– Aktuelle Studie der Bepanthen-Kinderförderung belegt: Mangelnde
Achtsamkeit kann gravierende Folgen für die Entwicklung des
Kindes haben.
– Schirmherrin Katia Saalfrank fordert mehr Dialog statt Monolog
in der Erziehung.
– Bepanthen-Kinderförderung schult Kinder und deren Eltern zum
Thema Achtsamkeit.
Wenn über Achtsamkeit gesprochen wird, ist damit meist die
Wahrnehmung der eigenen Praktiken, Emotionen und Bedürfnisse gemeint
– also die Aufmerksamkeit sich selbst gegenüber. Doch wie steht es um
die Achtsamkeit in Bezug auf die Menschen, die einem am nächsten
stehen, die eigene Familie?
Die aktuelle Studie „Achtsamkeit in Deutschland: Kommen unsere
Kinder zu kurz?“ wurde von der Universität Bielefeld im Auftrag der
Bepanthen-Kinderförderung durchgeführt. Prof. Dr. Holger Ziegler,
Sozialpädagoge und Studienleiter, hat untersucht, wie die Achtsamkeit
der Eltern von Kindern (6 bis 11 Jahre) und Jugendlichen (12 bis 16
Jahre) empfunden wird und welche Auswirkungen das Fehlen von
Beachtung haben kann.
Das Ergebnis ist beunruhigend: Fast jedes dritte Kind (31 Prozent)
und jeder fünfte Jugendliche (17 Prozent) fühlen sich von ihren
Eltern nicht beachtet. Das sind insgesamt 1,9 Millionen Kinder und
Jugendliche in Deutschland. Mit gravierenden Folgen: Nicht beachtete
Kinder und Jugendliche weisen Defizite in ihrem Selbstbewusstsein,
Vertrauen, ihrer Lebenszufriedenheit und Empathiefähigkeit auf. Prof.
Dr. Holger Ziegler warnt: „Wenn Kinder das Gefühl haben, dass
innerhalb der Familie nicht auf ihre Bedürfnisse eingegangen wird,
ist das eine erschreckende Erkenntnis. Denn nicht vorhandene
Achtsamkeit ist für die Entwicklung von Kindern so gravierend wie ein
Leben in Armut.“
Die Studie zeigt jedoch auch: Achtsamkeit gegenüber Kindern wird
unabhängig vom sozioökonomischen Status, der Familienkonstellation
und vom Migrationshintergrund gelebt. Das bedeutet, dass Achtsamkeit
weder ein Privileg wohlhabender Menschen noch der Familie im
traditionellen Sinn ist. „Die Beziehungsqualität in Familien in ihren
verschiedensten Formen, wie beispielsweise in Patchworkfamilien, ist
einzigartig. Nur im Familienverbund gibt es die Form der
bedingungslosen Liebesbeziehung, das kann keine Institution
kompensieren“, erklärt Studienleiter Prof. Dr. Holger Ziegler.
Wie erleben Kinder Achtsamkeit?
Ob die Befragten sich insgesamt unbeachtet oder beachtet fühlen,
wurde in der Bewertung verschiedener grundsätzlicher Aussagen, wie
zum Beispiel „Meine Eltern merken, ob es mir gut geht“, oder „Meine
Eltern hören mir ganz genau zu, wenn ich etwas sage“,
zusammengefasst. Anhand der daraus resultierenden Unterteilung in
beachtete und unbeachtete Kinder wurden diese beiden Gruppen in Bezug
auf ihre Wahrnehmung von Achtsamkeit analysiert sowie die
Auswirkungen mangelnder Achtsamkeit definiert.
Die Achtsamkeitsunterschiede zeigen sich im Alltäglichen. Eine
Nachfrage, wie der Tag war, gemeinsame Unternehmungen und
Zuneigungsbekundungen wie „Ich hab dich lieb“ zeigen die für Kinder
so wichtige Aufmerksamkeit und Zuwendung. Dies scheint aber nicht
überall die Regel zu sein, denn mehr als zwei Drittel (71 Prozent)
der empfunden unbeachteten Kinder stimmen der Frage, ob ihre Eltern
sich gerne mit ihnen beschäftigen, nicht zu.
Auch bei der emotionalen Verfassung ihrer Sprösslinge sollten
Eltern genauer hinsehen: 78 Prozent der sich beachtet fühlenden
Kinder sagen, dass ihre Eltern ihre Gemütslagen, wie zum Beispiel
Kummer, erkennen. Bei den Jugendlichen sind es 65 Prozent. Auch geben
sie an, dass die Eltern dazu entsprechende Fragen stellen. Bei den
nicht beachteten Kindern erfährt hingegen lediglich die Hälfte diese
Fürsorge, bei den Jugendlichen sogar nur ein Viertel.
Neben dem Interesse der Eltern ist auch die Unterstützung der
Kinder und Jugendlichen essenziell. Sie geht über die bloße
materielle Versorgung hinaus. Das vermittelte Zutrauen in die
Fähigkeiten der Kinder ist ein wichtiger Faktor für die Entwicklung
des Selbstvertrauens. Eine solche Unterstützung erfahren 81 Prozent
der beachteten Kinder.
Bei den unbeachteten Kindern erlebt dies nur rund die Hälfte.
Schwieriger ist diese Situation bei Jugendlichen, von denen lediglich
44 Prozent ein solches Zutrauen wahrnehmen. Auch die Ermutigung der
Eltern, dem eigenen Urteil zu folgen, ist ein wichtiger Baustein in
der Persönlichkeitsentwicklung. Rund zwei Drittel der beachteten
Kinder spüren das elterliche Vertrauen. Bei den Jugendlichen ist es
gut die Hälfte. 66 Prozent bzw. 78 Prozent der unbeachteten Kinder
und Jugendlichen fehlt diese Hilfestellung.
Das Gefühl der Geborgenheit geht verloren
Die Befragung zeigt auch die besondere Eigenschaft der Familie,
Geborgenheit zu schenken, was die meisten der beachteten Kinder
bestätigen: Nur 2 Prozent äußern diesen Mangel. Dagegen ist es bei
den nicht beachteten Kindern fast ein Fünftel (19 Prozent), dem ein
Gefühl von Geborgenheit fehlt.
Bei den Jugendlichen geht die Schere noch weiter auseinander: 11
Prozent der beachteten und fast die Hälfte (46 Prozent) der nicht
beachteten Jugendlichen empfinden keine Geborgenheit bei ihren
Eltern.
Diese Werte sind alarmierend. Ziegler: „Die Erwartung sollte sein,
dass Kinder sich in ihrem Zuhause zu 100 Prozent geborgen fühlen.
Jedes Kind, das dies nicht erlebt, ist eines zu viel.“
Auch auf die Frage nach der Lebenszufriedenheit gibt es
beunruhigende Rückmeldungen: Eine allgemeine Zufriedenheit mit sich
selbst und ihrem Leben empfinden nur etwas mehr als die Hälfte (53
Prozent) aller Kinder. Noch schlechter sieht es bei den nicht
beachteten Kindern und Jugendlichen aus: Hier bestätigen dies nur 41
bzw. 38 Prozent.
Empathie muss erfahren werden
Ein Ergebnis der Studie gibt den Bielefelder Forschern besonders
zu denken: Nur 54 Prozent der befragten Kinder geben an, dass sie
sich in andere hineinversetzen können und mit ihnen mitfühlen. Bei
den nicht beachteten Kindern sind es sogar nur 40 Prozent, bei den
Jugendlichen bedenkliche 29 Prozent.
Woran kann das liegen? Ziegler sieht die Ursachen unter anderem in
der gesellschaftlichen Entwicklung: „Die Gesellschaft fühlt nicht
mehr mit. Die Vermittlung von Solidaritätswerten nimmt ab – auch in
der Erziehung.“
Die Schirmherrin der Bepanthen-Kinderförderung, Familienberaterin
Katia Saalfrank, möchte sensibilisieren: „Empathie entsteht, wenn
Menschen selbst empathische Menschen erleben und Mitgefühl erfahren.
Die Erfahrung, dass Zuwendung und Einfühlung Verbindung schaffen und
sich gut anfühlen, ist ein essenzieller Schritt zum Erlernen dieser
Fähigkeit. Menschen spüren in dieser Form von Kontakt, dass
gegenseitige Empathie positive Gefühle und Vertrauen wachsen lässt.“
Kinder bleiben mit ihren Ängsten allein
Auch das Teilen der eigenen Ängste und Sorgen gehört zu diesem
Lern- und Erfahrungsprozess. Die Studie zeigt jedoch, dass Kinder und
Jugendliche hier häufig allein bleiben. 29 Prozent aller befragten
Kinder und sogar die Hälfte (48 Prozent) der nicht beachteten Kinder
teilen ein konkretes Angstempfinden nicht mit den Eltern.
Noch deutlicher wird diese Entwicklung, wenn es um allgemeine
Sorgen geht. Mehr als zwei Drittel (69 Prozent) der nicht beachteten
Kinder vertrauen diese ihren Eltern nicht an, bei den nicht
beachteten Jugendlichen sind es sogar 94 Prozent. Katia Saalfrank
sieht hier eine Wechselwirkung: „Wenn Eltern die Ängste ihrer Kinder
nicht wahrnehmen oder als unwichtig abtun, lernen Kinder, dass ihre
Gefühle nicht wichtig sind. Sie werden sich dann langfristig ihren
Eltern gegenüber nicht öffnen. Sie lernen zu schweigen oder werden in
ihrem Verhalten auffällig. So oder so fühlen Kinder sich nicht gehört
und mit ihren Anliegen nicht willkommen, was dann zur Folge hat, dass
sie auch in ihrer späteren Entwicklung mit ihren Sorgen und Gedanken
allein bleiben.“
Achtsamkeit für sich selbst und andere
Ziegler gibt bei der Bewertung dieser Ergebnisse zu bedenken: „Die
Achtsamkeit, die Kinder und Jugendliche empfinden, ist in einem hohen
Maße mit dem Wohlergehen, der Selbstbeziehung und einer breiten Reihe
von Problemlagen der jungen Menschen verknüpft. Hier zeigt sich die
Bedeutung der Familie als zentrales Fundament von
Liebes-Sorge-Beziehungen.“
Wie also können Eltern die Achtsamkeit gegenüber ihren Kindern
verbessern und deren Entwicklung fördern? Saalfrank: „Eigene
emotionale Bedürfnisse wahrzunehmen, sie zu erkennen und zu
befriedigen, ist wichtig für die seelische und körperliche Entwickung
des Menschen. Eltern übernehmen das zunächst für die Kinder, indem
sie die wahrgenommenen Bedürfnisse achtsam regulieren und Gefühle
benennen. So können Kinder langfristig ihre eigene ,emotionale
Landkarte“ kennenlernen.“ Dies bedeutet jedoch auch, zunächst einmal
Achtsamkeit für sich selbst zu entwickeln.
Katia Saalfrank weiß: „Selbstreflexion ist ein guter Weg, achtsam
mit sich und den eigenen Kindern umzugehen. Die konstruktive,
vertrauensvolle und wertschätzende Beziehung im Mittelpunkt der
Eltern-Kind-Beziehung ist enorm wichtig für eine gesunde Entwickung
von Kindern. Ich bespreche mit Eltern: Seid offen, unvoreingenommen,
zugewandt und interessiert, bewertet nicht, hört zu und fragt nach.
Aus Monolog wird Dialog. Nicht die Quantität, sondern die Qualität
der gemeinsam erlebten Zeit ist wichtig.“
Aber nicht jede Familie kann dies leisten. „Wo solche
Voraussetzungen nicht gegeben sind, bietet die Arche Hilfe zum
wichtigen Beziehungsaufbau an“, so Bernd Siggelkow, Gründer des
Kinder- und Jugendhilfswerks „Die Arche“.
Bepanthen-Kinderförderung unterstützt Arche-Kinder
Die Bepanthen-Kinderförderung setzt sich seit 2008 für sozial
benachteiligte Kinder in Deutschland ein und unterstützt die Arche
mit Förderprogrammen und jährlichen Geldspenden. Im zweijährlichen
Rhythmus führt sie gemeinsam mit der Universität Bielefeld eine
Sozialstudie durch, mit dem Ziel, jeweils aktuelle Problemfelder in
der Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen zu identifizieren.
Die gewonnenen Erkenntnisse werden in Zusammenarbeit mit Pädagogen
der Arche in Förderprogramme für sozial benachteiligte Kinder
umgesetzt. Das diesjährige Förderprogramm zum Thema „Achtsamkeit“
wird zurzeit gemeinsam mit der Arche entwickelt. Weitere
Informationen finden Sie unter www.kinderförderung.bepanthen.de
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rg (2017-0159)
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