Weniger ist mehr – für Patienten
der Zahnmedizin führt diese volkstümliche Binsenweisheit auf
wissenschaftlicher Basis dank neuer diagnostischer und
therapeutischer Errungenschaften in verschiedenen Teildisziplinen der
Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde zu spürbaren Verbesserungen.
„Weniger Schmerzen – bessere Planung – geringere Belastung“ lautete
das Thema der Wissenschaftlichen Pressekonferenz der Deutschen
Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) heute in
Frankfurt a.M. Dabei wurden Beispiele für solche Entwicklungen aus
den Bereichen Zahnerhalt, Diagnostik und Regenerativer Zahnmedizin
vorgestellt.
Minimalinvasive Kariestherapie in der Zahnerhaltung
Minimalinvasive Kariestherapie beginnt nicht mit dem Bohrer –
jeglicher Ansatz zur Kariesprävention ist bereits Kariestherapie.
Während die Restauration lediglich Zahnhartsubstanz ersetzt – und
zwar sowohl kariöse als auch wegpräparierte, gelingt es der
Prävention schon viel früher anzusetzen. Dies ist vor allem im
Hinblick auf den so genannten „Redentistry-Cycle“ sehr bedeutend für
den effektiven Schutz der Zahnhartsubstanz.
Minimalinvasive Kariestherapie bedeutet auch, über innovative
Ansätze wie z.B. die Kariesinfiltration nachzudenken, denn die
Schonung gesunder Zahnhartsubstanz bleibt das oberste Gebot. Alle
präventiven Möglichkeiten finden jedoch im Moment ihre therapeutische
Grenze zu dem Zeitpunkt, wenn eine Kavitation auftritt, und das ist
noch immer recht häufig. Dann erfolgt die korrekte, ebenfalls unter
weitgehendem Schutz gesunder Zahnhartsubstanz durchgeführte
Füllungstherapie.
Während man noch vor 15 Jahren glaubte, Minimalinvasivität
beschränke sich exklusiv auf die Präparation von Kavitäten, wissen
wir heute, dass wahre Minimalinvasivität auf vier Säulen beruht: 1.
Schonende Exkavation: Jede Läsion soll so exkaviert werden, als sein
man selbst der Patient. Das heißt, es wird so vorsichtig vorgegangen,
dass eine iatrogene Schädigung der vitalen Pulpa unwahrscheinlich
ist. Hier sind Polymerbohrer sehr hilfreich, um potenziell
remineralisierbares Dentin zu belassen. 2. Defektbezogene
Präparation: Es muss so viel gesunde Zahnhartsubstanz wie nur irgend
möglich belassen werden, um den Zahn nicht überproportional zu
schädigen und die Effektivität restaurativer Prozesse zu verbessern.
3. Nachhaltige Füllungstherapie: Je länger die Restauration hält,
desto später muss sie unter weiterer Opferung gesunder
Zahnhartsubstanz ausgetauscht werden. 4. Reparabilität: Nur mit Hilfe
effektiver Reparaturen gerade zahnfarbener Restaurationen können die
Punkte 2 und 3 effektiv umgesetzt werden. Es muss nicht jede
teildefekte Restauration komplett erneuert werden. Innovative
Reparaturstrategien helfen dabei, auch im (Teil-)Versagensfall ein
Maximum an gesunder Zahnhartsubstanz zu erhalten. Denn ZahnErhaltung
heißt nicht nur Zähne erhalten, sondern vor allem auch
Zahnhartsubstanz erhalten.
Univ.-Prof. Dr. Roland Frankenberger (Direktor der Abteilung für
Zahnerhaltungskunde, Med. Zentrum für ZMK, Philipps-Universität
Marburg / Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung)
Digitale Planung und Therapie
Die CAD/CAM Technologie hat seit gut mehr als zehn Jahren ihren
festen Platz in Zahnmedizin und Zahntechnik zur Herstellung von
unterschiedlichsten dentalen Rekonstruktionen.
In den letzten Jahren wurden im Rahmen der digitalen Zahnmedizin
bedeutsame Weiterentwicklungen durchgeführt. So wurde die digitale
Volumentomographie eingeführt, die eine wenig strahlenbelastende
dreidimensionale Darstellung der knöchernen Strukturen der
Schädelregion ermöglicht. Desweiteren wurden verschiedene Verfahren
zur optischen Abformung vorgestellt, die dreidimensionale Datensätze
der Zahn- und Kieferregionen erstellen und anstelle der herkömmlichen
Abformverfahren eingesetzt werden können. Diese und andere
Entwicklungen ermöglichen dem Zahnmediziner heute, Patientenfälle
mithilfe unterschiedlicher Softwares auf dem Computerbildschirm zu
Beginn der Behandlung virtuell zu analysieren und die notwendige
Therapie dreidimensional zu planen. Diese Planung kann dann anhand
z.B. gedruckter oder stereolithographisch erstellter Schablonen in
die Behandlungssitzung bzw. in die Chirurgie übertragen werden.
Werden alle diese Datensätze zukünftig mit einer 3-D Fotografie
des Patienten vereint, besteht die Möglichkeit, einen „virtuelle
Patienten“ zu erstellen und dies zur Planung und Besprechung der
Behandlung mit den jeweiligen Patienten einzusetzen. Auf diese Weise
wird zukünftig eine möglichst wenig invasive und die Patienten wenig
belastende Umsetzung der geplanten Behandlung gewährleistet werden
können.
PD Dr. Irena Sailer (Oberärztin und wissenschaftliche
Abteilungsleiterin, Klinik für Kronen- und Brückenprothetik,
Teilprothetik und zahnärztliche Materialkunde, Zentrum für
Zahnmedizin, Universität Zürich, Schweiz / Gastprofessorin am
Department of Preventive and Restorative Sciences, School of Dental
Medicine der University of Pennsylvania in Philadelphia, USA)
Was können regenerative Materialien leisten – und was nicht?
In der heutigen Zeit halten regenerative Materialien immer mehr
Einzug in die Medizin bzw. Zahnmedizin. Sowohl in der Zahnmedizin für
die Hart- und Weichgeweberegeneration (u.a. GBR-, bzw. GTR-Membranen,
Schmelz Matrix Proteine, Knochenersatzmaterilaien), als auch für die
Defektrekonstruktion nach Trauma oder Tumorresektion in der Oral-
bzw. MKG-Chirurgie stellen neuartige Biomaterialien (u.a. individuell
gefräste allogene Knochenblöcke, individuelle Schädelimplantate) eine
mögliche Alternative zu avaskulären Knochentransplantaten oder
mikrovaskulären Fibula-, Skapula- und/ oder Beckenkammtransplantaten
dar. Nach wie vor sind diese Transplantate der Goldstandard.
Nachteile dieser Technik sind u.a. die Entnahmemorbidität in der
Spenderregion, die komplexen Operationen mit langen OP-Zeiten und
langem Krankenhausaufenthalt und die daraus resultierenden
gesundheitlichen und finanziellen Belastungen für die Patienten.
Es gibt neuartige und bereits etablierte regenerative Materialien,
die ihren Einsatz in der Geweberegeneration finden. U.a.
Biomaterialien auf textiler Basis (N-Fibroin-, PDLLA-, PGA- und
PVDF-basiert), Keramiken (u.a. HA, ß-TCP und/oder Gemische) oder
neuartige Mg-Scaffolds, die mittels Funkenerosion hergestellt werden.
Ebenfalls werden neuartige Oberflächenbeschichtungen der
regenerativen Materialien (zur Optimierung der Zellnische) und die
funktionelle Kopplung von Zytokinen (mittels drug delivery systemen
oder Plasmiden), zwecks Erhöhung des regenerativen Potentials der
Materialien, verwendet. Auch der Einsatz dieser Materialien im Tissue
engineering oder zellbasierte Therapieansätze (u.a. mesenchymale/
embryonale Stammzellen oder dentale Puplastammzellen) sind möglich.
Die aktuellen Biomaterialien, die im Augenblick in der
Zahnmedizin/Medizin auf dem Markt sind, sind dennoch kritisch zu
hinterfragen. Es existieren aber erfolgversprechende, also mit
realistischem klinischem Umsatzpotential, versehene Entwicklungen.
Univ.-Prof. Dr. Dr. Ralf Smeets (Geschäftsführender Oberarzt und
Leiter der Forschung in der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer-
und Gesichtschirurgie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf /
Gastdozent an der Universität Bremerhaven)
Hinweis an die Redaktionen: Weitere Informationen sowie
Bildmaterial zum Deutschen Zahnärztetag 2012 der DGZMK finden Sie auf
der Homepage (www.dgzmk.de) unter der Rubrik „Presse“
Pressekontakt:
Markus Brakel
ma.brakel@googlemail.com
t. 0152-33817771