(Stuttgart) – Die Subitec GmbH aus Stuttgart setzt mit der Serienfertigung von standardisierten Kultivierungsmodulen neue Maßstäbe in der industriellen Produktion von Mikroalgen. So wie bereits vor 20 Jahren, als das Spin-off des Fraunhofer-Instituts bahnbrechende Verfahrenstechniken zur Mikroalgenkultivierung auf den Markt brachte. Heute stehen die Anlagen aus der BioRegion STERN weltweit in Forschungslaboren und in Produktionshallen. Das jüngst entwickelte CM180-Kultivierungsmodul ist das nächste Kapitel in der Geschichte des Pioniers der Mikroalgenzüchtung und stärkt dessen Position im wichtigen Biotech-Sektor. Denn in diesem Bereich steigt die Nachfrage nach Produktionssystemen, welche die hohen Anforderungen an gleichbleibender Qualität und planbarer Quantität der Mikroalgen erfüllen können. Bereits zwei der Module sind verkauft und auf dem Weg zu einem Kunden in Tunesien.
Mikroalgen betreiben wie Bäume Photosynthese und sind evolutionäre Wunderwerke: Vor rund 2,4 Milliarden Jahren waren die Vorläufer der Mikroorganismen an der Entstehung der sauerstoffreichen Atmosphäre unseres Planeten beteiligt. Und auch heute noch haben Mikroalgen eine Schlüsselfunktion im Sauerstoff- und Kohlenstoffkreislauf der Erde. Schätzungen zufolge tragen sie zu rund der Hälfte der weltweiten biologischen Kohlenstofffixierung bei und spielen damit eine wesentliche Rolle bei der Regulierung des Erdklimas. Auch Industrie und Forschung haben die mikroskopisch kleinen Lebewesen und ihr riesiges Potenzial für sich entdeckt. Sie eignen sich aufgrund ihrer wertvollen Inhaltsstoffe für vielfältige Anwendungen von Nahrungsergänzungsmitteln über kosmetische Produkte und Arzneimittel bis hin zur Abwasserbehandlung.
Mikroalgen zu züchten sei allerdings keine Raketenwissenschaft, meint Gregor Weber. Damit stapelt der Subitec-Geschäftsführer ziemlich tief angesichts der beeindruckenden Konstruktion der Anlage, die hinter ihm steht. In dem neu entwickelten Kultivierungsmodul CM180, das ungefähr so groß ist wie zwei aufeinandergestellte Kleinbusse, steckt enorm viel Know-how und Ingenieurleistung. Kern des Kultivierungsmoduls bildet der Flat-Panel-Airlift-Photobioreaktor (FPA), der vor über 20 Jahren gemeinsam mit dem Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Verfahrenstechnik IGB entwickelt wurde. Der aus durchsichtigem Kunststoff bestehende FPA bietet alle Voraussetzungen, damit Mikroalgen sich optimal vermehren: viel Licht und konstant zirkulierendes Wasser durchströmen die Indoor-Anlage. Das gelingt mit speziell entwickelten Growlight-LEDs, über die ideale, individuell einstellbare, Lichtverhältnisse geschaffen werden und winzige Luftbläschen sorgen für einen gleichmäßigen CO2-Eintrag in die Kulturlösung sowie für eine optimale Durchmischung. „In unserem CM180-Modul haben wir 30 FPA-Photobioreaktoren hintereinander aufgereiht und somit fünf Kubikmeter Wasser wie in Scheiben geschnitten, die von beiden Seiten mit Licht beleuchtet werden. Als Ergebnis haben wir auf nur 16 Quadratmetern Stellfläche die photosynthetische Oberfläche maximal erhöht“, erklärt Gregor Weber die technische Innovation. „Damit bieten wir eine optimale Kultivierungsumgebung, die auf engem Raum nahezu jede Mikroalge effizient produziert.“
Noch während der Entwicklung des Moduls gab es den ersten Auftrag. Dafür wurden in der Produktionshalle von Subitec für einen Kunden in Tunesien zwei Kultivierungsmodule der CM180-Serie montiert. An ihrem zukünftigen Bestimmungsort werden sie mit einer photosynthetischen Oberfläche von je 285 Quadratmetern jährlich etwa vier Tonnen Biomasse herstellen können. Daraus werden dann die gewünschten Hochwertstoffe gewonnen. Die Mikroalge, auf die es das tunesische Biotechunternehmen Water Spirit abgesehen hat, heißt Haematococcus pluvialis. Wenn sie Stress ausgesetzt wird, in diesem Fall Licht mit hohem Rotanteil, beginnt sie Astaxanthin zu produzieren. Dieser natürliche, rötlich-violette Farbstoff, der beispielsweise Flamingos rosa werden lässt, gehört zu der Xanthophyll-Klasse der Carotinoide. „Astaxanthin ist sozusagen eine hochpotente Karotte, eines der stärksten natürlichen Antioxidantien“, erklärt Weber. „Als Nahrungsergänzungsmittel wirkt es gegen Entzündungen und stärkt zudem auch die Sehkraft und die Herz-Kreislauffunktion.“ Kein Wunder also, dass ein Kilogramm des begehrten Stoffes mehrere tausend Dollar kostet – natürlich nur, wenn das Produkt unter strengsten hygienischen Bedingungen kontaminationsfrei und mit gleichbleibender Qualität hergestellt wurde. Genau diese Voraussetzungen erfüllen die Produktionssysteme von Subitec: „Unsere Anlagen bieten die optimale Basis für Kulturen im Rahmen industrieller Produktion, denn Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln benötigen vor allem Berechenbarkeit, – gerade wenn es sich um biologische Produkte handelt“, erläutert Weber. Das gilt auch für die Produktion von Omega-3-Fettsäuren. Bekannterweise sind Lachse reich an diesen ungesättigten Fettsäuren. Wie bei den Flamingos auch, nehmen die Fische diesen wertvollen, gesundheitsfördernden Stoff über Mikroalgen als Teil ihrer Nahrung auf. Omega-3-Fettsäuren haben große Bedeutung für den Stoffwechsel; sie mit Hilfe der entsprechenden Mikroalge zu züchten, bietet auch eine Alternative für Menschen, die sich vegan ernähren und entlastet gleichzeitig die überfischten Bestände.
Geschätzt gibt es bis zu einer Million verschiedene Arten von Mikroalgen – nicht zu verwechseln mit den Makroalgen, die man vom Strand kennt. Davon sind 3.000 Mikroalgen in Datenbanken erfasst, weniger als 30 werden bisher industriell kultiviert. „Algen machen Photosynthese wie alle anderen grünen Pflanzen auch. Das heißt, ich brauche Licht, CO2, Nährstoffe und Wasser“, erklärt Weber die wesentlichen Produktionsparameter. Die genetischen Charaktereigenschaften jeder Mikroalge sind jedoch völlig unterschiedlich, die Voraussetzungen für schnelles Wachstum sehr individuell. Für die Wissenschaft wird es deshalb ein großes Forschungsgebiet bleiben, herauszufinden welche Mikroalgenart sich für welche Anwendungen eignet, „Und wir liefern dafür einen optimalen Lebensraum: eine Art Hightech-Aquarium“, fasst Weber zusammen. Das Portfolio des Anlagenbauers umfasst sogenannte Labscale-Produkte, also geeignet für die Laboratorien von Forschung und Industrie in den Größen von 6 und 28 Liter über 4 x 28 Liter bis hin zu 180 Liter Kultivierungsvolumen. Dazu kommt noch das bereits erwähnte Kultivierungsmodul CM180 für den industriellen Einsatz. Weitere Produkte befinden sich derzeit in der Entwicklung.
Nach Tunesien steht auch schon der nächste Auftrag fest: Für einen weiteren Kunden dürfen vier CM180-Module produziert werden. „Zukünftig planen wir etwa 50 Module pro Jahr zu fertigen“, sagt Geschäftsführer Weber. „Einen neuen, größeren Unternehmenssitz mit ausreichend Platz für die Produktion haben wir bereits in Köngen bei Wendlingen gefunden. Uns fehlen nur noch Mitarbeiter für die Produktion.“ Wie so viele Unternehmen aus der Region sucht die Subitec GmbH nun nach neuen Fachkräften, „die dafür brennen, in einer Schlüsselbranche der Zukunft zu arbeiten“, ergänzt Weber. Ihm ist es zu verdanken, dass Subitec wieder eine klare strategische Ausrichtung hat: Weber wurde 2019 vom High-Tech Gründerfonds angesprochen, in einer Zeit, als Subitec sich neu orientieren musste, übernahm er die Geschäfte. „Früher betrieb Subitec individuellen Anlagenbau mit teils beachtlichen Projekten, doch der Markt ist reifer geworden und verlangt nach standardisierten Produkten, die weniger kostenintensiv sind“, erklärt Weber den Strategiewechsel, mit dem er das Unternehmen komplett neu aufstellte. Nachdem Subitec ursprünglich mit seinen innovativen Produktionssystemen Mikroalgen auch selbst produzieren wollte, wurden im Zuge der strategischen Neuausrichtung Mitarbeiter mit anderen Qualifikationen gesucht. Statt Labor-Know-how ist jetzt Anlagenbau gefragt. „Denn wir kultivieren nicht mehr selbst, sondern arbeiten in diesem Bereich mit dem Fraunhofer IGB zusammen. Dr. Ulrike Schmid-Staiger, Gruppenleiterin Algenbiotechnologie Entwicklung ist schließlich Teil des Gründerteams von Subitec.“ Hinzu kommt, dass die Subitec-Technologie in Laboren weltweit bereits vorhanden ist. Das Unternehmen, das unter den Top fünf der Anlagenbauer für Algentechnologie rangiert, hat sich also mit seinem Strategiewechsel auf der Basis früherer Erfolge wiederbelebt.