In Zeiten der Diskussionen um Ungleichheit im Bildungssystem und der Verbesserung schulischer Bildung kommen dem Nachhilfesektor und anderen Unterstützungsangeboten z.B. durch Schülercoaches zunehmend Bedeutung zu. Nachhilfe im Allgemeinen lässt sich in verschiedener Hinsicht mit dem Aspekt des Schattens in Verbindung bringen. Die Sichtbarkeit von Nachhilfe in der bildungswissenschaftlichen Forschung ist in den letzten Jahren zwar größer geworden, kann aber immer noch als eher gering und methodisch wenig differenziert angesehen werden. Gefragt wird in solchen Untersuchungen meist mehr nach der Wirkung bzw. den Kosten von Nachhilfe oder aus einer Eltern-Schüler-Schule-Perspektive. Die Anbieter von Nachhilfe, hier die Nachhilfeinstitute als eigenständige Akteure, kommen selbst kaum in den Blick ebenso wie digitale Lernplattformen, ihr Aufbau und Verständnis von „Bildung“.
Der Band „Bildung im Schatten?“ von Oliver Bidlo versucht nun in zweierlei Hinsicht einen anderen Weg zu gehen. Zum einen wendet er sich im Rahmen einer qualitativen Untersuchung dem Feld der Nachhilfeinstitute, Schülercoaches und digitalen Lernplattformen zu. Zum anderen folgt die Untersuchung einer wissens- und nicht bildungssoziologischen Perspektive. Ein solcher Zugang weitet seinen Blick für Fragen nach schulischen Beratungsleistungen durch Nachhilfeinstitute, dem doing und displaying education, Entlastungsfunktionen für Familien, Evaluation von Schule durch Nachhilfe, dem Schüler-Coaching, aber auch dem Antreiben der wachsenden Konkurrenz im Bildungssystem durch Nachhilfe.
Damit werden Nachhilfeinstitute von passiven zu selbstständigen und aktiven Akteuren im Bildungswesen, die adäquat nicht mehr allein mit dem Bild des nachgängigen „Reparaturbetriebs“ gefasst werden können.
Oliver Bidlo: Bildung im Schatten? Eine hermeneutisch-wissenssoziologische Untersuchung zu Nachhilfeinstituten und digitalen Lernplattformen. Oldib Verlag, Essen, 412 Seiten, 29,90 Euro, 978-3-939556-75-6.