Nanotechnologie gilt als Schlüsseltechnologie des
21. Jahrhunderts mit vielfältigem Anwendungspotenzial. Entsprechend
groß sind die Erwartungen an die Querschnittstechnologie, die nahezu
alle Branchen betrifft. Mit umfassenden nanotechnologischen Lösungen
(nanos = Zwerg im Griechischen) aus der „Zwergenwelt“ präsentieren
sich daher Forschungseinrichtungen, Universitäten und Institute auf
der Research & Technology im Rahmen der HANNOVER MESSE vom 23. bis
27. April 2012.
Nachtfröste im April – oder wie der Eiskratzer überflüssig wird
Selbst Ende April kann es noch zu Nachtfrösten kommen. Für
Autofahrer sind gefrorene oder auch beschlagene Scheiben ein lästiges
Übel. Forscher am Fraunhofer-Institut für Schicht- und
Oberflächentechnik IST in Braunschweig haben für dieses Problem jetzt
eine Lösung gefunden. Sie haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sie
nicht nur transparente, leitfähige – und somit heizbare –
nanometerdünne Schichten herstellen können. Ihre Oberflächenschichten
bringen einen weiteren entscheidenden Vorteil mit. Die Außenschicht
ist niedrig emittierend. Sie sorgt also dafür, dass die Scheibe viel
langsamer abkühlt. So kann sich Kondenswasser nicht bilden. Die
Scheibe bleibt trocken und eisfrei.
Bisher nutzte man schon ähnliche Schichten, die aus Zinnoxid
bestehen. Diese sind jedoch sowohl mechanisch als auch optisch noch
unvollkommen. Bei zu hohen Temperaturbelastungen, wie beispielsweise
beim Glasbiegen, können daher Risse entstehen. Folglich kommen
Zinnoxid-Schichten industriell nur begrenzt zum Einsatz.
„Unsere neue Schicht besteht aus nanokristallinem
Indium-Zinn-Oxid, auch als ITO bezeichnet, und ist extrem stabil“,
erklärt Dr. Bernd Szyszka vom IST. „Temperaturen bis 900 Grad Celsius
sind kein Problem, und selbst wenn man sie stark verbiegt – die
Schicht bleibt, wie sie ist.“ Die Beschichtung kann deshalb auch in
großindustriellen Anlagen verwendet werden.
Neu: Anti-Eis-Ausrüstung für Kunststoffoberflächen
Eisschichten sind für Autofahrer ärgerlich, im Flugverkehr sind
sie ein Sicherheitsrisiko. Tragflächen müssen vor dem Start enteist
werden, um die Aerodynamik der Flügel nicht zu beeinträchtigen. Auch
während des Fluges werden diese mit heißen Triebwerksabgasen beheizt.
Das erhöht den Kraftstoffverbrauch um bis zu 30 Prozent und treibt
auch die klimaschädlichen Emissionen in die Höhe. Das
Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in
Stuttgart hat daher zusammen mit Partnern im Verbundprojekt „Nanodyn“
eine Anti-Eis-Ausrüstung für Kunststoffoberflächen entwickelt.
Hierfür erzeugen die Wissenschaftler wasserabweisende mikro- und
nanostrukturierte Schichten, auf denen Wasser auch bei Temperaturen
unter null Grad flüssig bleibt und sich somit erst gar kein Eis
bildet. Der Grund: Die Schichten bieten dem Wasser, das gefrieren
will, keine Kristallisationskeime auf der Oberfläche, und es
verbleibt in einem „stark unterkühlten“ (supercooled) Zustand. „Und
selbst wenn das Wasser gefriert, vermindert unsere
Anti-Eis-Ausrüstung die Haftung von Eis um mehr als 90 Prozent
gegenüber der unbeschichteten Oberfläche“, sagt Dr. Michael Haupt,
Projektverantwortlicher vom IGB.
Fensterscheiben gegen Winterdepressionen
In der dunklen Jahreszeit kommt es vermehrt zu psychischen
Erkrankungen infolge von Störungen im Melatonin-Haushalt. Dieses
Hormon steuert unter anderem den Schlaf-wach-Rhythmus des Menschen.
Schuld daran ist zu wenig Licht. Forscher des Fraunhofer-Instituts
für Silicatforschung ISC in Würzburg haben spezielle Fenstergläser
entwickelt, die im Bereich zwischen 450 und 550 Nanometern ihre
maximale Durchlässigkeit aufweisen, also im blauen Bereich des
sichtbaren Lichts.
Gerade der Blauanteil des Lichts ist offenbar für die optimale
Funktion des Melatonin-Spiegels verantwortlich und damit für das
„richtige Ticken“ der inneren Uhr im menschlichen Organismus. Die
Beschichtung der Gläser ermöglicht höchste Transparenz verbunden mit
der optimalen Anpassung an den psychisch wirksamen
Wellenlängenbereich. „Es entsteht das Phänomen, dass das Glas zwar
physisch vorhanden ist, aber der im Raum befindliche Mensch hat das
Empfinden, als sei er an einem dauerhaft geöffneten Fenster –
zumindest was die Steuerung des Melatonin-Haushalts anbelangt“,
erläutert Dipl.-Ing. Walther Glaubitt, Kompetenzfeldleiter
Anorganische Materialien am ISC.
KIT zeigt virtuelles Großforschungsprojekt: Karlsruhe Nano Micro
Facility
Neben der Fraunhofer-Gesellschaft mit wegweisenden Exponaten und
Entwicklungen zu beschichteten Gläsern und Kunststoffen sind in
diesem Bereich zahlreiche weitere Universitäten, Hochschulen und
Forschungseinrichtungen vertreten. Dazu zählt auch das Karlsruhe
Institut für Technologie (KIT), das zugleich Universität des Landes
Baden-Württemberg und nationales Forschungszentrum in der
Helmholtz-Gemeinschaft ist.
Am KIT erforschen Wissenschaftler beispielsweise am Institut für
Nanotechnologie (INT) Antworten auf so wichtige Zukunftsfragen wie:
Lassen sich in zukünftigen elektronischen Speicherchips die
Informationen in einzelnen Molekülen speichern? Welche
Nanomaterialien kommen als Wasserstoffspeicher in Frage, um damit ein
Fahrzeug betreiben zu können? Wie kann man mit Nanostrukturen
perfekte Linsen konstruieren?
Aus dem „Zwergenreich“ präsentiert das KIT in diesem Jahr in
Hannover die Karlsruhe Nano Micro Facility (KNMF), ein virtuelles
Großforschungsgerät, dessen Einzelgeräte sich im KIT-Campus Nord
befinden. Die KNMF steht allen Nutzern aus nationalen und
internationalen Unternehmen und Forschungseinrichtungen zur
Verfügung. In der Facility werden Technologien zu einer Plattform
gebündelt, die eine Vielfalt von Funktionsmaterialien mit Mikrometer-
und Nanometer-Auflösung strukturieren und charakterisieren kann.
Diese Plattform ist weltweit einmalig und wird durch drei
KNMF-Labore koordiniert, die die Felder Mikro- und
Nanostrukturierung, Mikroskopie und Spektroskopie sowie
Synchrotron-Charakterisierung abdecken. Für viele Besucher der
HANNOVER MESSE könnte diese besondere Technologieplattform eine
wertvolle Hilfestellung für ihre eigenen Forschungen leisten. Die
„Zwergenwelt“ ist auch in Zukunft für manche Überraschung gut – nicht
nur bei Auto- und Fensterscheiben.
Zahlreiche weitere Institute und Unternehmen, beispielsweise der
Verbund NanoMicroWerkstoffe Nordrhein-Westfalen, oder der
Gemeinschaftsstand „World of Nano“, komplettieren in Halle 2 das
Angebot rund um das Themenfeld der Nanotechnologien. Der nanoTruck
bietet als rollendes Ausstellungs- und Kommunikationszentrum des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung vor Halle 2
Nanotechnologie zum Anfassen.
Am Messe-Mittwoch und Messe-Donnerstag bietet das tech
transfer-Forum nanotechnologische Fachvorträge: In zwei
„Nanotechnologie-Slots“ wird das Thema vor allem hinsichtlich der
Vermarktungsfähigkeit der neuesten Forschungsergebnisse beleuchtet.
Marktreife Lösungen werden im Nano-Guide zusammengefasst und auf dem
SchauplatzNANO in Halle 5 präsentiert.
Über die HANNOVER MESSE
Das weltweit bedeutendste Technologieereignis wird vom 23. bis 27.
April 2012 in Hannover ausgerichtet. Die HANNOVER MESSE 2012 vereint
acht Leitmessen an einem Ort: Industrial Automation, Energy,
MobiliTec, Digital Factory, Industrial Supply, CoilTechnica,
IndustrialGreenTec und Research & Technology. Die zentralen Themen
der HANNOVER MESSE 2012 sind Industrieautomation und IT, Energie- und
Umwelttechnologien, Industrielle Zulieferung, Produktionstechnologien
und Dienstleistungen sowie Forschung und Entwicklung. China ist das
Partnerland der HANNOVER MESSE 2012.
Ansprechpartnerin für die Redaktion:
Silke Tatge
Tel.: +49 511 89-31614
E-Mail: silke.tatge@messe.de