kreuz-/Rückenschmerz und der für die diese Indikation wichtigen
Muskeltonus-beeinflussenden Wirkstoffe, Methodik und Zielsetzung der
DGS PraxisLeitlinien Schmerztherapie vorgestellt.
„Mit den DGS PraxisLeitlinien Schmerztherapie wollen wir die
Qualität der schmerztherapeutischen Versorgung flächendeckend
verbessern“, erläuterte PD Dr. Michael A. Überall, Vizepräsident der
Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie (DGS) die Ziele der
PraxisLeitlinien. „Dabei gilt es, die Stellung der Patienten zu
stärken sowie formal-inhaltliche und praktisch-rationale Grundlagen
für eine rechtssichere praktische Versorgung in Praxis, Klinik und
für Konzepte der strukturierten und integrierten Versorgung zu
schaffen“, führte PD Dr. Michael A. Überall weiter aus. Die DGS
PraxisLeitlinien werden zunächst auf drei parallelen Ebenen
Empfehlungen liefern: zu Wirkstoffen und Fertigarzneimitteln (Ebene
1), zu nichtmedikamentösen Verfahren der täglichen Praxis (Ebene 2)
sowie zu interventionellen Prozeduren und operativen Verfahren (Ebene
3). Auf einer übergeordneten Stufe (Ebene 4) werden daraus
schließlich Empfehlungen zum praktischen Vorgehen in der täglichen
Praxis in Form definierter Behandlungsalgorithmen abgeleitet.
Sämtliche Empfehlungen der Ebenen 1-3 werden nach fünf Kriterien
erstellt:
– der Zulassungssituation des Medikaments oder Verfahrens (Z),
– der dazu verfügbaren externen Evidenz aus kontrollierten Studien
(E1),
– der standardisiert erhobenen klinischen Erfahrung der
Therapeuten (interne Evidenz, E2),
– den Erfahrungen der Patienten mit den Therapiemaßnahmen (E3)
sowie
– den Daten zu Sicherheit und Verträglichkeit (U).
Jedes einzelne Kriterium wird anhand einer drei- oder
sechsstufigen Skala von stark positiv (A) bis stark negativ (F)
bewertet. Auf Grund der großen Bedeutung muskulär verursachter
Rückenschmerzen wurden als erstes Wirkstoffe, die den Muskeltonus
beeinflussen, entsprechend der Leitlinien-Kriterien evaluiert. Der
selektive neuronale Kaliumkanalöffner (SNEPCO) Flupirtin ist ein
Wirkstoff mit analgetischer und zusätzlich
Muskeltonus-normalisierender Wirkung. In den DGS PraxisLeitlinien
erhält Flupirtin für die Indikation Kreuz-/Rückenschmerzen die
höchstmögliche Bewertung bzgl. externer Evidenz (E1=A), interner
Evidenz (E2=A) und Patientenerfahrung (E3=A), welche den Wirkstoff –
in Verbindung mit der für diese Indikation explizit bestehenden
Zulassung (Z=A) und der auch in Langzeitanwendung guten
Verträglichkeit (U=A) – als effektive und sichere Therapie für
Patienten mit muskulär bedingten Schmerzen charakterisiert (Tab.1).
Tabelle 1
Bewertung der SNEPCO-Substanz Flupirtin, eines Analgetikums mit
muskeltonus-beeinflussender Wirkung bzgl. des Einsatzes bei
Kreuz-/Rückenschmerzen:
Wirkstoff Handelsname Z E1 E2 E3 U Score Rang
Flupirtin Katadolon®, Trancopal® A A A A A 1.0 1
Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der ebenfalls nach den
Kriterien der DGS PraxisLeitlinien für die Indikation
Kreuz-/Rückenschmerz bewerteten anderen Muskeltonus-beeinflussenden
Wirkstoffe (Myotonolytika, Muskelrelaxanzien, siehe Übersicht unten,
Tab. 2 und 3) ist Flupirtin damit Mittel der 1. Wahl bei muskulär
verursachten Schmerzen (da es nicht nur in Deutschland für die
Indikation Kreuz-/Rückenschmerz zugelassen ist und über eine hohe
externe Evidenz verfügt, sondern auch, weil umfangreiche Daten zu
Praxiserfahrungen von Ärzten (sog. interne Evidenz) und zu sog.
„patient-reported/relevant outcomes“ (PRO) vorliegen und die Substanz
im praktischen Alltag durch eine gute Verträglichkeit und – bei
regelrechter Anwendung – hohe Sicherheit charakterisiert ist).
Tabelle 2
Übersicht über die Bewertung der in Deutschland aktuell
zugelassenen Myotonolytika, Muskelrelaxanzien oder anderer
Muskeltonus-beeinflussender Medikamente bzgl. ihres Einsatzes bei
Kreuz-/Rückenschmerzen:
Wirkstoff Handelsname (z.B.) Z E1 E2 E3 U Score Rang
Methocarbamol Ortoton®, DoloVisano® A D C D A 2.2 2
Tetrazepam Musaril® B A D D C 2.4 3
Tizanidin Sirdalud® A C D D C 2.6 4
Prinidolmesilat Myoson® direkt A C D D C 2.6 4
Diazepam Valium® B B D D C 2.6 4
Tolperison Viveo® B C D D B 2.6 4
Orphenadrin Norflex® B D D D B 2.6 4
Tabelle 3
Übersicht über die Bewertung weiterer, in Deutschland nicht
zugelassener (jedoch über Versandapotheken z.T. verfügbarer)
Muskeltonus-beeinflussender Medikamente bzgl. ihres Einsatzes bei
Kreuz-/Rückenschmerzen:
Wirkstoff Handelsname (z.B.) Z E1 E2 E3 U Score Rang
Chlormezanon (nicht mehr verfügbar!) – C D D C 3.6 5
Carisoprodol Soma® – D D D C 3.6 5
Chlorzoxazon Myospaz® – D D D C 3.6 5
Cyclobenzaprin Flexeril® – D D D C 3.6 5
Meprobamat Miltaunt® – D D D C 3.6 5
Metaxolon Skalaxin® – D D D C 3.6 5
„Natürlich entbinden auch die DGS PraxisLeitlinien niemanden
hinsichtlich seiner ärztlichen Verpflichtungen, seiner Sorgfalt und
Verantwortung bei der Verordnung bestimmter Therapieoptionen“,
erläutert PD Dr. Michael A. Überall, „aber sie geben für den
praktischen Alltag wichtige Informationen bzgl. der aktuell
verfügbaren Behandlungsalternativen und stellen somit eine wichtige
Erleichterung der alltäglichen Arbeit dar“.
Entscheidende Vorteile der DGS PraxisLeitlinien im Vergleich zu
anderen Leitlinien liegen in deren Transparenz und Eindeutigkeit, der
Möglichkeit ständiger Aktualisierung und der leicht verständlichen
Praxis- und Handlungsorientierung. Neben dem für die Kostenübernahme
wichtigen Zulassungsstatus (Z) und der wissenschaftlichen externen
Evidenz (E1), fließen auch klinische Erfahrung (sog. interne Evidenz,
E2) und die Einschätzung durch die Patienten (E3) in die Bewertung
mit ein und erlauben -zusammen mit der Bewertung von Sicherheit und
Verträglichkeit (U) – auf einen Blick eine klare und eindeutige
Differenzierung zwischen den verschiedenen Behandlungsalternativen.
„Medizinische Leitlinien sind aus dem klinischen Alltag nicht mehr
wegzudenken und beeinflussen das diagnostische und therapeutische
Handeln zunehmend“, betonte Dr. Gerhard H. H. Müller-Schwefe,
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie (DGS) in der
Pressekonferenz und forderte alle in der Patientenversorgung aktiv
Beteiligten auf, „sich über bestehende Leitlinien zu informieren und
sich konstruktiv und kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen.“
„Leitlinien unterliegen – trotz umfangreicher formaler Vorschriften –
keiner Normierung. Sie sind daher in sehr unterschiedlicher Qualität
verfügbar, werden häufig den selbstgesetzten Zielen und
Qualitätsanforderungen nicht gerecht und entsprechen nicht dem
aktuellen fachlichen Entwicklungsstand oder den nationalen
Gegebenheiten“, erläuterte Dr. Gerhard H. H. Müller-Schwefe seine
Forderung und nannte die jüngst veröffentlichte Nationale
Versorgungsleitlinie (NVL) Kreuzschmerz als Beispiel. In dieser
werden bestimmte Wirkstoffe wie Methocarbamol – ohne nennenswerte
externe Evidenz – objektiv nicht nachvollziehbar als
Behandlungsoption empfohlen, während andere Wirkstoffe, wie z.B.
Flupirtin – trotz umfangreicher Evidenz auf allen genannten Ebenen –
abschlägig beurteilt werden.
Dass Flupirtin in der NVL Kreuzschmerz einer Fehlbewertung
unterliegt, wird mittlerweile auch durch neue Studienergebnisse
belegt. Mit der neuen SUPREME-Studie liegen Daten einer doppelblind
randomisierten aktiv- und placebo-kontrollierten Studie bei Patienten
mit Kreuzschmerzen vor, die nicht nur die signifikante Überlegenheit
von Flupirtin retard gegenüber Plazebo, sondern vor allem auch den
überlegenen Nutzen im Vergleich zu Tramadol retard belegen. In dieser
kontrollierten dreiarmigen Parallelgruppenstudie wurden insgesamt 326
Patienten mit Kreuzschmerzen mittlerer bis starker Intensität über
vier Wochen mit Placebo (n=110), retardiertem Flupirtin (Katadolon® S
long, 400 mg 1x täglich, n=109) oder retardiertem Tramadol (T-long®,
200 mg 1x täglich, n=107) behandelt. Ihr individuelles
Behandlungsziel (IBZ) erreichten 38% der Patienten unter Placebo, 43%
unter retardiertem Tramadol und 54% unter retardiertem Flupirtin.
Flurpirtin retard war damit Placebo bezüglich des IBZ signifikant
überlegen (p=0,022). Tramadol dagegen erreichte die
Signifikanzschwelle nicht. Auch die bekannten Daten zur guten
Verträglichkeit von retardiertem Flupirtin konnte die SUPREME-Studie
durch Placebo-vergleichbare Abbruchraten eindrucksvoll bestätigen.
„Am Beispiel Flupirtins werden die Unterschiede zwischen den
bestehenden Leitlinien und der PraxisLeitlinie deutlich“, fasst PD
Dr. Michael A. Überall die Beiträge der Pressekonferenz zusammen und
zeigte eine weitere Zielstellung der PraxisLeitlinie auf: „Mit Hilfe
der neuen PraxisLeitlinie als Alternative zu herkömmlichen
Empfehlungen soll auch die rechtliche Situation der
Schmerztherapeuten und der Patienten verbessert werden.“ Die
Pressekonferenz »PraxisLeitlinie konkret« wurde von der Firma
AWD.pharma/CT Arzneimittel unterstützt.
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