Das bei weitem komplexeste Organ des Menschen ist es, mit dem sich Neurowissenschaftler Prof. Jens Schwamborn in seiner Arbeit auseinandersetzt: das Gehirn. Dabei ist die Forschung an diesem schwer zugänglichen Organ alles andere als einfach. Um die komplexen Strukturen und Abläufe zu verstehen und Angriffspunkte von Krankheiten zu identifizieren ist die Forschung am lebenden Gehirn notwendig – was aus vielerlei ethischen Gründen jedoch praktisch ausgeschlossen ist. Daher blieben auch neurodegenerative Erkrankungen wie Morbus Parkinson bislang nur wenig erforscht. Jedoch könnte dieses Dilemma nun bald ganz der Vergangenheit angehören, denn moderne Neurowissenschaftler wie Jens Schwamborn forschen seit einigen Jahren an einem Modell, mit dem sich eine Forschungsumgebung darstellen lässt, die dem lebenden menschlichen Gehirn gleich ist.
JENS SCHWAMBORN
Jens Schwamborn wurde 1977 in Deutschland geboren und studierte Chemie und Biochemie. Seine Promotion erlangte er an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster am Institut für Allgemeine Zoologie und Genetik. Nach postgradualer Projektarbeit an verschiedenen internationalen Universitäten und Instituten gründete er seine eigene Projektforschungsgruppe. Bereits während dieser Arbeit wurde ein Problem immer mehr offenbar: Erkenntnisse, die im Labor gewonnen werden, sind nur eingeschränkt auf das tatsächliche, lebende menschliche Gehirn übertragbar. 2019 gründete Jens Schwamborn daher gemeinsam mit einem Kollegen das Unternehmen OrganoTherapeutics zur Entwicklung eines Hirnorganoiden-Modells, das inzwischen erfolgreich zur Erforschung neurologisch angreifender Krankheiten eingesetzt wird.
DIE FORSCHUNG VON ORGANOTHERAPEUTICS
Im Labor von OrganoTherapeutics entstand ein Hirnorganoiden-Modell, das in der Lage ist, die zur Forschung relevanten Strukturen des menschlichen Gehirns dreidimensional abzubilden. Auf diese Weise ist es Jens Schwamborn möglich, in einer Umgebung mit Neuronen zu forschen, die im lebenden Gehirn von Morbus Parkinson angegriffen und zerstört werden. Das Besondere dabei ist, dass diese gezüchteten Hirnorganoiden die Parkinson-Krankheit bereits in sich tragen, weil die ihnen zugrunde liegenden Hautzellen tatsächlich von Parkinson-Patienten entnommen wurden. Diese werden in Stammzellen umgewandelt, wobei die Parkinson-Erkrankung erhalten bleibt. So enthalten auch die letztlich aus den Stammzellen gezüchteten Neuronen Morbus Parkinson. Die Komplexität des menschlichen Gehirns als auch die Pathologie von Parkinson können auf diese Weise im Labor so dargestellt werden, wie sie im Gehirn eines lebenden Patienten vorhanden sind.
MITTELHIRNORGANOIDEN ALS BESONDERES MODELL
In der Neurowissenschaft setzt sich die Forschung mit Hirnorganoiden immer mehr durch und gilt mittlerweile als modernste Technologie zur Erforschung des menschlichen Gehirns. Für Jens Schwamborn ist dabei das Mittelhirn von besonderem Interesse. Denn in ihm befindet sich die Substantia nigra, eine Gewebestruktur, in der Nervenzellen den Botenstoff Dopamin produzieren. Dieser ist unter anderem dafür zuständig, dass Bewegungsabläufe des menschlichen Körpers funktionieren. Morbus Parkinson verursacht ein Absterben dieser Nervenzellen und es kommt in der Folge zu den typischen Parkinson-Symptomen, dem Zittern und der Muskelsteifigkeit.
WIE SICH MINI-GEHIRNE AUCH IM KAMPF GEGEN COVID-19 EINSETZEN LASSEN
Da sich im Verlauf der Pandemie erwiesen hat, dass das Corona Virus SARS-CoV2 nicht nur den Atmungsapparat befällt, sondern auch neurologisch angreift, bietet sich die Forschung an Jens Schwamborns Mittelhirnorganoiden-Modell an. Gemeinsam mit dem Luxembourg Institute of Health (LIH) und dem Unternehmen DeepBioInsights erforscht OrganoTherapeutics daher, wie SARS-CoV2 im Mittelhirn angreift und welche Möglichkeiten zur Generierung von Wirkstoffen bestehen können.