Professor Dr. Thomas Misgeld (Technische Universität München) und
Professor Dr. Boris Schmidt (Technische Universität Darmstadt) haben
den diesjährigen renommierten, Alzheimer-Forschungspreis der
Frankfurter Hans und Ilse Breuer-Stiftung erhalten, der mit insgesamt
100.000 EUR dotiert ist und zwischen den beiden Wissenschaftlern
geteilt wird. Der Preis wurde am 21. November anlässlich der
Eibsee-Konferenz „Zelluläre Mechanismen der Neurodegeneration“ zum
achten Mal in Folge verliehen und ist die höchst dotierte
Auszeichnung für Alzheimer-Forschung in Deutschland. Alzheimer und
ähnliche Demenzen gehören zu den größten gesundheitspolitischen
Herausforderungen der Gegenwart. Die Hans und Ilse Breuer-Stiftung
hat sich daher zur Aufgabe gemacht, herausragende Forschung auf
diesem Gebiet zu fördern.
Professor Dr. Thomas Misgeld erhält die begehrte Auszeichnung für
seine Forschung zum Aufbau und Zerstörung der Nervenverbindungen im
Gehirn. Nervenzellen kommunizieren untereinander über teilweise sehr
lange Fortsätze, die Axone. Für ein funktionierendes Gehirn müssen
unendlich viele Nervenzellen über solche Axone korrekt miteinander
verbunden und fehlerhafte Verknüpfungen wieder gelöst werden. Der
1971 geborene Wissenschaftler untersucht diesen äußerst komplizierten
Vorgang im lebendigen Gehirn von Tiermodellen, vor allem bei Mäusen,
aber auch bei Zebrafischen. Er hat dafür mikroskopische Techniken
entwickelt, die es ihm erlauben, mit Hilfe von Lasern beispielsweise
die Energiekraftwerke der Zellen, die Mitochondrien, sichtbar zu
machen. Diese Techniken ermöglichen ihm auch, den Transport dieser
Kraftwerke durch die langen Axone zu beobachten und dessen
Geschwindigkeit exakt zu messen.
Früh schon hat der vielfach ausgezeichnete Wissenschaftler
festgestellt, dass seine Forschungsergebnisse nicht nur für das
normal funktionierende gesunde Gehirn von größter Relevanz sind,
sondern dass seine Ergebnisse auch auf viele Demenzerkrankungen wie
Alzheimer und Amyotrophe Lateral Sklerose übertragbar sind. Dabei
wird der Transport der Energiekraftwerke durch die Axone verlangsamt
und es kommt zu einem Transportstau, der dann zum Absterben der Axone
führt. Professor Misgeld fand heraus, dass Radikale, extrem reaktive
und hoch toxische Verbindungen, das Absterben der Axone einleiten. Er
entdeckte aber auch, dass dieser Vorgang mit „Radikalfängern“
gestoppt werden kann und reversibel ist.
Thomas Misgeld studierte Medizin an der TU München. 1999
promovierte er am Max-Planck-Institut für Neurobiologie in
Martinsried, ist seit 2009 Professor für Biomolekulare Sensoren an
der TU München und gehört dem Zentrum für integrierte
Proteinforschung München (CIPSM) an. Er hat bereits mehrere wichtige
Forschungspreise erhalten, unter anderem den Wyeth MS Young
Investigator award (2004), den Robert-Feulgen-Preis (2005), den
Sofja-Kovalevskaja-Preis (2006) und den Schilling-Preis (2007).
Professor Dr. Boris Schmidt erhält den Forschungspreis der
Breuer-Stiftung in Anerkennung seiner hervorragenden Arbeiten auf dem
Gebiet der Wirkstoffforschung gegen pathologische Proteinablagerungen
der Alzheimer-Krankheit und anderer neurodegenerativer Erkrankungen.
Der 1962 geborene Boris Schmidt, der seit 2001 Professor für
Organische Chemie an der TU Darmstadt ist, hat in Hannover Chemie
studiert und sich anschließend auf Fragen der organischen Chemie und
Wirkstoffentwicklung spezialisiert. Nach Aufenthalten in
verschiedenen Forschungsinstituten in USA und Europa begann seine
Beschäftigung mit neurodegenerativen Erkrankungen in der
pharmazeutischen Industrie als Gruppenleiter bei Novartis in Basel.
Seit dieser Zeit zielt seine Forschung auf zentrale Fragen der
Alzheimer-Krankheit ab. Dort verklumpen („aggregieren“) bestimmte
Proteine wie A-beta oder Tau und zerstören damit Nervenzellen. Die
Proteine werden außerdem anomal modifiziert, beispielsweise durch
Abspaltung oder chemische Veränderung durch Phosphatgruppen. Deshalb
spielen die verantwortlichen Enzyme (Proteasen, Kinasen) eine
zentrale Rolle in der Ursachenforschung: Kann man diese Prozesse
durch maßgeschneiderte Wirkstoffe unterbinden? Kann man die
pathologischen Reaktionen im Gehirn durch neuartige Kontrastmittel
sichtbar machen?
Im Fall von A-beta gelang es Boris Schmidt und seinem Team in
beeindruckender Weise, neue Hemmstoffe gegen die Aggregation zu
entwickeln sowie Inhibitoren der „Sekretase“-Enzyme, durch die das
A-beta aus dem Vorläuferprotein APP herausgeschnitten wird. Der
chemische Trick ist dabei, nicht nur Moleküle zu finden, die die
erwünschte Wirkung haben, sondern sie auch so zu modifizieren, dass
sie die Blut-Hirn-Schranke passieren, weil sie erst dann an ihre
Wirkstätte gelangen. Außerdem dürfen die Substanzen nicht selbst
toxisch sein und Nebenwirkungen erzeugen. Im Fall von Tau-Protein
geht es ebenfalls um die Verhinderung der Aggregation sowie um die
Hemmung von Proteinkinasen, die die anomale Phosphorylierung
hervorrufen. Hier gelang es dem Wissenschaftler, hochspezifische
Hemmstoffe zu finden, die nur das Ziel-Enzym herunterregeln, aber
nicht die zahlreichen verwandten Proteinkinasen.
Parallel zu diesen Ansätzen, die auf die Therapie der Krankheiten
ausgerichtet sind, beschäftigt sich Professor Schmidt intensiv mit
der Entwicklung von neuen Marker-Verbindungen, die spezifisch an die
pathologischen Aggregate im Gehirn andocken und sie mit Hilfe von
modernen klinischen Abbildungsmethoden (beispielsweise PET, MRT)
sichtbar machen. Dies dient der Diagnose, die gerade für die langsam
fortschreitenden Veränderungen im Gehirn möglichst früh gestellt
werden muss, um therapeutische Maßnahmen einzuleiten. Dabei liegt die
Herausforderung darin, nur die Zielsubstanzen kontrastreich
darzustellen, andere Gehirnstrukturen aber nicht. Diese Beispiele
belegen die außerordentlich wichtige Funktion der zielgerichteten
chemischen Wirkstoffforschung an der Schnittstelle zwischen der
klinischen Diagnose und Therapie einerseits sowie der
biomedizinischen Grundlagenforschung andererseits, ohne die neue
Durchbrüche bei der Bekämpfung der Alzheimer-Krankheit und anderer
neurodegenerativer Erkrankungen nicht denkbar sind.
„Die Hans und Ilse Breuer-Stiftung will mit der diesjährigen
Auszeichnung von Thomas Misgeld und Boris Schmidt deren
bahnbrechenden Entdeckungen ins Zentrum rücken, die von größter
Wichtigkeit für therapeutische Ansätze zur Bekämpfung von Alzheimer
und Amyotrophe Lateral Sklerose sind“, so Professor Dr. Christoph
Hock von der Psychiatrischen Universitätsklinik in Zürich,
Kuratoriumsmitglied der Stiftung.
Die Hans und Ilse Breuer-Stiftung wurde im Jahr 2000 von dem
Unternehmer Hans Breuer gegründet. Ein wichtiger Impuls für die
Gründung der Stiftung ging von den leidvollen Erfahrungen aus, welche
die Familie Breuer selbst mit der Alzheimer-Krankheit machen musste.
Sowohl die Belastungen und Schwierigkeiten im Umgang mit der
Krankheit und ihren Symptomen, als auch das Gefühl, ihr machtlos
ausgeliefert zu sein, haben Hans Breuer und seine Familie dazu
veranlasst, sich der Thematik anzunehmen und sich im Kampf gegen
Alzheimer und andere Demenzkrankheiten zu engagieren. Die Stiftung
hat sich zur Aufgabe gemacht, die Lebenssituation von Demenzkranken
und ihren Angehörigen entscheidend zu verbessern. Zweck der
gemeinnützigen Stiftung ist es, exzellente wissenschaftliche
Forschung im Kampf gegen die Alzheimer-Krankheit und andere
Demenzerkrankungen zu fördern und wissenschaftliche Netzwerke auf dem
Gebiet der Alzheimer-Forschung zu unterstützen. Darüber hinaus
fördert die Breuer Stiftung zahlreiche Projekte aus den Bereichen
Versorgung, Betreuung und Therapie, die wesentlich dazu beitragen,
das Leben von demenziell Erkrankten und ihren Familienangehörigen zu
erleichtern.
Weitere Informationen zur Stiftung und allen Möglichkeiten zu
spenden sind auf der Website http://www.breuerstiftung.de abrufbar.
Pressekontakt:
Uli Kuhn
Uli Kuhn Consulting
uli.kuhn@ukuhn-consulting.de
Mobil 0178 / 322 01 82