Die Entwicklung neuer Therapieansätze verbessert die Heilungschancen von Krebs im Kindesalter, reduziert Nebenwirkungen sowie Spätfolgen und erhöht damit in vielen Fällen deutlich die Lebenserwartung. Erforderlich ist hierfür eine Verstärkung der translationalen Zusammenarbeit und damit verbunden eine Ausweitung der finanziellen Förderung – gerade im Bereich der kindlichen Hirntumoren, die noch immer „Stiefkinder der Forschung“ sind. Dies betonten die Wissenschaftler Prof. Dr. med. Stefan Rutkowski, Prof. Dr. med. Ulrich Schüller und Prof. Dr. med. Till Milde beim Pressegespräch des Forschungsinstituts Kinderkrebs-Zentrum Hamburg im Vorfeld des 20. International Symposium on Pediatric Neuro-Oncology´ (ISPNO). Der weltweit bedeutendste Kongress für kindliche Hirntumoren findet vom 12. bis 15. Juni 2022 erstmals in Deutschland in Hamburg statt.
Präklinische Forschung kann Behandlungserfolge weiter erhöhen
Die Forschungsergebnisse, die auf dem ISPNO vorgestellt werden, sollen dazu beitragen, neue Therapien für die Vielzahl unterschiedlicher kindlicher Hirntumore zu entwickeln. Hirntumore sind die häufigste Todesursache unter allen Krebserkrankungen im Kindesalter. In Deutschland können ein Drittel der Kinder mit einem Hirntumor nicht geheilt werden. Das könnte sich in Zukunft ändern, wenn die auf kindliche Hirntumoren zugeschnittene Forschung erheblich ausgeweitet wird: „Es besteht großer Bedarf für die Entwicklung zielgerichteter Therapien durch präklinische Forschung – vor allem im Bereich der Hirntumorentitäten“, sagte Prof. Dr. med. Stefan Rutkowski, Direktor der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). „Optimierte Therapieformen, die anhand von Forschungsergebnissen entwickelt werden, können zur Behandlung der oftmals aggressiven, nicht heilbaren Erkrankungen beitragen.“ Wichtige Voraussetzung hierfür seien neben der Forschung kontrollierte klinische Studien mit ausreichenden Patientenzahlen für alle Hirntumorentitäten. Auch Nebenwirkungen und Spätfolgen sollten darin erfasst werden.
Ohne private Spenden wäre Kinderkrebsforschung aktuell kaum durchführbar
Am Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Hamburg arbeiten Naturwissenschaftler, Bioinformatiker, Ärzte und viele andere Mitarbeitende interdisziplinär zusammen. Das Forschungsinstitut liefert grundlegende Erkenntnisse zur Entstehung pädiatrischer Hirntumoren und versucht auf Grundlage dieser Kenntnisse neue zielgerichtete Therapien zu entwickeln.
Wie die Forschungsaktivitäten konkret aussehen, veranschaulichen zwei laufende Projekte, die Prof. Dr. med. Ulrich Schüller, Arbeitsgruppenleiter Entwicklungsneurobiologie und Pädiatrische Neuroonkologie am Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Hamburg, exemplarisch vorstellte:
– Das erste Projekt zielt darauf ab, anhand leicht zugänglicher Hirnwasserproben möglichst exakte Informationen zur Molekularbiologie eines Tumors zu erhalten. So könnten auch Patienten mit inoperablen Tumoren zu einer exakten Diagnose und maßgeschneiderten Therapie kommen.
– Das zweite Projekt testet eine maßgeschneiderte Therapie für eine Subgruppe der „Medulloblastome“, einem häufigen bösartigen kindlichen Kleinhirntumor. Die neue Methode könnte möglicherweise die erheblichen Nebenwirkungen auf das Knochenwachstum abwenden.
Prof. Dr. med. Ulrich Schüller betonte: „Mir unseren Forschungsprojekten möchten wir Therapieerfolge und Tumorrezidive beobachten beziehungsweise frühzeitig erkennen und die Behandlung optimieren. Neben öffentlichen Geldgebern wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft oder die Deutschen Krebshilfe sind private Spenden für die Kinderkrebsforschung unverzichtbar.“
Hürden in der translationalen Forschung beheben
Wie neue wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem Labor in die Klinik übertragen werden, erläuterte Prof. Dr. med. Till Milde, Gruppenleiter Translationale Hirntumormodelle am Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), am Beispiel der Entwicklung neuer Therapie-Ansätze bei niedrig-gradigen Gliomen des Kindesalters, die bei Kindern die Gruppe der häufigsten Tumore des Gehirns oder Rückenmarks darstellen. Auch auf die derzeitigen Engpässe in der translationalen Forschung ging der Experte ein: „Um neue Therapieansätze erfolgreich zu den Patienten zu bringen, brauchen wir zum einen die bauliche und personelle Integration von Forschung und Klinik. Zum anderen ist aber auch die Etablierung und Förderung von explizit translationalen Strukturen in der Präklinik sowie in der klinischen Versorgung absolut notwendig.“ Sofern dies nicht oder nur langsam geschehe, könne dieser Umstand zur Verzögerung der klinischen Anwendung führen und so der Entwicklung der wichtigen neuen Therapieansätze im Weg stehen.
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