„Zugriff auf das menschliche Erbgut. Neue
Möglichkeiten und ihre ethische Bewertung“ war das Thema der
Jahrestagung des Deutschen Ethikrates, zu der am gestrigen Mittwoch
über 500 Teilnehmer in Berlin zusammengekommen sind.
Das menschliche Erbgut gezielt zu verändern, ist dank neuer,
sogenannter „genomchirurgischer“ Verfahren wie der
Crispr-Cas9-Technik in greifbare Nähe gerückt. Fragen, die aus der
ethischen Debatte über Gentherapie mittels Virus-Transfer bereits
bekannt sind, stellen sich neu: Sollen Eingriffe in die Keimbahn beim
menschlichen Embryo verboten bleiben, erlaubt werden, oder sind sie
gar geboten? Was gebietet die Verantwortung gegenüber künftigen
Generationen? Muss man Sorge haben, dass die Einfachheit der neuen
Verfahren zu einer unkritischen Anwendung der Technik verleitet?
Peter Dabrock, der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, setzte
zur Eröffnung der Tagung hohe Maßstäbe: „Undifferenziertes
Bedenkenträgertum ist per se genauso wenig die Aufgabe ethischer
Reflexion wie die nachträgliche moralische Weihe schon längst
etablierter Verfahren.“ Dabrock zufolge gehe es vielmehr darum zu
prüfen, „worauf wir als Gesellschaft uns einlassen oder eben nicht
einlassen wollen mit Crispr-Cas9 und Co.“.
Im Einführungsvortrag unterzog Jörg Vogel von der Universität
Würzburg die Genom-Editierung einer kritischen Betrachtung. Dem
enormen Innovationspotenzial, das die neuen Methoden für die
Grundlagenforschung, aber auch für die Pflanzenzüchtung, die
Biotechnologie oder die Behandlung von genetisch bedingten
Krankheiten zweifellos in sich trügen, stünden weitreichende soziale,
rechtliche und ethische Fragen gegenüber, über die sich die
Gesellschaft im Sinne eines verantwortungsbewussten Handelns
verständigen müsse.
Die medizinischen Handlungsoptionen waren Gegenstand des Vortrags
von Karl Welte von der Universität Tübingen. Die mit den neuen
Methoden möglichen Eingriffe in das Genom seien zwar überraschend
einfach, so Welte, und die Behandlung genetisch bedingter Krankheiten
könnte davon profitieren, es gebe aber erhebliche Bedenken gegen
Eingriffe in die Keimbahn. Solange nicht klar sei, welche
unvorhersehbaren Auswirkungen die gezielten Veränderungen der
genetischen Information in der menschlichen Keimbahn mit sich
brächten, so Weltes Plädoyer, sollten in der Medizin Alternativen wie
die Präimplantationsdiagnostik und die Stammzelltransplantation
weiter genutzt werden.
Jochen Taupitz von der Universität Mannheim stellte die geltende
Rechtslage vor. Demnach verbiete das Embryonenschutzgesetz zwar die
künstliche Veränderung der menschlichen Keimbahn, es enthalte aber
erhebliche Unklarheiten und Lücken. Die Begründung des Gesetzgebers,
Keimbahninterventionen wegen der damit verbundenen Gefahren für die
danach geborenen Menschen unter Strafe zu stellen, könnte, so
Taupitz, künftig entfallen, wenn derartige Interventionen hinreichend
sicher durchgeführt werden könnten.
Mit Blick auf die ethischen Fragen der „Genomchirurgie“ plädierte
Wolfgang Huber von der Humboldt-Universität Berlin dafür, „weder den
Heils- noch den Unheilspropheten das Feld zu überlassen, sondern von
Menschen erdachte Innovationen als Feld verantwortlicher Gestaltung
anzusehen“. Unterschiedliche ethische Herausforderungen
identifizierte er bei somatischer Gentherapie und
Keimbahnintervention. Letztere sei nach dem derzeitigen Stand deshalb
abzulehnen, weil die damit verbundenen Risiken noch überhaupt nicht
absehbar und deshalb auch nicht mit den damit verbundenen Chancen
abwägbar seien. Außerdem sei es notwendig, denkbare Therapien klar
von der ethisch problematischen genetischen Verbesserung zu
unterscheiden. Zur Unverfügbarkeit der menschlichen Identität, deren
Bedeutung Huber betonte, gehöre es, den Menschen nicht gemäß einem
von anderen entworfenen Bauplan zu konstruieren und zu produzieren.
Die gesellschaftliche Kontroverse über „Genomchirurgie“ spiegelte
sich in den vier Streitgesprächen des Nachmittags wider. Im
Mittelpunkt der Diskussionsrunden, in die sich auch das Publikum
intensiv einschaltete, standen die Fragen, ob „Genomchirurgie“ beim
menschlichen Embryo verboten, erlaubt oder gar geboten sei, was die
Verantwortung für zukünftige Generationen gebiete, ob die Bewahrung
des „Natürlichen“ der Genom-Editierung Grenzen setze und ob die
Einfachheit der neuen Verfahren zu einer unkritischen Anwendung der
Technik verleite. Bei allen Divergenzen zeichnete sich in allen
Diskussionsrunden ein Konsens insofern ab, als die weitere Forschung
auf dem Gebiet der Genomchirurgie aufmerksam verfolgt und durch einen
breiten gesellschaftlichen Diskurs flankiert werden muss und ein
klinischer Einsatz an menschlichen Embryonen nicht infrage kommt,
solange die Methode nicht als hinreichend sicher gilt.
Das Programm der Veranstaltung sowie in Kürze auch die Vorträge
und Diskussionsbeiträge der Teilnehmer inklusive des Audio- und
Videomitschnitts können in Kürze unter http://ots.de/b5TvF abgerufen
werden.
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Deutscher Ethikrat
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