Wenn vom 8. bis 9. September in Bonn der europäische Bevölkerungs- und Katastrophenschutzkongress tagt, dann ist auch das Land Hessen vor Ort. Die Aktionslinie Hessen-Nanotech des Hessischen Wirtschaftsministeriums zeigt als Aussteller, welch große Chancen die Nanotechnologie für den Katastrophenschutz eröffnet. „Ob stichsichere Westen, wasserreinigende Strohhalme, feuerfeste Schutzkleidung oder Brandschutzglas in Gebäuden: Bei vielen Anwendungen, die in Krisensituationen helfen oder Notlagen vorbeugen, ermöglicht Nanotechnologie verbesserte und neue Lösungen. Auf dem Katastrophenschutzkongress bieten wir hessischen Unternehmen eine Plattform, sich mit internationalen Netzwerken zu vernetzen“, sagte Alexander Bracht, Leiter der Aktionslinie Hessen-Nanotech. In Hessen haben sich rund 150 Unternehmen und rund 80 Hochschularbeitsgruppen der Nanotechnologie verschrieben. Als Katalysator zwischen Forschung und Anwendung steht die Aktionslinie Hessen-Nanotech. Sie stellt ein ausgewogenes Informationsangebot bereit und vernetzt die verschiedenen Akteure.
Einer der Mitaussteller auf dem hessischen Gemeinschaftsstand ist die Cleanwater Systems GmbH. Das Marburger Unternehmen präsentiert auf dem Katastrophenschutzkongress einen Prototypen des „Emergency Water Filter“. Dieser Wasserfilter basiert auf einem nanotechnologischen Gewebe im Elektro-Spin-Verfahren und ist für den Einsatz in Katastrophengebieten entwickelt, wo Trinkwasser knapp oder gar nicht mehr verfügbar ist. Auch nach Erdbeben oder Überschwemmungen bietet er die Möglichkeit, Verunreinigungen sowie 100 Prozent aller Bakterien aus Wasser herauszufiltern und so verunreinigtes Wasser zu trinkbarem aufzubereiten. „Wir stehen mit unserem ‚Emergency Water Filter’ unmittelbar vor der Serienproduktion. Unser Hauptaugenmerk liegt darin, ein erstes Einsatzgebiet oder einen Partner zum Testen des Filters zu finden“, so Geschäftsführer Stefan Oberhansl.
Dem Thema Wasseraufbereitung in Katastrophengebieten widmet sich auch das Fachgebiet Siedlungswasserwirtschaft der Universität Kassel. „Wir haben uns Gedanken gemacht, wie Gegenden versorgt werden können, zu denen keine passierbare Straße mehr führt, in denen es weder Strom noch Treibstoff gibt, die für den Betrieb einer konventionellen Aufbereitungsanlage nötig sind“, erklärt Prof. Dr. Franz-Bernd Frechen. Die Lösung fanden die Forscher mit Hilfe der Nanotechnologie. Sie entwickelten eine rucksackgroße Wasseraufbereitungsanlage, deren Herzstück ein Modul mit Membranen ist. Die Membrane verfügen über mikroskopisch kleine Öffnungen in Nanogröße, die Wassermoleküle durchlassen, Bakterien und Parasiten aber wirksam aus dem Wasser herausfiltern. Im Dauerbetrieb ist der Wasserrucksack in der Lage, pro Tag 1.200 Liter Wasser zu filtern. Die Kasseler Umweltingenieure haben in den vergangenen Monaten mehrere Prototypen gebaut, die im Frühjahr im Erdbebengebiet in Chile erfolgreich getestet wurden. Darüber hinaus wurden Anfang September fünf der Wasserrucksäcke von der Hilfsorganisation Humanity Care nach Pakistan geflogen, 18 weitere sollen folgen.
Auch die Torglas GmbH aus dem hessischen Dillenburg ist auf dem Katastrophenschutzkongress dabei und zeigt dort ihre Verglasungssysteme. In einem Modellprojekt unter Förderung der Hessen Agentur hat Torglas ein thermisch hoch effizientes Verglasungsmaterial für die Füllung von Toren entwickelt. Solche voll verglasten Tore kommen häufig in Einsatzgebäuden wie etwa Feuerwachen, aber auch in KFZ-Betrieben und Industriehallen zum Einsatz. „Durch eine spezielle Nanobeschichtung der Oberfläche des Tores wird eine sehr gute Wärmedämmung erreicht. Mit solch einer thermisch effizienten Verglasung können in einem Winter pro Tor bis zu 500 Liter Heizöl eingespart werden“, so Vertriebsleiter Marcus Cremer.