Welche Herausforderungen für unser Verständnis von
Selbstbestimmung, Familie und Gesellschaft bringen die
Eingriffsmöglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin mit sich? Soll die
Zeugung sogenannter Drei-Eltern-Babys zugelassen werden? Welche
individuellen und sozialen Chancen und Probleme können Eizellspende
und Leihmutterschaft, aber auch das langfristige Einfrieren eigener
Eizellen für die beteiligten Frauen, Kinder und die Familien mit sich
bringen? Welcher Handlungsbedarf ergibt sich daraus für die Politik?
Diese und weitere Fragen diskutierte der Deutsche Ethikrat am 22. Mai
auf seiner Jahrestagung gemeinsam mit Referenten, drei
Bundestagsabgeordneten und über 350 Gästen in Berlin.
„Der Dreiklang von individuellen Lebensentwürfen, Familie und
Gesellschaft ist dem Ethikrat deswegen so wichtig, weil es bei der
Fortpflanzungsmedizin eben nicht nur um die Selbstbestimmung des
Einzelnen über sein Leben geht, sondern immer auch um die
Verantwortung für einen anderen Menschen, das Kind und die nächste
Generation bzw. die nächsten Generationen“, so Christiane Woopen, die
Vorsitzende des Ethikrates zum Auftakt der Veranstaltung.
In seinem Eingangsreferat berichtete Georg Griesinger vom
Universitären Kinderwunschzentrum Lübeck über neue und in Entwicklung
befindliche Möglichkeiten der modernen Reproduktionsmedizin wie die
Vitrifikation als hocheffizientes Verfahren zur Konservierung
unbefruchteter Eizellen.
Über die rechtlichen Rahmenbedingungen der Fortpflanzungsmedizin
in Deutschland informierte Dagmar Coester-Waltjen von der Universität
Göttingen. Das für diesen Bereich einschlägige Embryonenschutzgesetz
verbiete unter anderem die Eizellspende, die Leihmutterschaft sowie
Eingriffe in die Keimbahn. Andere Bereiche, darunter auch das
sogenannte „Social Freezing“, seien dagegen nicht geregelt.
Coester-Waltjen plädierte für ein umfassendes
Fortpflanzungsmedizingesetz.
Eine ethische Kontroverse über die Zukunft der Familie und
reproduktive Autonomie bestritten im Anschluss Eberhard Schockenhoff
und Claudia Wiesemann, beide Mitglieder des Deutschen Ethikrates. Es
folgte eine lebhafte Diskussion mit dem Publikum über die Auslegung
der Begriffe Familie, Elternverantwortung und Fortpflanzungsfreiheit.
Schockenhoff führte in seinem Referat aus, dass das Leitbild einer
ehebezogenen Familie als Ort unbedingter Verlässlichkeit, sozialen
Lernens und existenzieller Sinnerfahrung in der Bevölkerung
erstaunlich stabil geblieben sei. Es seien keine alternativen
Lebensformen in Sicht, die die Rolle dieser Familie auf Dauer
ersetzen könnten.
Für Claudia Wiesmann sind dagegen Heirat und Blutsverwandtschaft
keine zwangsläufigen Voraussetzungen für eine Familiengründung.
Vielmehr sei die Fortpflanzungsfreiheit, das heißt die Freiheit,
allein oder im Verbund mit einem Partner/einer Partnerin darüber zu
entscheiden, ob, wann und wie jemand sich fortpflanzen will, ein
fundamentales Recht, dessen Reichweite allerdings durch andere
Grundrechte beschränkt werden kann.
Am Nachmittag diskutierten die Teilnehmer in parallel
stattfindenden Foren mit jeweils drei Referenten über drei
Schwerpunktthemen:
Eingriffe in die Keimbahn standen im Fokus von Forum A, das sich
mit sogenannten „Drei-Eltern-Babys“ befasste. Hinter diesem
Schlagwort stehen Bemühungen, mitochondriale Erbkrankheiten zu
vermeiden. Dabei wird in den bislang entwickelten Methoden, die sich
noch in einem experimentellen Stadium befinden, das Kerngenom der
betroffene Eizelle entweder vor oder nach der Befruchtung in eine
zuvor entkernte Spendereizelle übertragen, die gesunde Mitochondrien
enthält. Ein so entstehendes Kind trüge im Zellkern die DNA von Vater
und Mutter und in den Mitochondrien die DNA der Eizellspenderin.
Die Teilnehmer von Forum B setzten sich mit dem Themenkomplex
Eizellspende und Leihmutterschaft auseinander. In der Diskussion ging
es insbesondere um die Abwägung der Risiken mit dem Recht von Frauen,
selbstbestimmt darüber zu entscheiden, ob sie eine Eizellspende oder
Leihmutterschaft anbieten möchten.
Die Debatte in Forum C drehte sich um „Social Freezing“, das
langfristige Einfrieren eigener Eizellen im jungen Alter, um sie
Jahre später für eine Schwangerschaft nutzen zu können. In der
Diskussion wehrten sich mehrere Teilnehmer dagegen, „Social Freezing“
als Lifestyle-Angebot zu stigmatisieren während andere neue soziale
Zwänge für Frauen sehen. Wichtig für einen verantwortungsvollen
Einsatz sei vor allem eine gute Beratung.
Die Erträge der Forenarbeit wurden als Auftakt der abschließenden
Podiumsdiskussion vorgestellt, bei der sich die
Bundestagsabgeordneten Hubert Hüppe (CDU), Kathrin Vogler (Die Linke)
und Harald Terpe (Bündnis 90/Die Grünen) der Diskussion mit dem
Publikum stellten.
Christiane Woopen stellte in ihrem Schlusswort heraus, dass die
Jahrestagung gezeigt habe, wie wichtig angesichts der Entwicklungen
in der Fortpflanzungsmedizin eine breite gesellschaftliche Debatte
sei. Zudem müsse über die Weiterentwicklung der gesetzlichen
Regulierung nachgedacht werden, da das Embryonenschutzgesetz manches
Wichtige gar nicht, manches nur unklar und manches zwar klar, aber
gesellschaftlich sehr umstritten regele.
Alle Beiträge der Jahrestagung inklusive der Foren und der
abschließenden Diskussion sowie der Online-Befragung der Teilnehmer
können unter http://ots.de/CSgHd nachgehört und in Kürze auch
nachgelesen werden.
Pressekontakt:
Ulrike Florian
Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutscher Ethikrat
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