Die weithin verbreitete Vorstellung, dass ökologischer Landbau
vorteilhafter für den Erhalt der Artenvielfalt sei als
konventioneller Landbau, hält einer gründlichen wissenschaftlichen
Überprüfung nur sehr bedingt stand. Lediglich bei einer Betrachtung,
die allein die bewirtschaftete Ackerfläche zum Maßstab nimmt,
schneidet er besser ab. Bezogen auf den Ernteertrag (z. B. eine Tonne
Weizen je Hektar) geht dagegen deutlich weniger Artenvielfalt bei
konventioneller Bewirtschaftung verloren. Die Ursache dafür ist der
mehr als doppelt so hohe Flächenertrag der produktiveren modernen
Landwirtschaft. Zu diesem Ergebnis kommt eine heute im Rahmen der
Internationalen Grünen Woche 2016 in Berlin vorgestellte Studie der
HFFA Research GmbH, der Forschungs- und Politikberatungsgesellschaft
des Humboldt Forum for Food and Agriculture e. V. (HFFA). In Auftrag
gegeben hatte die Studie der Industrieverband Agrar e. V. (IVA).
Für die Studie hatte der Autor und Geschäftsführer der HFFA
Research GmbH, Dr. Steffen Noleppa, Daten aus dem Testbetriebsnetz
des Bundeslandwirtschaftsministeriums ausgewertet, um die
Ertragsunterschiede zwischen ökologischem und konventionellem Landbau
in Deutschland zu bestimmen. Im gewogenen Mittel aller
Ackerbaukulturen erzielte der ökologische Landbau in den
Wirtschaftsjahren 2010/11 bis 2013/14 durchschnittlich 51 Prozent
geringere Erträge – was im Umkehrschluss bedeutet, dass der
Flächenbedarf für die Herstellung der gleichen Erntemenge mehr als
doppelt so hoch war.
Weniger groß sind dagegen die Unterschiede bei den Verlusten an
Artenvielfalt, die die beiden Bewirtschaftungsformen nach sich
ziehen, wie eine im Rahmen der Studie vorgenommene Auswertung
einschlägiger wissenschaftlicher Studien zeigte. Verglichen mit einem
natürlichen Ökosystem weist eine Agrarfläche in ökologischer
Bewirtschaftung bereits eine durchschnittlich um 67 Prozent geringere
Artenvielfalt auf; denn auch der Bio-Bauer schützt sinnvoller Weise
durch zahlreiche Maßnahmen seine Kulturpflanzen vor Unkräutern,
Pilzen oder Schädlingen. Durch die Eingriffe im konventionellen
Landbau, zu denen auch Maßnahmen des chemischen Pflanzenschutzes
gehören, geht die Artenvielfalt im Mittel um 86 Prozent gegenüber
einem natürlichen Ökosystem zurück.
Bei der vergleichenden Bewertung der Effekte von ökologischem und
konventionellem Landbau auf die Artenvielfalt braucht es nach Ansicht
von Noleppa eine mehrdimensionale Perspektive. Eine eindimensionale,
nur auf die Fläche bezogene Betrachtung übersieht das primäre Ziel
des Ackerbaus, nämlich die Produktion von Nahrungsmitteln und anderen
Agrarrohstoffen. Angemessen ist nach Auffassung des Wissenschaftlers
daher, die Biodiversitätsverluste in Beziehung zu setzen zur
Erntemenge je Flächeneinheit. Berücksichtigt man die deutlich höheren
Flächenerträge im konventionellen Anbau, zeigt sich dann, dass der
ökologische Landbau einen um 55 Prozent größeren Verlust an
Artenvielfalt je Ertragseinheit verursacht.
Der Agrarökonom Noleppa veranschaulicht mit einem Beispiel, warum
diese mehrdimensionale Betrachtung erforderlich ist: „Wenn wir den
Spritverbrauch eines Linienbusses mit dem eines PKW vergleichen,
schneidet bei eindimensionaler Betrachtung das Auto immer besser ab.
Aber kein vernünftiger Mensch würde deshalb dem Individualverkehr
Vorrang einräumen, denn viel wichtiger ist die Frage, wie viele
Menschen für die gleiche Menge Diesel oder Benzin befördert werden.
Da gewinnt der Bus, weil er die Ressource Treibstoff effizienter
einsetzt als der PKW.“ Analog, so Noleppa, müsse auch bei der
Bewertung landwirtschaftlicher Methoden auf die relevante Zielgröße
abgestellt werden – nämlich nicht auf die kultivierte Fläche allein,
sondern auf den Ertrag pro Fläche.
In der EU-Zulassungsverordnung 1107/2009 hat der europäische
Gesetzgeber vorgegeben, dass Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln
auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem zu berücksichtigen
sind, soweit es wissenschaftlich anerkannte Methoden dafür gibt.
„Alle bisher bekannten Ansätze dazu bleiben eindimensional, weil sie
allein auf die Agrarflächen abstellen, die Ertragseffekte aber
ausblenden. Das ist nicht nur sachfremd, sondern womöglich auch
kontraproduktiv: Denn je Ertragseinheit, z. B. einer Tonne Weizen je
Hektar, verursacht moderner Ackerbau in Deutschland geringere
Verluste an Biodiversität als der Ökolandbau oder Importe aus anderen
Weltregionen“, kommentierte IVA-Präsident Dr. Helmut Schramm die
HFFA-Studie: „Wir brauchen eine mehrdimensionale Bewertung der
Effekte, die die moderne Landwirtschaft und ihr Pflanzenschutzeinsatz
auf die regionale und globale Biodiversität haben.“
Zu dieser Pressemitteilung gibt es mehrere Info-Grafiken:
http://iva.de/download/IVA_Grafiken_140116.zip
Die Studie steht kostenlos zum Download auf den Internet-Seiten
der HFFA Research GmbH (www.hffa-research.com) und des IVA
(www.iva.de) zur Verfügung.
Der Industrieverband Agrar e. V. (IVA) vertritt die Interessen der
agrochemischen Industrie in Deutschland. Zu den Geschäftsfeldern der
49 Mitgliedsunternehmen gehören Pflanzenschutz, Pflanzenernährung,
Schädlingsbekämpfung und Biotechnologie. Die vom IVA vertretene
Branche steht für innovative Produkte für eine moderne und
nachhaltige Landwirtschaft.
Pressekontakt:
Industrieverband Agrar e. V., Pressestelle
Martin May
Tel.+49 151 54417692
Fax +49 69 2556-1298
E-Mail: may.iva@vci.de
http://www.iva.de