Gigantische Müllschlucker / Forscher entschlüsseln die Fähigkeiten von Riesenzellen des Immunsystems

Ist Müll für den normalen Hausmüll zu groß und
sperrig, entsorgen ihn die Experten des Sperrmülldienstes. Dass auch
Zellen für große Abfallprodukte ein eigenes Entsorgungssystem haben
und wie es funktioniert, fanden Forscher der Technischen Universität
München (TUM) jetzt in Zusammenarbeit mit britischen Kollegen heraus.
Verantwortlich für die Entsorgung sind dabei riesige Fresszellen, die
aus mehreren Zellen durch Fusion entstehen. Obwohl diese Giganten
bereits seit langem bekannt sind, fehlte bisher jedoch ein klares
Bild ihrer Fähigkeiten. Die Ergebnisse erklären zudem eine neue
Therapieform für die systemische Amyloidose, die bereits klinisch
getestet wird.

Seit über hundert Jahren kennen Wissenschaftler die riesigen
Fresszellen, die „Multinucleated Giant Cells“ (MGCs). Es ist bekannt,
dass sie bei bestimmten Erkrankungen wie Tuberkulose, aber auch im
Zuge einer Fremdkörperreaktion an Implantaten wie Hüftgelenken
auftreten. Ihre genaue Funktion und ihre Wirkmechanismen wurden
jedoch bisher nicht systematisch erforscht. „Weil sie so riesig sind
und durch Fusion einzelner Fresszellen entstehen, wurde schon lange
vermutet, dass sie als spezielles Entsorgungssystem für große Abfälle
dienen“, sagt Dr. Admar Verschoor, Coautor der Studie und
Gruppenleiter am Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie
und Hygiene der TUM.

Systemische Amyloidose als Modellsystem

Um die Funktion der Riesenzellen aufzuklären, konzentrierten sich
er und sein Team neben aufwendigen und richtungsgebenden
Zellkultur-Experimenten auf die Krankheit systemische Amyloidose.
Hier sammeln sich aufgrund von Defekten große Proteinklumpen in den
Zellzwischenräumen an. Sie schädigen das umliegende Gewebe und stören
nach und nach die Funktion des betroffenen Organs wie zum Beispiel
der Leber oder der Milz. So schloss sich das Team mit Mark B. Pepys,
einem der führenden Experten auf dem Gebiet der Amyloidose-Forschung,
vom University College London zusammen. Die britische
Forschungsgruppe hatte bereits in ersten klinischen Studien ein neues
Medikament gegen die Krankheit – einen therapeutischen Antikörper –
erfolgreich getestet.

„Es gab verschiedene Hinweise, aber der genaue Wirkmechanismus des
Medikaments war bisher noch unklar – hier konnten wir unser
Fachwissen über Fresszellen und das Immunsystem einbringen und
gleichzeitig die Funktion der Riesenzellen genauer untersuchen“, sagt
Ronny Milde, Erstautor der Studie und Wissenschaftler an der TUM. In
Zellkultur- und Krankheitsmodellen konnten die Wissenschaftler
schließlich den Wirkmechanismus aufklären: Das Medikament führt dazu,
dass die störenden Proteinklumpen vom Immunsystem durch Andocken von
speziellen Molekülen markiert und dadurch von den Riesenzellen
erkannt werden. Verantwortlich ist dafür das so genannte
Komplementsystem.

Riesenzellen entsorgen zellulären „Sperrmüll“

„Das Komplementsystem funktioniert ein bisschen wie die Butter auf
unserem Brot. Schmieren wir Butter auf das Brot, greifen wir lieber
zu, weil es besser schmeckt. Das neue Medikament aktiviert das
Komplementsystem und wirkt somit wie die Butter – die Proteinklumpen
werden für die Riesenfresszellen dadurch erst interessant“, erklärt
Admar Verschoor.

Die Wissenschaftler konnten im Mikroskop anschließend auch
beobachten, dass die Fresszellen die Proteinklumpen umschlossen und
abbauten. „Durch unsere Studien konnten wir den Beweis liefern, dass
die Riesenzellen besonders geeignet sind als Entsorgungssystem für
Komplement-markierte Großabfälle und somit maßgeblich zum
Therapieerfolg bei systemischer Amyloidose beitragen“, ergänzt
Verschoor.

Publikation

Ronny Milde, Julia Ritter, Glenys A. Tennent, Andrzej Loesch,
Fernando O. Martinez, Siamon Gordon, Mark B. Pepys, Admar Verschoor,
Laura Helming, Multinucleated giant cells are specialized for
complement-mediated phagocytosis and large target destruction, Cell
Reports, November 2015.
DOI: 10.1016/j.celrep.2015.10.065
http://www.cell.com/cell-reports/abstract/S2211-1247%2815%2901254-1

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https://mediatum.ub.tum.de/?id=1284807#1284807

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www.tum.de

Pressekontakt:

Admar Verschoor, PhD
Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene
Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München
Tel.: +49 89 4140-6720
admar.verschoor@tum.de
http://www.mikrobio.med.tum.de/node/32

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