+++Empirische Untersuchung von 380.000 Berufswegen in Norwegen+++
Künstliche Intelligenz, autonome Fahrzeuge oder smarte Roboter verändern die Arbeitswelt rasant. Viele Menschen haben Angst, künftig von Maschinen ersetzt zu werden. Aktuelle Forschung zeigt jedoch, dass der Karriere-Ausblick nicht negativ sein muss. Das zeigen die Berufswege junger Landarbeiterinnen, die in den 1950er Jahren durch Melkmaschinen aus der norwegischen Landwirtschaft verdrängt wurden. Die Studie vom EPoS Economic Research Center der Universitäten Bonn und Mannheim kommt zu dem Schluss, dass Weiterqualifizierung und Bildung für langfristigen Erfolg auf dem Arbeitsmarkt entscheidend sind, wenn Aufgaben des Menschen durch Maschinen automatisiert werden.
Das Melken von Hand war traditionell eine Aufgabe für junge Frauen in der Landwirtschaft. Diese Landarbeiterinnen wurden in den 1950er Jahren zu Hunderttausenden durch die Einführung von Melkmaschinen verdrängt. „Das war ein echter Technologieschock“, sagt Philipp Ager vom EPoS Economic Research Center. „Wir haben die Folgen und Berufswege der Arbeiterinnen über einen Zeitraum von 40 Jahren untersucht. Anfangs zahlten die Frauen tatsächlich einen hohen Preis: Sie verloren ihren Arbeitsplatz und wurden sogar komplett aus der Landwirtschaft verdrängt. Die Analyse zeigt aber auch, dass die Betroffenen langfristig profitiert haben.“
Investitionen in Bildung entscheidend
Der Grund: Die betroffenen Frauen zogen in die norwegischen Städte und investierten in ihre Bildung. Später, im mittleren Alter, hatten sie dann höher qualifizierte Arbeitsplätze und ein besseres Einkommen als Frauen, die nicht verdrängt worden waren. „Wichtig ist, dass diese positive Entwicklung ohne die anfängliche Investition in bessere Bildung nicht möglich gewesen wäre“, sagt Ager.
Männer blieben auf dem Land
Im Unterschied zu den jungen Frauen wurden die Männer durch die neue Melk-Technologie nicht verdrängt und blieben zumeist in ländlichen Gebieten. Diese Entwicklung trug dazu bei, das Einkommensgefälle zwischen den Geschlechtern in Norwegen zu verringern. Ein weiterer positiver Effekt für die Wirtschaft: Da die Frauen in die Städte zogen, gingen die Arbeitskräfte stärker in die Wirtschaftssektoren, wo große Nachfrage herrschte.
In den Städten gab es in dieser Zeit ein großes Arbeitsangebot. Die Wirtschaft war im Umbruch und wuchs rasant, vor allem das verarbeitende Gewerbe und der Dienstleistungsbereich. Diese wirtschaftliche Dynamik ist neben dem Faktor „Weiterbildung“ dafür verantwortlich, dass die ursprünglich verdrängten Frauen im Durchschnitt langfristig profitierten.
Parallelen zur aktuellen KI-Debatte
„Unsere Ergebnisse weisen einige Parallelen zur heutigen Debatte über die Einführung hochentwickelter Technologien wie künstliche Intelligenz, selbstfahrende Fahrzeuge und Industrieroboter auf“, sagt Ager. „Es gibt die Sorge, dass die neuen Technologien – genau wie seinerzeit die Melkmaschinen – traditionelle Arbeitsplätze ersetzen könnten. Unsere Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, die künftig benötigten Fähigkeiten zu vermitteln. Die Politik und Unternehmen sollten die Menschen dabei unterstützen, sich rechtzeitig auf die Veränderungen in der Arbeitswelt vorzubereiten.“
Das vorgestellte Diskussionspapier ist eine Publikation des Sonderforschungsbereichs (SFB) Transregio 224 EPoS. Die vollständige Studie „Gender-biased technological change: Milking machines and the exodus of women from farming“finden Sie hier: https://www.crctr224.de/research/discussion-papers/archive/dp535
Eine Liste aller Diskussionspapiere des SFB finden Sie hier: https://www.crctr224.de/research/discussion-papers.
Die Autoren
Philipp Ager, Professor für Volkswirtschaftslehre, Universität Mannheim und Mitglied des EPoS Economic Research Center
Marc Goñi, Associate Professor, Abteilung Volkswirtschaftslehre, Universität Bergen
Kjell G. Salvanes, Professor für Volkswirtschaftslehre, Norwegische Handelshochschule NHH, Bergen
Der Sonderforschungsbereich Transregio 224 EPoS
Der 2018 eingerichtete Sonderforschungsbereich Transregio 224 EPoS (https://www.crctr224.de/en), eine Kooperation der Universität Bonn und der Universität Mannheim, ist eine langfristig angelegte Forschungseinrichtung, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. EPoS befasst sich mit drei zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen: Wie kann Chancengleichheit gefördert werden? Wie können Märkte angesichts der Internationalisierung und Digitalisierung der Wirtschaftstätigkeit reguliert werden? Und wie kann die Stabilität des Finanzsystems gesichert werden?
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Abteilung Volkswirtschaftslehre
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68161 Mannheim
philipp.ager@uni-mannheim.de
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