Wer heute beim Arzt eine Blutprobe abgibt, muss in der Regel ein paar Tage auf den Befund warten. Gerade wenn es um kritische Dinge geht wie eine mögliche HIV-Infektion, dann bedeutet das für den Betroffenen oft Warten in Ungewissheit. Dass eine Laboranalyse länger dauert, liegt nicht zuletzt an der aufwendigen Dokumentation. Über jede Probe muss akribisch Protokoll geführt werden. Patientendaten, Messergebnisse, Messverfahren, all das müssen Laboranten im Detail aufschreiben. Das kostet Zeit und ist fehleranfällig. Forscher vom Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT entwickeln deshalb mit Förderung durch das saarländische Ministerium für Wirtschaft und Wissenschaft das „Labor der Zukunft“, in dem die Untersuchungen und vor allem auch die Dokumentation der Proben vollautomatisch abläuft.
Proben werden automatisch erfasst
Dafür ist ein ganzes Bündel an technischen Neuerungen nötig, die die IBMT-Experten gemeinsam mit Hochschulen und mittelständischen Unternehmen konzipiert haben. Ein zentraler Baustein ist die automatische Erfassung der Proben. In die Probenröhrchen aus Kunststoff werden dazu kleine Mikrochips eingeschmolzen, die alle Informationen wie etwa das Datum, die Herkunft oder den Namen des Patienten speichern. Früher wurden diese Röhrchen per Hand beschriftet, seit einiger Zeit steckt die Information in einem Barcode, der eingescannt werden kann. Doch für eine vollautomatische Anlage reicht das nicht. Denn die Information auf einem Barcode lässt sich nicht verändern. Anders der Mikrochip. Steckt man das Röhrchen in die Analysegeräte, wird auf dem Chip automatisch mitgeschrieben, was wann gemacht wurde. Damit enthält das Röhrchen selbst eine lückenlose Historie, ohne dass der Laborant mühsam ein schriftliches Protokoll führen muss. „Für gewöhnlich wird die Probe von einem Protokollzettel begleitet“, sagt IBMT-Projektleiter Daniel Schmitt. In anderen Fällen kündigt man die Probe mitsamt aller Informationen per Email an. „Mit dem Chip aber sind Probe und Information unmittelbar verbunden. Nichts kann verloren gehen.“
Inzwischen haben die IBMT-Forscher den Chip mit einer winzigen Datenantenne kombiniert, einem über Funk ansprechbaren RFID-Bauteil. Gerade bei biologischen Proben ist das ein großer Vorteil. Diese werden in Stahlbehältern mit eiskaltem Stickstoff gelagert, die man ungern öffnet, weil dann Wärme und Feuchtigkeit eindringen. Dank der Mikrochips kann man jederzeit von außen abfragen, welche Proben sich gerade in einem Behälter befinden – eine Inventur durch den Stahlmantel.
Neue Software steuert Abläufe
Manche Blutproben reisen weit; HIV-infizierte Blutproben aus Afrika etwa, die in Forschungslabors für die AIDS-Forschung benötigt werden. „Da ist eine automatische Datenspeicherung sehr hilfreich“, sagt Schmitt. Natürlich gehört zum automatischen Labor auch eine Software, die die Abläufe steuert, das Labormanagementsystem LabOS, das die Forscher am IBMT zusammen mit der Firma Soventec entwickelt haben. Sobald ein Probenröhrchen in eine Lesestation gesteckt wird, zeigt LabOS auf einem Bildschirm die Daten an, ferner die Historie und die nächsten Schritten, die zu tun sind. Ganz ohne Zettelwirtschaft.
Übers Internet auf Laborgerät zugreifen
Noch müssen die Laboranten die Geräte selber steuern. Doch auch dass soll künftig automatisiert ablaufen. Zu diesem Zweck wurde am IBMT in Kooperation mit der Technischen Universität Braunschweig ein Netzwerk-System entwickelt, das alle Geräte mit einer Zentrale verbindet. Dieses „smallCAN“-Bus-System, das der Vernetzung von Steuergeräten in Autos nachempfunden ist, macht es sogar möglich via Internet auf einzelne Laborgeräte zuzugreifen. „Mit smallCAN und LabOS kann das Labor beinahe autark arbeiten und die Testabläufe automatisch abspulen“, sagt Schmitt. Das reduziert den Aufwand für die Dokumentation erheblich. Statt viel Zeit mit dem Ausfüllen von Protokollformularen zu verbringen, können sich die Laboranten dann auf die eigentliche Arbeit konzentrieren, das Umsetzen oder Vorbereiten der Probengefäße zum Beispiel. Damit kann ein Labor den Probendurchsatz und die Qualität der Ergebnisse deutlich erhöhen.
Wie gut die Technik zusammenspielt, zeigen die Kooperationspartner seit geraumer Zeit mit einem Lkw, der als mobiles Labor durch Südafrika fährt. Hier liegt der Schwerpunkt auf der AIDS- und Tuberkulose-Diagnostik. „Über die zentrale Steuerung können wir sogar die Daten des Lkw abfragen, die aktuelle Temperatur im Labor zum Beispiel“, sagt Schmitt. Dass die Technik auch in herkömmlichen Labors funktioniert, steht für ihn außer Frage. „Wenn man es geschafft hat, eine solche Anlage auf kleinstem Raum in einer mobilen Applikation zu realisieren, ist ein gewöhnliches Labor ein Kinderspiel.“ Während der MEDTEC Europe vom 13. bis 15. März in Stuttgart (Halle 6/Stand 6211) werden Schmitt und seine Kollegen, die Software LabOS, den smallCAN und ein Modell des Lkw präsentieren.
Stand-Nummer: 6211 / Halle: 6