Beschäftigte fordern differenzierten Umgang mit telefonischer Krankschreibung

Der hohe Krankenstand in Deutschland sorgt für Diskussionen – besonders, wenn es um die telefonische Krankschreibung und die Einführung von Teilkrankschreibungen nach skandinavischem Vorbild geht. Dabei wird jedoch selten die Perspektive der Beschäftigten berücksichtigt. Eine Befragung der BKK ZF & Partner und des Instituts für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) zeigt, dass die Beschäftigten eine differenzierte Sicht auf das Thema haben. Von den 1.025 befragten Mitarbeitenden verstehen viele die Sorgen der Arbeitgeber.

Ein Großteil der Befragten (66,2%) glaubt, dass die telefonische Krankschreibung oft missbraucht wird. Zudem sind 62,0% der Meinung, dass sie zu einem höheren Krankenstand beiträgt. Aber auch die Bedenken der Gewerkschaften, dass Beschäftigte bei einer Abschaffung der telefonischen Krankschreibung häufiger krank zur Arbeit gehen könnten (Präsentismus), teilen viele der Befragten. Denn 68,3% gaben an, schon einmal krank gearbeitet zu haben, weil ihnen der Gang zum Arzt zu umständlich war. Ralf Hirmke, Vorstand der BKK ZF & Partner, stellt klar: „Die Befragung zeigt: Schwarz-Weiß-Denken bringt uns nicht weiter. Die Beschäftigten haben eine ausgewogene Sicht auf die telefonische Krankschreibung und auch auf Teilkrankschreibungen. Es gibt sowohl Vorteile als auch Nachteile.“

Diese differenzierte Sichtweise zeigt sich auch bei den Symptomen, die eine Krankschreibung erforderlich machen. Acht von zehn Befragten sind der Meinung, dass man bei einem leichten Halskratzen durchaus arbeiten kann, aber bei Durchfall oder Fieber ist es besser, sich auszuruhen. Dr. Utz Niklas Walter vom IFBG ergänzt: „Es gibt körperliche und psychische Beschwerden, bei denen keine Krankschreibung nötig ist. Es ist jedoch wichtig, dass Hausärzte, Betriebsärzte und Krankenkassen die Beschäftigten weiter aufklären. Ein kurzes Telefonat mit dem Arzt kann hier helfen, zu klären, ob man weiterarbeiten kann oder sich besser ausruhen sollte, um keine Krankheit zu verschleppen.“ Der Erfolg von telefonischen Krankschreibungen hängt jedoch auch davon ab, dass Ärzte sich ausreichend Zeit für eine verlässliche Anamnese nehmen, um Missbrauch zu verhindern.

Laut Ralf Hirmke ist der Schlüssel zu weniger Krankheitstagen die Unternehmenskultur und Führung. „Beschäftigte, die sich ihrem Unternehmen verbunden fühlen, fehlen nur, wenn sie wirklich krank sind. Ein gutes Teamgefühl und eine Kultur, die auf Zusammenarbeit und Wertschätzung setzt, tragen ebenfalls dazu bei“, erklärt er. Bezüglich der telefonischen Krankschreibung: Nur 43,7% der Befragten haben sich bereits telefonisch krankgemeldet, wobei jüngere Mitarbeiter dies häufiger tun als ältere. Dennoch sprechen sich 75,9% der Befragten dafür aus, dass diese Möglichkeit beibehalten werden soll. Auch die Idee einer Teilkrankschreibung wird von den meisten Beschäftigten positiv bewertet. 58,6% halten es für sinnvoll, sich nur für einen halben Tag oder für bestimmte Tätigkeiten krankschreiben zu lassen. 54,4% würden diese Möglichkeit nutzen – insbesondere jüngere Mitarbeitende. Dr. Walter sieht in der Teilkrankschreibung sowohl Chancen als auch Risiken: „Unsere Befragung zeigt, dass das Prinzip, sich auszukurieren, in vielen Fällen richtig ist, aber nicht immer. Da es bei Teilkrankschreibungen noch viele offene Fragen gibt, sollte dieses Modell in Pilotprojekten getestet werden.“

Ein weiteres Thema, das immer wieder aufkommt, ist die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Deutschland hat mit einer 100-prozentigen Lohnfortzahlung für bis zu sechs Wochen eines der großzügigsten Systeme weltweit. Doch ob eine Verkürzung zu mehr Produktivität oder zu mehr Präsentismus führt, ist umstritten. Mehr als die Hälfte der Befragten (58,6%) sagt, dass sie schneller wieder arbeiten würden, wenn sie kein Gehalt mehr im Krankheitsfall erhalten würden.
Ralf Hirmke dazu: „Die Diskussion um die sechswöchige Lohnfortzahlung sollte differenziert geführt werden. Auch wenn Modelle anderer Länder nicht einfach auf Deutschland übertragbar sind, sollten wir sie in wirtschaftlich schwierigen Zeiten genauer unter die Lupe nehmen.“

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