Asymmetrische Zellteilungen steuern das Schicksal blutbildender Stammzellen

Im menschlichen Körper entstehen täglich Milliarden neuer Blutzellen, die unterschiedliche Aufgaben im Organismus übernehmen. Wie der Prozess der Blutbildung reguliert wird und welche Aufgabe die Blutzellen erfüllen, ist bislang jedoch nicht abschließend geklärt. Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen am Universitätsklinikum Essen (UK Essen) konnten nun erstmals experimentell nachweisen, dass sich blutbildende Vorläuferzellen asymmetrisch teilen und so zwei Tochterzellen mit jeweils unterschiedlichen Aufgaben hervorbringen. Ein Prozess, der bei Fehlregulation zum Beispiel zu Leukämie, also Blutkrebs, führen könnte. Aufbauend auf dieser Erkenntnis wollen die Forscher nun Verfahren optimieren, mit denen blutbildende Stammzellen zukünftig auch außerhalb des Körpers vermehrt werden können. Diese grundlegenden Befunde werden am 9. Dezember in dem renommierten Fachmagazins „Stem Cell Reports“ veröffentlicht.

Sämtliche Blutzellen im menschlichen Körper gehen über unterschiedliche Vorläuferzellen aus sogenannten hämatopoetischen Stammzellen (HSZ) hervor. Die unterschiedlichen Arten von Blutzellen übernehmen im Organismus verschiedenste Funktionen: Lymphozyten, Makrophagen und Granulozyten organisieren zum Beispiel die Immunabwehr, Erythrozyten, die sogenannten roten Blutkörperchen, den Sauerstofftransport, und die von Megakaryozyten abgegebenen Blutplättchen den Wundverschluss. Dabei ist beim gesunden Menschen jeder Zelltyp in ausreichender Menge vorhanden und wird bei Bedarf neu gebildet.

Bei der Blutbildung des gesunden Menschen steuert der Bedarf das Angebot, indem das Knochenmark die verschiedenen Blutzellen stets in der erforderlichen Anzahl produziert. Zwar können die blutbildenden Stammzellen als die am meisten und besten untersuchten Stammzellen angesehen werden. Dennoch ist noch immer nicht abschließend geklärt, wie im Prozess der Blutbildung bestimmt wird , welche Aufgabe die entstehenden Tochterzellen haben, die Anzahl der Stammzellen konstant gehalten und wie ein Gleichgewicht in der Bildung von Zellen mit unterschiedlichen Aufgaben erzielt wird. Dies herauszufinden kann jedoch entscheidend sein, um Erkrankungen, die mit der Blutbildung zusammenhängen, zum Beispiel Leukämien, besser zu verstehen und langfristig auch zu therapieren.

Unterstützt von Kollegen untersuchte Dr. André Görgens aus der Arbeitsgruppe von PD Dr. Bernd Giebel am Institut für Transfusionsmedizin des UK Essen den Prozess der Blutbildung nun genauer. Die Wissenschaftler betrachteten hierzu die sogenannte asymmetrische Zellteilung. Hierbei handelt es sich um einen aus anderen Stammzellsystemen bekannten Prozess, bei dem durch die gesteuerte Ungleichverteilung von Faktoren zwei qualitativ unterschiedliche Tochterzellen mit unterschiedlichem „Schicksal“ bzw. Aufgaben entstehen. Die Forscher konnten unter Verwendung eines neuen anti-CD133 Antikörpers, HC7, belegen, dass der Stammzellmarker bei der Zellteilung von multipotenten Vorläuferzellen asymmetrisch auf die entstehenden Tochterzellen verteilt wird. Nachdem gezeigt werden konnte, dass die Bindung des Antikörpers keinen erkennbaren Einfluss auf die Biologie lebender Vorläuferzellen hat, verwendeten die Forscher diesen auch für Analysen einzelner lebender Vorläuferzellen. Mittels automatisierter Fluoreszenz-Mikroskopie gelang es André Görgens und seinen Kollegen erstmals, an lebenden blutbildenden Vorläuferzellen die asymmetrische Zellteilung zu beobachten. Nach Vereinzelung der entstandenen Tochterzellen wurde deren jeweiliges Entwicklungspotential analysiert. Hierbei zeigte sich, dass das ursprüngliche Potential der Mutterzellen in Teilen an die eine bzw. die andere Tochterzelle vererbt wird. Tochterzellen, die das vollständige Entwicklungspotential der Mutterzellen erben, wurden nur in Ausnahmefällen gefunden.

Die Stammzellforschung nimmt einen hohen Stellenwert am Institut für Transfusionsmedizin am UK Essen ein. Erst im Oktober wurde Institutsdirektor Prof. Dr. med. Peter Horn zum neuen Vorsitzenden des Lenkungskreises des Kompetenznetzwerks Stammzellforschung NRW gewählt. Das Kompetenznetzwerk Stammzellforschung NRW ist eine Initiative, die das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen fördert. Es ist landesweit organisiert und deckt mit den Standorten Aachen, Bielefeld, Bochum, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln, Münster und Witten/Herdecke das breite Spektrum der wissenschaftlichen Fragestellungen der adulten und embryonalen Stammzellforschung ab.

Quelle: Görgens A, Ludwig A-K, Möllmann M, Krawczyk A, Dürig J, Hanenberg H, Horn PA, Giebel B: Multipotent Hematopoietic Progenitors Divide Asymmetrically to Create Progenitors of the Lymphomyeloid and Erythromyeloid Lineages, Stem Cell Reports (2014), online pre-publication October 23, 2014, http://dx.doi.org/10.1016/j.stemcr.2014.09.016

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