Zwei deutsche Erfinder haben Chancen auf den Europäischen
Erfinderpreis 2018: Jens Frahm ist in der Kategorie „Forschung“ als
Finalist nominiert. Thomas Scheibel zählt in der Kategorie „Kleine
und mittlere Unternehmen (KMU)“ zu den nominierten Finalisten. Sie
sind zwei von 15 Finalisten aus 13 Ländern, die von einer
unabhängigen internationalen Jury
(http://www.epo.org/learning-events/european-inventor/jury_de.html)
aus über 500 Erfindern und Erfinderteams ausgewählt wurden. Der
Europäische Erfinderpreis ist die wichtigste Auszeichnung für
Innovation in Europa und wird seit 2006 jährlich vom Europäischen
Patentamt (EPA) verliehen.
Dank Jens Frahm und seiner Forschung am Max-Planck-Institut (MPI)
für biophysikalische Chemie in Göttingen gehört die
Magnetresonanztomographie (MRT) heute zu den verbreitetsten
Diagnosemethoden in der Medizin. Der Biophysiker ist für die
Entwicklung der FLASH-Technik (Fast Low Angle Shot) nominiert. Sie
verbesserte die Bildgebungsgeschwindigkeit bei der MRT so
entscheidend, dass der klinische Einsatz möglich wurde. FLASH 2
brachte das MRT ins Videozeitalter. Mit bewegten Bildern von Organen
und Gelenken in Echtzeit hat er das diagnostische Potenzial noch
erweitert.
Thomas Scheibel, Inhaber des Lehrstuhls für Biomaterialien an der
Universität Bayreuth, ist für die Entwicklung künstlicher
Spinnenseide nominiert. Seit Jahrzehnten versuchten Wissenschaftler
vergeblich das ultrastarke Material, das 30-mal stärker ist als
Stahl, industriell herzustellen. Der deutsche Biochemiker imitierte
mittels „Biomimicry“ die spinnen-eigene Technik der Seidenherstellung
im Labor und perfektionierte dieses Verfahren zu einem
Herstellungsprozess von biotechnischen Spinnenseidenproteinen und
daraus gesponnenen Fasern. Um seine patentierte Erfindung im
Industriemaßstab voranzutreiben, hat Scheibel 2008 das Spin-off der
Technischen Universität München (TUM) AMSilk mitgegründet. Die Faser
hält bereits Einzug in bio-tolerierbare medizinische Implantate,
Textilien und Kosmetika.
Das Erfinderteam um den niederländischen Ingenieur Erik Loopstra
und den niederländisch-russischen Physiker Vadim Banine haben bei
ASML und mit dem deutschen Optikunternehmen ZEISS die Extrem
UV-Lithografie (EUVL) zur Herstellung schnellerer und
leistungsstärkerer Chips entwickelt und sind für diese Leistung in
der Kategorie „Industrie“ als Finalisten nominiert.
„Die Finalisten zeigen, dass Europa weiterhin weltweit führend
ist, wenn es um Innovationen geht“, sagte EPA-Präsident Benoît
Battistelli bei der Bekanntgabe der Finalisten des Europäischen
Erfinderpreises 2018. „Die Kreativität und der Einfallsreichtum
dieser Frauen und Männer tragen dazu bei, unser tägliches Leben zu
verbessern und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken.
Durch die Unterstützung der Arbeit dieser Erfinder bleibt das
europäische Patentsystem eine Säule zur Stärkung der Position Europas
als einer der innovativsten Märkte der Welt.“ Der Europäische
Erfinderpreis 2018 wird am 7. Juni 2018 im Rahmen eines Festakts in
Paris, Saint-Germain-en-Laye, verliehen.
Innovative Lösungen für Fragen unserer Zeit – die deutschen
Erfindungen im Einzelnen
Schnellere MRT in Echtzeit – Jens Frahm
Die erste Magnetresonanztomographie (MRT)-Aufnahme eines Menschen
wurde 1977 gemacht: Sie dauerte vier Stunden und 45 Minuten. Damit
war das Verfahren für den Klinikalltag viel zu langsam. Die
entscheidende Technik, die das Bildgebungsverfahren beschleunigte und
damit MRT überhaupt der medizinischen Praxis zugänglich machte, hat
der deutsche Biophysiker Jens Frahm 1985 am Max-Planck-Institut (MPI)
für biophysikalische Chemie in Göttingen entwickelt: die
FLASH-Technik (Fast Low Angle Shot). Maßgeblich dabei war die
Reduzierung der MRT-Bildgebungszeiten von Minuten auf wenige
Sekunden. Frahm ließ seine Erfindung patentieren und veröffentlichte
die Ergebnisse 1985 im medizinischen Fachblatt The Lancet. Dies kam
einem Durchbruch gleich: Führende Hersteller übernahmen FLASH schon
innerhalb weniger Monate nach der Veröffentlichung und die Anzahl neu
installierter MRT-Scanner verzeichnete weltweit einen schnellen
Anstieg. Heute gehört die MRT zu den sichersten medizinischen
Diagnoseverfahren mit weltweit mehr als 100 Millionen Untersuchungen
pro Jahr.
Frahms Fortentwicklung in der Echtzeit-Bildgebung heißt FLASH 2.
Diese Methode aus dem Jahr 2010 verbindet das FLASH-Prinzip mit
heutiger Computerbildrekonstruktion. Da die einzelnen Filmbilder nur
minimal verschieden sind, werden jeweils wenige Aufnahmen erstellt.
Rekonstruktionsalgorithmen füllen die fehlenden Informationen aus, um
übergangslos bewegte Aufnahmen zu erzeugen. Menschliche
Körperfunktionen können so in Echtzeit erfasst werden: Die
allerersten MRT-Filme von schlagenden Herzen, Gelenken in Bewegung
und komplexen Prozessen wie Schlucken und Sprachbildung sind durch
dieses Verfahren möglich und ein neues diagnostisches Potenzial der
MRT wurde eröffnet.
Die FLASH-Plattform ist heute das profitabelste Patent der
Max-Planck-Gesellschaft. Die Lizenzgebühren von FLASH und FLASH 2
wurden zur Finanzierung der Forschungsaktivitäten der
Biomedizinischen NMR-Forschung GmbH verwendet – ein
Non-Profit-Unternehmen, das Jens Frahm 1993 am Göttinger MPI für
biophysikalische Chemie gründete und seitdem als Direktor leitet.
Jens Frahm ist als Erfinder in vier europäischen Patenten genannt
und hat über 470 wissenschaftliche Publikationen verfasst. Seine
bahnbrechenden Leistungen wurden bereits durch zahlreiche
Auszeichnungen gewürdigt. 2016 wurde Jens Frahm für seine
Pionierarbeit in der MRT in die Hall of Fame der deutschen Forschung
aufgenommen – eine Ehre, die er mit nur 20 weiteren Wissenschaftlern
teilt, die Hälfte davon Nobelpreisträger.
Hochleistungsfasern aus künstlicher Spinnenseide – Thomas Scheibel
Spinnenseide zählt zu den stärksten bekannten Materialien der
Natur: Sie ist mindestens dreimal so widerstandsfähig wie Kevlar®,
das synthetische Material in kugelsicheren Westen. Gleichzeitig ist
sie leicht und geschmeidig. Die bekannten 45.000 verschiedenen
Spinnenarten produzieren ganz individuelle Seide mit einzigartigen
Eigenschaften: Manche sind wie Klebstoff, manche sind stark, andere
elastisch. Wissenschaftler und Chemiekonzerne hatten jahrzehntelang
erfolglos versucht, Spinnenseide künstlich herzustellen. Dem
deutschen Biochemiker Thomas Scheibel gelang, was andere
Wissenschaftlicher zuvor vergeblich versuchten: Seine künstliche
Seidenfaser ist um ein Vielfaches stärker als Stahl und herkömmliche
Kunstfasern. Er entwickelte einen zweistufigen Prozess: Er
programmierte E.coli-Bakterien gentechnisch auf die Produktion von
Spinnenseidenproteinen um. Im zweiten Schritt schufen Scheibel und
sein Team erfolgreich ein komplexes mechanisches Verfahren, das Jahre
bis zur Perfektion brauchte und bei dem rohe Seidenproteine zu
Seidenfasern für alle Arten von Produkten „gesponnen“ werden.
Scheibels Spinnenseide wird heute bei einer Vielzahl von Erzeugnissen
eingesetzt – von Kosmetika, medizinischen Anwendungen in Chirurgie
und bei Arzneimittelbeschichtungen über kugelsichere Westen bis hin
zur Computerelektronik. Weil sie vollständig biologisch abbaubar und
biokompatibel ist und daher ein geringes Abstoßungsrisiko aufweist,
ist die neue Seide beispielsweise für Implantate gut geeignet.
Nach seiner Promotion in Biochemie an der Universität Regensburg
untersuchte er modernste Techniken der Molekulargenetik und
Zellbiologie als Postdoktorand an der University of Chicago. Nach
seiner Rückkehr widmete er sich ab 2001 als Assistenzprofessor an der
Technischen Universität München (TUM) den technischen Anwendungen von
in der Natur vorkommenden proteinbasierten Materialien –
einschließlich Spinnenseide. Seit 2007 ist er Inhaber des Lehrstuhls
für Biomaterialien an der Universität Bayreuth. Um seine patentierte
Erfindung im Industriemaßstab voranzutreiben, hat Scheibel 2008 das
Unternehmen AMSilk mitgegründet, ein Spin-off der Technischen
Universität München (TUM) in München. 2014 machte das Unternehmen
Schlagzeilen als erster industrieller Anbieter von synthetischen
Seiden-Biopolymeren.
Thomas Scheibel blickt auf eine mehr als 25-jährige Karriere in
der Biochemie zurück und wird als Erfinder in sieben europäischen
Patenten genannt.
Extrem UV-Lithographie für schnellere und leistungsstärkere Chips
– Erik Loopstra und Vadim Banine
Mikrochips finden sich heute überall – in Computern, Robotern,
Autos, Smartphones und Haushaltsgeräten. Damit diese Geräte die
stetig komplexeren Aufgaben des digitalen Zeitalters bewältigen
können, müssen Halbleiterhersteller kleinere und leistungsstärkere
Chips produzieren. Die Prozessoren der nächsten Generation werden
Schalter in einer Größenordnung von nur maximal sieben Nanometern
beinhalten. Um diese winzigen Details zu erzeugen, nutzen
Chiphersteller die extrem ultraviolette Lithographie (EUVL) – eine
Technologie, die Erik Loopstra, Vadim Banine und ihr Team beim
niederländischen Hersteller für Halbleiter-Anlagen ASML und mit dem
deutschen Optik-Unternehmen ZEISS entwickelt haben und mit dessen
Hilfe es möglich ist, neue Mikrochips herzustellen, die für Branchen
wie Elektronik, Robotik, autonomes Fahren und künstliche Intelligenz
benötigt werden.
Die EUVL-Maschine, für deren erfolgreiche Entwicklung die
Zusammenarbeit mit dem deutschen Optikunternehmen ZEISS entscheidend
war, ist seit 2017 auf dem Markt. Der deutsche Partner liefert die
optischen Systeme für die Waferscanner von ASML, das selbst einen
Anteil von 24,9 Prozent am relevanten Geschäftssegment von ZEISS
innehat.
Erik Loopstra ist als Systemingenieur seit über 25 Jahren bei ASML
tätig. Der Erfinder von 65 europäischen Patenten arbeitet aktuell an
EUVL-optischen Systemen der nächsten Generation bei ZEISS in
Deutschland. Vadim Banine stammt ursprünglich aus Moskau und arbeitet
seit 1996 für ASML.
Über den Europäischen Erfinderpreis
Der Europäische Erfinderpreis
(http://www.epo.org/learning-events/european-inventor_de.html) ist
einer der renommiertesten Innovationspreise Europas. Im Jahr 2006 vom
EPA ins Leben gerufen, zeichnet er einzelne Erfinder und
Erfinderteams aus, deren bahnbrechende Erfindungen Antworten auf
einige der größten Herausforderungen unserer Zeit geben. Die
Finalisten und Gewinner werden von einer unabhängigen Jury
(http://www.epo.org/learning-events/european-inventor/jury_de.html)
internationaler Experten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und
Forschung ausgewählt. Sie prüfen die Vorschläge hinsichtlich ihres
Beitrages zum technischen Fortschritt, zur sozialen Entwicklung, zum
wirtschaftlichen Wohlstand und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in
Europa. Die Preisverleihung findet am 7. Juni in Paris,
Saint-Germain-en-Laye, statt. Die Öffentlichkeit ist ebenfalls dazu
eingeladen, ihren Beitrag zur Preisverleihung zu leisten: Der
Gewinner des Publikumspreises (http://ots.de/SA98rQ) wird aus den 15
Finalisten durch Online-Abstimmung auf der Website des EPA
(http://www.epo.org/index_de.html) im Vorfeld der Zeremonie gewählt.
Die Abstimmung läuft bis zum 3. Juni 2018.
Über das EPA
Mit fast 7.000 Mitarbeitern ist das Europäische Patentamt (EPA)
(http://www.epo.org/index_de.html) eine der größten Behörden in
Europa. Sein Hauptsitz ist in München; Niederlassungen gibt es in
Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien. Das EPA wurde mit dem Ziel
gegründet, die Zusammenarbeit zwischen den Staaten Europas auf dem
Gebiet des Patentwesens zu stärken. Dank des zentralisierten
Verfahrens vor dem EPA können Erfinder hochwertigen Patentschutz in
bis zu 44 Staaten erlangen, die zusammen einen Markt von rund 700
Millionen Menschen umfassen. Das EPA ist außerdem weltweit führend in
den Bereichen Patentinformation und Patentrecherche.
Medien- und Servicepaket:
Videomaterial und Fotos (http://ots.de/rmM8AJ)
Erfahren Sie mehr über die Erfinder (http://ots.de/PQTGAn)
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schauen Sie sich Videoportraits aller Finalisten auf Ihrem
TV-Bildschirm an. (https://www.youtube.com/watch?v=rYT_BqgAVIQ)
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