Wenn Handelsschiffe über die Weltmeere schippern,
reist das Umweltrisiko häufig mit. Sobald sich Algen und Muscheln an
Rümpfen festsetzen, nimmt der Wasserwiderstand zu, Spritverbrauch und
Schadstoffausstoß steigen ins Beispiellose. Damit das nicht passiert,
werden Schiffswände speziell beschichtet. Diese Anstriche sind aber
oft giftig und schaden den Wasserlebewesen. Das
Bionik-Innovations-Centrums (B-I-C) der Hochschule Bremen hat einen
giftfreien, streichfähigen Schutzanstrich gegen Bewuchs für Boote
entwickelt, dessen Wirkungsmechanismus nun auch bei großen Schiffen
angewendet werden soll. Mit der Firma Wilckens Farben (Glückstadt)
und 350.000 Euro der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) soll ein
Spritzlack neu entwickelt werden, der die guten Erfahrungen mit den
manuellen Bootsanstrichen auf große Flächen und industrielle
Verfahren mit hohen Lackiergeschwindigkeiten überträgt.
„Schiffe werden vor Bewuchs, Gewässer vor Giften geschützt.
Gleichzeitig können Kraftstoffverbrauch und Schadstoffausstoß
deutlich gesenkt werden“, sagt Prof. Dr. Antonia Kesel vom B-I-C.
Vorbild für die giftfreie Farbe ist die besondere Hautstruktur von
Haien. In der Schifffahrt stelle der ungewollte Bewuchs an Rümpfen
seit jeher ein zentrales ökologisches und ökonomisches Problem dar,
sagt DBU-Generalsekretär Dr.-Ing. E. h Fritz Brickwedde: „Bereits
kleinste Ablagerungen an der Schiffsunterseite führen dazu, dass der
übliche Kraftstoffverbrauch von Frachtschiffen von etwa drei
Millionen Tonnen jährlich um bis zu 25 Prozent ansteigen kann.“ Hinzu
kämen Unmengen an Treibhausgasen wie Kohlendioxide oder
Schwefeloxide, die bei der Fahrt in die Luft gepustet würden. Eine
scheinbare Lösung seien in der Vergangenheit so genannte
Antifouling-Farben gewesen, metallhaltige Breitbandgifte (z.B.
Tributylzinn, TBT), die die anhaftenden Organismen abtöteten,
ergänzte Kesel. Doch die „hochgiftigen Inhaltsstoffe“ hätten bei
zahlreichen Tierarten nachweislich zu Unfruchtbarkeit geführt und
seien 2008 schließlich verboten worden.
In früheren Modellprojekten habe das B-I-C bereits eine „grüne“
Alternative zu den bisher verwendeten Antifoulings entwickelt und
gemeinsam mit der Firma Vosschemie seit 2009 am Markt platziert,
erinnert Dr. Jörg Lefèvre, Experte für umweltfreundliche Verfahren
und Produkte bei der DBU. Die Farbe könne bislang nur für den
manuellen Anstrich kleiner Flächen, nicht aber im großtechnischen
Maßstab eingesetzt werden, da der Lack nicht auf die in der Industrie
gängigen Spritzverfahren abgestimmt sei. Für den großflächigen
Einsatz müsse die Rezeptur neu entwickelt werden, seien
Untersuchungen im Labor und am Objekt erforderlich. „Die
wissenschaftlich-unternehmerische Kooperation bildet dafür eine
hervorragende Voraussetzung“, betont Brickwedde.
Das Besondere an dem neuen Lack sei, dass er allein auf der Basis
physikalischer Eigenschaften funktioniere und keinerlei Biozide, wie
Kupferpulver oder Kupfersalze, in die Umwelt abgebe. Ideengeber war
laut Kesel die Natur: „Haie besitzen auf ihrer Haut kleine ‚Zähne‘,
die so genannten Dentikel. Sie sind so ausgerichtet, dass sich die
Haut glatt anfühlt, wenn man dem Hai vom Kopf zum Schwanz über den
Rücken streicht; anders herum ist sie dagegen rau.“ Diese besondere
Hautstruktur senke den Wasserwiderstand und verbessere die
Beweglichkeit des Tieres. Die ähnlich konzipierte raue Oberfläche des
Lacks erschwere es Wasserlebewesen, sich am Schiffsrumpf zu
verankern. Durch den regelmäßigen Wasserstrom werde der lose
anhaftende Algenschleim mitgerissen und bilde keinen weiteren
Nährboden für andere Organismen – „eine Art Selbstreinigung“, so
Kesel. Durch die geringeren Strömungswiderstände könne Sprit gespart
und der Ausstoß von Treibhausgasen gesenkt werden.
Im Projekt solle die neue Lackrezeptur auch ökologisch weiter
optimiert werden, sagt Lefèvre. Bei erfolgreicher Einführung der
Farbe in den Markt könne nicht nur der Gifteintrag in die Umwelt
verringert werden, sondern auch die Wahrscheinlichkeit, dass durch
den Bewuchs an Schiffen fremde Tierarten eingeschleppt würden, die
die heimische Artenvielfalt gefährdeten.
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