Erste wissenschaftliche Veröffentlichung im Jahr
2008: Unter Therapie keine HIV-Übertragung möglich / Das Wissen nimmt
Ängste und wirkt Ausgrenzung entgegen / Deutsche AIDS-Hilfe: „Jeder
Mensch sollte Bescheid wissen!“ / „Flying Condoms“-Aktionen in
mehreren Städten
Die Veröffentlichung war eine Sensation, ein Tabubruch, der Beginn
einer heftigen Debatte: Am 30.1.2008 platzierte die Eidgenössische
Kommission für Aids-Fragen (EKAF) in der Schweizerischen Ärztezeitung
einen Text, der als „Swiss-Statement“ in die Medizingeschichte
einging. Die zentrale Aussage: HIV ist unter einer gut wirksamen
Therapie beim Sex nicht übertragbar.
Die HIV-Spezialisten um den Infektiologen Pietro Vernazza wollten
damit HIV-Positiven wie HIV-Negativen Ängste nehmen und Menschen mit
HIV ein „weitgehend ,normales“ Sexualleben ermöglichen.“
Sie beriefen sich dabei auf Grundlagenforschung und Studien zur
HIV-Übertragung in Partnerschaften. Dafür wurden sie von einigen
gefeiert, von anderen scharf angegriffen: Für HIV-positive Menschen
und ihre Partner_innen war die Aussage eine große Entlastung.
Kritiker bezweifelten die Verlässlichkeit.
Nicht-Übertragbarkeit unter HIV-Therapie ist bewiesen
10 Jahre später haben die Studien HPTN052, PARTNER und Opposites
Attract klar bewiesen: Die Schweizer hatten Recht. „Schutz durch
Therapie“ ist längst eine anerkannte Safer-Sex-Strategie: Schutz vor
HIV besteht unter bestimmten Bedingungen (HIV über sechs Monate nicht
mehr im Blut nachweisbar, regelmäßige Einnahme der Tabletten) auch
ohne Kondom.
In den Studien kam es weltweit unter gut wirksamer HIV-Therapie zu
keiner einzigen Übertragung – bei Zigtausenden kondomlosen Kontakten
in gemischt HIV-positiv-negativen Paarbeziehungen. Eine frühzeitige
Behandlung von Menschen mit HIV wird heute weltweit als wichtiges
Mittel zur Vermeidung weiterer Übertragungen betrachtet.
Dazu erklärt Sylvia Urban vom Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe:
„Die Veröffentlichung der EKAF war eine Pionierleistung. Heute
gibt es keinen Zweifel mehr an der Schutzwirkung der Therapie. Dieses
Wissen trägt für viele Menschen zu einer erfüllten Sexualität ohne
Angst bei.“
Erschreckende Wissenslücken
Doch dieses Wissen haben noch immer nur 10% der Bevölkerung. Das
brachte Ende 2017 eine repräsentative Befragung der Bundeszentrale
für gesundheitliche Aufklärung ans Licht. Zugleich haben viele
Menschen sogar immer noch irrationale Ängste vor einer Übertragung im
Alltag (über Geschirr, Toiletten oder auch nur eine Umarmung) – die
schon immer völlig unmöglich war.
DAH-Vorstand Sylvia Urban:
„Diese Erkenntnisse sind erschreckend und offenbaren großen
Handlungsbedarf. Das Wissen, dass HIV unter Therapie nicht
übertragbar ist, kann Infektionsängste nehmen und damit auch
Zurückweisung von HIV-positiven Menschen im Alltag verhindern. Jeder
sollte diese gute Nachricht kennen! Die HIV-Prävention in Deutschland
muss diese entlastende Information offensiver in die Öffentlichkeit
tragen als bisher.“
Aktion von Menschen mit und ohne HIV
Um das Jubiläum des Swiss Statements zu feiern und auf das
mangelnde Wissen in der Bevölkerung hinzuweisen, organisieren
HIV-positive und solidarische Aktivist_innen am 3. Februar unter dem
Titel „Flying Condoms“ Aktionen in Berlin, Kassel, Magdeburg und
München (https://www.facebook.com/3rdFebruary2018/).
Große Mehrheit erfolgreich therapiert
In Deutschland leben laut Robert-Koch-Institut rund 88.400
Menschen mit HIV, 75.700 wissen von ihrer Infektion. 64.900 nehmen
Medikamente gegen das Virus. Die Therapiequote der wissentlich
HIV-positiven Menschen liegt also bei 86%. Bei 93% der Therapierten
ist HIV nicht mehr nachweisbar.
Mehr Informationen:
Swiss Statement:
http://www.aids.ch/de/downloads/pdfs/EKAF-Statment_2008-05-089.pdf
Weitere wichtige Informationen über Schutz durch Therapie (auch
hinsichtlich anderer sexuell übertragbarer Infektionen):
https://www.aidshilfe.de/schutz-therapie
Umfassende Infoseite zum Jubiläum mit wissenschaftlichen Fakten,
persönlichen Geschichten und historischen Hintergründen:
https://magazin.hiv/2018/01/28/10-jahre-schutz-durch-therapie/
BZgA-Befragung zum Wissen über Schutz durch Therapie und
Infektionsängste: http://ots.de/tcfpr
Pressekontakt:
Deutsche AIDS-Hilfe
Holger Wicht
Pressesprecher
Tel. 030 69 00 87 16
holger.wicht@dah.aidshilfe.de
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