Wie aussagekräftig sind die Leitlinien zur
Langzeitanwendung von Opioiden? Wo liegen die Grenzen der
multiprofessionellen Schmerzmedizin? Was bieten neue
Dokumentationsprogramme? Diesen und weiteren Fragen geht die Deutsche
Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) beim diesjährigen
„Innovationsforum Schmerzmedizin – Fakten, Hintergründe,
Perspektiven“ vom 14. bis 15. November 2014 in Berlin nach. Mit dem
Ziel, die Versorgung der rund 27 Millionen Menschen mit chronischen
Schmerzen in Deutschland zu verbessern.
Laut einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe von 23 Millionen
Menschen mit chronischen Schmerzen leiden rund 2,2 Millionen davon
unter problematischen Schmerzkrankheiten und den damit assoziierten
psychischen Beeinträchtigungen. Das Problem: Viele Patienten sind von
einem Fachgebiet aus aufgrund der jeweiligen Fachgebietsgrenzen nicht
mehr adäquat zu versorgen. „Patienten mit chronischen Schmerzen haben
neben den körperlichen Problemen, als Bestandteil und Folge ihrer
Erkrankung häufig auch soziale und psychische Schwierigkeiten. Der
diagnostische Aufwand unter Einbeziehung der verschiedenen
Disziplinen, wie Schmerzmedizin, Psychologen, ggf. Neurologen und
Orthopäden sowie Physiotherapeuten ist enorm“, erklärt Dr. med.
Gerhard H. H. Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft
für Schmerzmedizin e.V. Die weitere Begleitung der Patienten unter
Beteiligung der notwendigen Disziplinen stößt in der Realität häufig
an Grenzen und zeigt, dass dieses Versorgungskonzept nur für eine
geringe Anzahl an Patienten an einzelnen Standorten umsetzbar ist.
Sicherstellung der Versorgung durch Facharzt für Schmerzmedizin
Die Schmerzmedizin, mit ihren Diagnose- und Therapieinhalten ist
keinem einzelnen Fachgebiet zuzuordnen. Daher sollte der betreuende
Arzt sowohl über orthopädisch-funktionelle, neurologische und
psychologisch-psychiatrische Kenntnisse verfügen sowie Verfahren der
diagnostischen und therapeutischen Lokalanästhesie beherrschen. „Für
uns ist daher der Facharzt für Schmerzmedizin unabdingbar, nur
jemand, der in all diesen Bereichen ausgebildet ist, ist in der Lage,
diese Patienten mit allen Aspekten ihrer Erkrankung diagnostisch und
therapeutisch zu begleiten“, weiß Müller-Schwefe.
Opioide in der Langzeittherapie – Leitlinien geben zu wenig
Antworten
Nach wie vor besteht eine große Unsicherheit in der
Langzeitanwendung von Opioiden, insbesondere bei nicht tumorbedingten
chronischen Schmerzen. „Die entsprechenden Leitlinien haben diese
Verunsicherung nicht aufheben können, sondern eher vergrößert“,
erklärt Dr. med. Dipl. Lic. Psych. Johannes Horlemann, Vizepräsident
der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e. V. (DGS). Auch in
der ärztlichen Wahrnehmung seien die medizinischen Leitlinien (z. B.
AWMF) in der Versorgung bisher nicht angekommmen. Die Leitline
„Neuropatischer Schmerz“ gilt beispielsweise in der Praxis als nicht
oder wenig umsetzbar: „Es fehlen Antworten zu den
versorgungsrelevanten Fragestellungen“, so Horlemann. Deshalb hat die
Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. neue praxisbezogene
Leitlinien entwickelt. Die Praxisleitlinie „Tumorschmerz“ und
„Tumorbedingte Durchbruchschmerzen“ wurden 2014 veröffentlicht und
berücksichtigen neben der evidenzbasierten Wissenschaft die
Erfahrungen der Patienten und Anwender gleichrangig. „Das ist eine
echte Hilfe im Praxisalltag“, so das Fazit von Horlemann.
DGS-PraxisRegister: Weg von der Theorie – hin zur Praxis
„Die bisher für Zulassungsfragen wichtigen, randomisierten,
placebokontrollierten Studien sind nur bedingt dazu geeignet, die
Wertigkeit eines Arzneistoffes oder einer nichtmedikamentösen
Maßnahme für den konkreten Behandlungsfall im praktischen Alltag zu
belegen“, beschreibt Dr. Michael Überall, Vizepräsident der Deutschen
Gesellschaft für Schmerzmeidzin e.V. die aktuelle Situation. Zu
realitätsfern, zu theoretisch, zu artifiziell seien die Bedingungen,
unter denen diese Studien infolge komplexer rechtlicher Vorgaben
nationaler und internationaler Zulassungsbehörden durchgeführt werden
müssen. „Patient-reported/relevant“ (PRO) werde gefordert: „Sie
sollten aber unter Alltagsbedingungen erhoben werden, mit dem Ziel,
mögliche Bias gering zu halten bzw. zu vermeiden“, so Überall.
Aus diesem Grund hat der Vorstand der DGS im Sommer 2014 mit dem
DGS PraxisRegister Schmerz ein bundesweites
Versorgungsforschungsprojekt initiiert, dessen Alltagstauglichkeit
aktuell in insgesamt sechs Testzentren evaluiert wird. Das Programm
wird im Rahmen des DGS-Innovationsforums erstmalig der Öffentlichkeit
präsentiert.
Grundlage des neuen Dokumentationsprogrammes ist eine Plattform-
und Betriebssystem-unabhängige, responsive Webanwendung (iDocLive®).
Für die standardisierte Dokumentation stehen aktuell verfügbare
schmerzmedizinische Instrumente, wie z. B. der Deutsche
Schmerzfragebogen und das Deutsche Schmerztagebuch in elektronischer
Form und in verschiedenen Sprachen zur Verfügung. Neben der
elektronischen Dateneingabe ist die einfache Skalierbarkeit ein
wichtiger Vorteil: Das System ist flexibel handhabbar, sodass nicht
nur große, spezialisierte Schmerzzentren mit einer entsprechenden
personellen und finanziellen Ausstattung, sondern auch kleinere
Praxen mit schmerzmedizinisch interessierten Ärzten von dem Programm
profitieren können. Es erfasst erstmalig auch Langzeiterfahrungen mit
den verschiedenen zugelassenen Opioiden. „Die pseudonymisierten Daten
des DGS-PraxisRegisters erlauben Einblicke in die Realtiät der
Patientenversorgung und eröffnen neue Perspektiven für eine praxis-
bzw. patientenrelevante Versorgungsforschung“, so Überall.
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