Veränderter Stoffwechsel von Krebszellen
könnte Immunantwort stören
Tumoren entkommen dem Immunsystem, indem sie angreifende
Abwehrzellen anlocken und einer „Gehirnwäsche“ unterziehen. Die
umprogrammierten Zellen stoppen dann nicht nur ihren Angriff auf den
Tumor, sondern unterstützen diesen sogar beim Wachstum. Was genau im
Tumorinneren passiert, wollen Wissenschaftler der Charité in Berlin
jetzt herausfinden. Die Deutsche Krebshilfe fördert das
Forschungsvorhaben mit 185.000 Euro.
Ziel der heimtückischen „Gehirnwäsche“ sind die sogenannten
MDSC-Zellen (Myeloid-derived suppressor cells) des Immunsystems. Im
gesunden Organismus sind MDSC-Zellen sehr selten, haben aber eine
wichtige Aufgabe: Sie regulieren die Immunantwort und verhindern,
dass eine zu starke Abwehrreaktion den Körper schädigen könnte. Sie
sind sogar daran beteiligt, bereits beeinträchtigtes Gewebe wieder zu
reparieren.
Bei Darmkrebs gerät dieses System aus dem Gleichgewicht. Große
Mengen von MDSC-Zellen reichern sich plötzlich in Blut und Geweben
an. Vom Tumor ausgeschüttete Botenstoffe locken sie zum
Krankheitsherd. Verlassen sie den Tumor wieder, haben sie sich
verändert: Von nun an arbeiten die MDSC-Zellen nur noch für den
Tumor. Sie beschützen ihn vor dem Immunsystem, fördern dessen
Wachstum und somit unmittelbar daran beteiligt, dass sich der Krebs
im Körper ausbreiten kann.
Unbekannte Vorgänge im Inneren des Tumors
Was genau geschieht mit den MDSC-Zellen im Inneren eines Tumors?
Diesem Rätsel sind Professor Dr. Britta Siegmund und Dr. Rainer
Glauben von der Medizinischen Klinik für Gastroenterologie,
Infektiologie und Rheumatologie der Charité Berlin auf der Spur.
Glauben erläutert: „Wir wissen, dass die Krebszellen ihren
Stoffwechsel verändern können. Sie produzieren bestimmte Fettsäuren,
die von den in den Tumor eingewanderten MDSC-Zellen aufgenommen
werden. Diese Fettsäuren machen aus den Immunzellen Handlanger des
Tumors.“
Im Reagenzglas ist es den Forschern bereits gelungen, MDSC-Zellen
durch die Zugabe bestimmter Fettsäuren umzuprogrammieren. Lassen sich
diese Ergebnisse auch in den klinischen Alltag übertragen? „Welche
Arten von Fettsäuren in welchem Tumor vorkommen, ist noch weitgehend
unerforscht“, erklärt Siegmund. Hier setzen die Berliner
Wissenschaftler an: „Wir müssen zunächst verstehen, welche dieser
Fettsäuren die MDSC-Zellen verändern. Dann können wir nach
Möglichkeiten suchen, den Stoffwechselweg, der für die Produktion
dieser Fettsäuren verantwortlich, zu blockieren und so zu verhindern,
dass sich die MDSC-Zellen verändern.“
Chronische Entzündung durch Übergewicht ist ein Risikofaktor
Einen direkten Zusammenhang zwischen einer ungesunden Ernährung
und der krankhaften Veränderung des Fettsäurestoffwechsels von
Darmkrebszellen sehen die Forscher jedoch nicht. Dennoch:
„Medizinisch gesehen ist hohes Übergewicht nichts anderes als eine
chronisch Entzündung des Körpers. Auch hier haben die Betroffenen
eine stark erhöhte Anzahl von MDSC-Zellen im Körper – ideale
Voraussetzungen für einen Tumor, sich auszubreiten“ so Siegmund
weiter.
„Wir erhoffen uns von diesem Projekt neue Strategien für die
Therapie von Darmkrebs“, so Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender
der Stiftung Deutsche Krebshilfe. „Innovative Forschungsprojekte zu
fördern, die ein hohes Potenzial besitzen, dass deren Erkenntnisse
schnell in den klinischen Alltag integriert werden, ist ein
Kernanliegen der Deutschen Krebshilfe.“
Hintergrundinformation Darmkrebs
Rund jede achte Krebserkrankung von Frauen und Männern in
Deutschland betrifft den Darm. Doch wie entsteht Darmkrebs? Wie wird
er festgestellt und therapiert? Auf ihrer Homepage gibt die Deutsche
Krebshilfe Antworten auf die wichtigsten Fragen und bietet kostenlose
Informationsmaterialien an. Eine persönliche Beratung bieten die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des telefonischen Informations- und
Beratungsdienstes INFONETZ KREBS der Deutschen Krebshilfe unter der
kostenlosen Rufnummer 0800 / 80708877.
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